Radikalität und Innovation sind ihre Steckenpferde – und um denen gerecht zuwerden, haben sich die Jungs von K.I.Z. wieder einmal etwas Neues einfallen lassen: Auf ihrer Website veröffentlichen die Vier das erste interaktive Musikvideo.
Spätestens seit ihrem Album „Hahnenkampf“ ist die Berliner Rap-Combo K.I.Z. in aller Munde. Mit ihren schonungslosen, beißend sarkastischen Texten spalten sie dieNation. Als erste deutsche HipHop-Band thematisierten sie Homosexualität in einem Musikvideo und sorgten damit für eine Aufschrei in der Szene.
Es geht ihnen darum, anders zu sein und zu polarisieren. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf haben sich Tarek, Euro8000, Maxim und DJ Craft mit den Fotografen Ole Leifels und Holger J. Weberzusammengesetzt und das erste interaktive Musikvideo geschaffen.
Abartig oder innovativ?
Seit Donnerstag steht der Clip auf der Website www.kiz-neuruppin.de. Passend zu den Klängen des Songs „Neuruppin“ macht sich der User auf den Weg, das besungene Haus zu erkunden. In bester K.I.Z-Manier spielen sich in den Räumen der Ruine allerhand verstörende und grausameSzenen ab.
Abartig oder innovativ? Für den eingefleischten K.I.Z.-Fan keine Frage. So vielverdankt die Nation dem Quartett, das im Zuge der großen Street-Rap-Offensive 2005 berühmt geworden und geblieben ist. Immerhin ist es ihnen in unserer abgestumpften Zeit gelungen nocheinmal zu schocken, Grenzen zu überschreiten. Dazu haben sie es geschafft einen Bogen zu schlagen und einen Sound kreiert der sowohl HipHoper, Punks als auch Technohörer anspricht.
Mit dem interaktiven Video zu „Neuruppin“ reagieren sie auf die Zeichen der Zeit. Verstehen es gekonnt auf die Anforderungen, die die digitale Welt heute stellt einzugehen:Den Zuschauer einbinden und „die Ästhetik von Fotos und Videos in die Interaktivität zu transportieren“. Zumindest sagen das die Fotografen über das Werk.
Damit liegen sie sicher nicht falsch, doch die Realität enttarnt diese blumigenWorte schnell als hemmungslosen Euphemismus. Schon in der technischen Umsetzung zeigen sich kleinere Mängel. Lange Ladezeiten etwa, oder gelegentliches Stoppen und Ruckeln. Dadurch wird dieangepriesene Atmosphäre schnell durchbrochen – sofern sie überhaupt zustande kommt.
Aufgewärmte Klischees, statt innovativer Ideen
Ein graues, verfallenes Haus mit knarrende Türen. Darin ein fetter Metzger, der eine Leiche zersägt. Dazu die klassischen, gelangweilten Spießbürger, die sich am Küchentischanschweigen. Eine weitere Leich im Keller, Augen im Einmachglas und ein verstört dreinblickendes Mädchen. Ekelig – ja. Aber provokant? In Zeiten, in denen Hollywoodstreifen wie „Saw“ Hochkonjunktur haben, dürften solche Szenen – zumal die Bilder in dem K.I.Z.-Video ausgesprochen künstlich wirken – bei niemanden mehr wirklichen Anstoß erregen.Zumal die Musikwelt bereits bei Marilyn Manson oder den Nine Inch Nails durchaus krasseres erleben durfte.
Und die viel gelobte Innovation? Die Idee, den Zuschauer selbst durch ein Videosteuern zu lassen, ist zweifelsohne genial. Aber eine gute Idee garantiert nun mal leider nicht auch zwangsläufig eine gute Umsetzung. Die überbordenden Klischees, die K.I.Z. hier demNutzer präsentieren, gepaart mit einem Song, dessen Musik zu einem Großteil geklaut ist, zeugen alles andere als von Einfallsreichtum oder Neuerung. Hinzu kommt ein klassisches Problem desInternets: Die Altersabfrage, die man vor betreten der Website bestehen muss, ist weniger als halbherzig – und egal wie monochrom die Bilder und belanglos der Text von „Neuruppin“ sein mögen, für Kinderaugen und -ohren sind sie nicht bestimmt.
Quelle: MZEE.com