Die Arbeit der Bundeskanzlerin Angela Merkel wird offenbar viel stärker von Meinungsumfragen bestimmt als bisher bekannt. In der vergangenen Wahlperiode gab das Bundespresseamt dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zufolge rund 600 bislang unveröffentlichte Umfragen in Auftrag. Demnach ließ das Bundespresseamt zentrale Regierungsvorhaben und die Beliebtheitswerte der Kabinettsmitglieder umfassend bei den Wählern abfragen.
Der Regierungssprecher Steffen Seibert habe die Ergebnisse in einer Zusammenfassung an die Bundeskanzlerin weitergeleitet. Die Resultate der Demoskopen fänden sich dem Narichtenmagazin zufolge regelmäßig im Handeln der Regierungschefin wieder. Vor der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 sollte das Institut Emnid laut „Spiegel“ herausfinden, welche Klimapolitik sich die Deutschen wünschen.
Mehrere Aussagen der Studie seien später fast wortgleich in einer Regierungserklärung aufgetaucht, die Merkel im Bundestag hielt. Auch bei der Aussetzung der Wehrpflicht seien deutliche Übereinstimmungen zwischen internen Umfragen wie der Allensbach-Studie „Verteidigungspolitik im Spiegel der öffentlichen Meinung“ und Merkels Politik erkennbar. Weitere Erhebungen beschäftigten sich dem Bericht zufolge unter anderem mit den „Wertvorstellungen der Deutschen“ oder „Singles im Alter von 30 bis 59 Jahren“.
Einige Umfragen werfen laut „Spiegel“ die Frage auf, ob dabei Parteiinteressen und nicht das Regierungshandeln im Vordergrund stehen. Die Forschungsgruppe Wahlen sollte demnach im Auftrag des Bundespresseamts in den Jahren 2011 und 2012 mehrfach herausfinden, ob sich eine rot-grüne Regierung nach Ansicht der Deutschen besser um das Gemeinwohl oder langfristige Probleme kümmern würde als es die schwarz-gelbe Koalition tut. Der Bundesrechnungshof kritisiert Umfragen, die parteipolitischen Interessen dienen.
Es bestehe die Gefahr, dass die „Chancengleichheit der miteinander konkurrierenden Parteien“ verletzt werde, erklärte ein Sprecher. Regierungssprecher Seibert kann laut „Spiegel“ kein Fehlverhalten erkennen: „Das Bundespresseamt bewegt sich innerhalb seines Auftrags und der dabei zu beachtenden Grenzen.“ Zugänglich seien die Umfragen erst durch einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Grünen-Politikers Malte Spitz geworden. Das Bundespresseamt habe sich monatelang gegen die Herausgabe der Unterlagen gewehrt. Spitz habe sich schließlich vor Gericht durchsetzen können und die Umfragen nach Ablauf der Legislaturperiode im Oktober 2013 erhalten.
Quelle: dts Nachrichtenagentur