„No, Mr. Bond, I expect you to die!“
Pünktlich zum neuen Bond-Kinofilm „Skyfall“ liefern uns Activision und Eurocom eine bunte Mischung aus 50 Jahren Filmgeschichte. Wir verraten euch, ob „007 Legends“ die Bezeichnung „legendär“ verdient oder ob euch ein legendärer Fehltritt erwartet.
Seit vier Jahren liegt die Bond-Lizenz nun in den Händen von Activision. Zeit, Bilanz zu ziehen: Der Publisher bescherte uns Gamern eine gute („007: Ein Quantum Trost“), eine solide („007: Blood Stone“) und eine sehr gute („GoldenEye 007“) Versoftung der Abenteuer von Ian Flemings Kultspions (wobei letztere eine eher mäßige Portierung bekam). Im Gegensatz zur fragwürdigen Bond-Ära von Electronic Arts war kein einziger Totalausfall dabei – bis jetzt.
Legend? Skyfall!
Grundsätzlich fällt es mir schwer, mit Eurocom hart ins Gericht zu gehen. Von den vielen Bond-Umsetzungen, für die der englische Entwickler verantwortlich ist, war keine schlecht – nicht einmal „007: Die Welt ist nicht genug“ von 2000, das auf dem N64 seinerzeit ein schweres Erbe antrat. Doch genug von indizierten Rare-Shootern und zurück in die Gegenwart. Von Anfang an waren die Umstände gegen Eurocom. „007 Legends“ musste 2012 in den Handel, um die Publicity des 50-jährigen Bond-Filmjubiläums auszukosten. Da im selben Jahr mit „Skyfall“ auch noch ein neuer Bond-Streifen auf die Leinwand kommt, war es aus Marketing-Sicht günstig, den Release gleich an dessen Premiere anzulehnen. Last but not least: „007 Legends“ musste unbedingt vor „Call of Duty: Black Ops II“ in die Läden, um eine kommerzielle Katastrophe, verursacht durch die populäre Konkurrenz aus eigenem Hause, zu verhindern.
Mit anderen Worten: Eurocom stand mit Sicherheit unter gewaltigem Zeitdruck. Dies ist zugleich meine einzige Erklärung, wie „007 Legends“ in seinem aktuellen Zustand durch die interne QA-Prüfung gekommen ist.
Die Kampagne ist in fünf Kapitel unterteilt, von denen je eines für einen bestimmten Bond-Film steht. Im Programm sind „Goldfinger“, „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“, „Lizenz zum Töten“, „Stirb an einem anderen Tag“ und „Moonraker“ – in genau dieser Reihenfolge, obwohl diese weder vom Erscheinungszeitraum der Filme her, noch chronologisch gesehen korrekt ist. Ein sechstes Kapitel zum neuen „Skyfall“-Abenteuer soll nach dessen Kino-Premiere als kostenloser DLC erscheinen. Wer angesichts dieses Aufgebots jedoch einen gewaltigen Spielumfang erwartet, irrt.
Gespielt werden nicht etwa die komplette Geschichten, sondern jeweils nur ein Teil daraus. Wer die zugehörigen Filme nicht gesehen hat, ist von Beginn bis Ende jedes Abschnitts hoffnungslos verwirrt. Die Missionen werfen euch ohne Vorgeschichte oder Erklärungen mitten in die Film-Story und beschränken sich auf die ikonischsten Augenblicke des jeweiligen Streifens. Ist eine Cutscnene oder meinetwegen eine kurze Texteinleitung wirklich zu viel verlangt?
Natürlich könnte man meinen, dass ein kurzer Ausschnitt aus dem Originalfilm aus atmosphärischer Sicht das Nonplusultra gewesen wäre – nicht jedoch in diesem Fall. Denn die fünf Filme aus „007 Legends“ wurden Eurocoms „GoldenEye“-Kur unterzogen. Das heißt: Alle Geschichten wurden zeitlich in die Gegenwart geholt. Es gibt moderne geopolitische Verhältnisse, moderne Gadgets und einen modernen Bond – Daniel Craig. Kein Connery, kein Brosnan – Daniel Craig. Ob der Titel „007 Legends“ ohne die legendären Originaldarsteller akkurat ist, liegt wohl im Auge des Betrachters.
Snake wäre enttäuscht …
Das Gameplay von „007 Legends“ entspricht in etwa dem, was man von einem Bond-Shooter erwartet: Es gibt viel Action, viele Explosionen und viele tote Bösewichte. Kills, besondere Effizienz in eurer Mission und die Bewältigung kleiner Herausforderungen (wie Abschüsse mit bestimmten Waffen/Aufsätzen) bringen Erfahrungspunkte, mit denen ihr eure Waffen upgraden oder Spezialtraining erwerben könnt. Zur Auflockerung kommen gelegentlich Stealth-Passagen und Spielereien mit Bonds neuem Sony-Xperia-Smartphone (ein Hoch auf Product Placement!) dazu. Leider ist beides nicht nur überflüssig, sondern schnell frustrierend.
Im Gegensatz zu „GoldenEye 007“ funktioniert Stealth hier nur in den wenigsten Fällen. Ohne exakten Walkthrough ist es in manchen „Stealth-Arealen“ nahezu unmöglich, eure Widersacher ohne Konfrontation zu passieren. Dies liegt zum einen daran, dass ihr euch auf die Anzeigen eures Radars nicht verlassen könnt, zum anderen an der völlig kaputten Gegner-KI. Eure Kontrahenten bleiben an Objekten hängen, werfen sich selbst Granaten vor die Füße und laufen schon einmal achtlos an euch vorbei. Ähnlich gestaltet sich die Lage beim Schleichen: Scheinbar ahnungslose Feinde drehen sich überraschend um oder „hören“ euch, obwohl ihr kriecht. In anderen Situationen konnte ich eine Kamera zerschießen, die sich direkt über einer Wache befand, ohne dass diese davon Notiz nahm. Ich denke, die KI als „broken“ zu bezeichnen ist wirklich nicht übertrieben.
Werdet ihr entdeckt, wird Alarm ausgelöst und Verstärkung geholt. Glücklicherweise ist die debile KI nichts als billiges Kanonenfutter, das euch höchstens durch seine Masse gefährlich werden kann. Einfach draufhalten, dann kann man sich Stealth generell sparen. Oder auch nicht, denn Eurocom hat in weiser Voraussicht Sequenzen eingebaut, in denen ihr bei Entdeckung automatisch den „Game Over“-Screen zu sehen bekommt.
… und Q begeht Selbstmord.
Noch schlimmer als die Schleicherei ist allerdings das Puzzeln mit Bonds Gadgets. Wilde Shoot-Outs werden immer wieder durch Augenblicke unterbrochen, wo ihr plötzlich inne halten und Räume nach Geheimfächern, -türen und verstecktem Kram absuchen müsst. Da ihr nicht wisst, wonach ihr Ausschau halten müsst, kann die Suche durchaus ein bisschen Zeit beanspruchen. Ihr werdet in den ersten Missionen dermaßen auf die Nutzung eurer Gadgets getrimmt, dass ihr automatisch davon ausgeht, sie wären eine Lösung für jede Situation, die augenscheinlich nicht durch Waffengewalt lösbar ist, was dafür sorgt, dass ihr simplere Auswege gar nicht mehr in Betracht zieht. Dies ist insoweit problematisch, als dass die Gadgets in den seltensten Fällen zum Weiterkommen zwigend erforderlich sind. Abgesehen davon bricht das ständige Gadget-Gewusel gewaltig mit dem Flow der Schießereien, was dem Spiel keinen Gefallen tut.
Ein besonderes „Vergnügen“ ist das Hack-Minispiel. Hier müssen mit L2 und R2 zwei unterschiedliche Balken auf einer Höhe gehalten werden, damit der Hacking-Prozess fortschreitet. Ihr verliert allerdings nichts, wenn ihr einfach wild auf L2 und R2 einhämmert – euer Ziel ist trotzdem schnell gehackt. Ein weiterer Beweis für die allgemeine Sinnlosigkeit dieser Gimmick-Features.
Stichwort sinnlose Minispiele: Bei den meisten Bossen schweigen die Waffen; stattdessen werdet ihr in einen Faustkampf verwickelt. Doch statt epischer Fights voll von Adrenalin und Spannung wird euch eine Neuauflage von „Punch Out!!“ geboten. Euer Widersacher steht euch starr gegenüber und ihr müsst abwechselnd blocken und angreifen. Trefft ihr euren Sparring-Partner an seiner ungedeckten Stelle, nimmt dieser Schaden, bis er irgendwann K.O. geht. Ein solcher „Sieg“ fühlt sich weder wichtig, noch gut an, was Kämpfe gegen so bedeutende Persönlichkeiten wie Blofeld oder Oddjob massiv entwertet. Selbst die nervigen QTE-Ketten aus „Ein Quantum Trost“ wären mir lieber gewesen als dieses lahme Arcade-Geplänkel. Entsprechend gelangweilt kämpft man sich durch die fünf Kampagnen.
Was gibt’s sonst noch?
Habt ihr den platten Story-Modus hinter euch, könnt ihr euch an den aus „GoldenEye 007: Reloaded“ bekannten Challenges versuchen. Da das Gameplay, wie ich zur Genüge ausgeführt habe, aber über weite Strecken nicht wie gewünscht funktioniert, frage ich mich: Sind Trophäen als Belohnung wirklich Anreiz genug, sich durch Missionen zu quälen, wo es beispielsweise darum geht, mit dem kaputten Stealth-System durch einen Level zu schleichen? Nein, ich glaube nicht.
Zum obligatorischen Multiplayer kann ich nur eines sagen: Er funktioniert. Nicht mehr und nicht weniger. Neben einem Haufen Standard-Modi erwarten euch die mittlerweile alltäglichen Level-Ups und freispielbaren Goodies – alles ganz nett, aber in keiner Weise speziell oder besonders ansprechend. Das scheinen auch andere Spieler so zu sehen – zu keiner Zeit konnte ich mehr als eine Hand voll laufender Sessions finden. „Call of Duty: Black Ops II“ muss sich vor „007 Legends“ keinesfalls fürchten.
Über die Technik von „007 Legends“ bräuchte ich eigentlich gar nichts zu schreiben – Kopieren und Einfügen des entsprechenden Text-Paragraphen aus meinem Review zu „GoldenEye 007: Reloaded“ würde genügen. Es ist die selbe Game-Engine wie damals und ihre Wii-Wurzeln wurden nach wie vor nur unzureichend kaschiert. Etliche Texturen sind erschreckend niedrig aufgelöst (wir sprechen tatsächlich von Wii-Niveau!) und ein Großteil der vorhandenen Grafik-Effekte (wie Licht, Rauch oder Oberflächen-Reflektionen) ist für aktuelle PS3-Verhältnisse äußerst primitiv. Die Optik ist insgesamt akzeptabel, aber auf der Sony-Plattform definitiv kein großer Wurf.
Einen neuen Kritikpunkt fand ich trotzdem: „007 Legends“ muss nicht auf der lokalen Festplatte installiert werden, sondern läuft direkt von der Blu-ray Disc, was jedoch Ladezeiten zur Folge hat, die jeglicher Beischreibung spotten. Erschwerend kommt hinzu, dass man nach jedem Bildschirmtod die gleichen, rund 40 Sekunden (!) langen Ladezeiten wieder über sich ergehen lassen muss. „GoldenEye 007: Reloaded“ beanspruchte zwar 3,4 GB Speicherplatz, dafür waren die Ladepausen aber wenigstens minimal. Was hier geboten wird, ist jedenfalls völlig inakzeptabel.
Obwohl der Soundtrack im Großen und Ganzen passt und authentisch ist, gibt es einen Wermutstropfen: Abgesehen von der fragwürdigen Qualität sowohl der deutschen als auch der englischen Synchronisation muss das Spiel ohne die Stimme von Daniel Craig auskommen, welche er für alle bisherigen Bond-Versoftungen von Activision zur Verfügung stellte. Vor zwei Jahren erklärte David G. Wilson, dass sich der Schauspieler (in Zusammenhang mit Bond-Spielen) nicht für „rubbish“ hergeben würde – ein möglicher Qualitätsindikator für „007 Legends“?
Fazit, Sebastian Meinke
Eurocom – ein Entwickler, der normalerweise für Qualität steht – hat „007 Legends“ mit Karacho gegen die Wand gefahren. Dieser undurchdachte und bugverseuchte Fließband-Shooter ist alles andere als legendär. Was ist hier passiert? Seit „GoldenEye: Rogue Agent“ hatte ich kein so mieses Bond-Spiel mehr in Händen – sehr schade. Fans des britischen Superspions sollten ihr Geld lieber in eine Kinokarte für „Skyfall“ investieren. Wer unbedingt einen neuen Shooter braucht – „Call of Duty: Black Ops II“ ist nicht mehr fern.
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