Slut in Regensburg

Vor knapp einer Woche gastierte die Ingolstädter Rockband Slut in Regensburg.RauteMusik besuchte ihr Konzert und sprach mit Frontmann Christian Neuburger über Zwölfer-WGs, Asphaltlyrik und über Musik, die zielgerichtet an Trends vorbeigeht.

Regensburg, 14. März. Der „Kulturspeicher“ wirkt von außen eher wie ein gigantisches Fabrikgebäude. Das bräunliche, kastenförmige Bauwerk erreichtmühelos die Höhe eines sechs- bis siebenstöckigen Hauses. Fenster sieht man von der Frontseite keine und die blanken, chromfarbenen Stahltreppen, die ins Innere führenverstärken nur den industriellen Charakter des Geländes.

Auf der Rückseite befindet sich ein großer Schotterparkplatz. Dort parkt ein schnittiger Nightliner mit verdunkelten Scheiben. Am Heck findet man bei genauem hinsehen eine kleineInschrift: „Target Concerts“. Das geräumige Vehikel gehört zu der Ingolstädter Rockband Slut, die an diesem Abend in der vermeidlichen Fertigungshalle ihrenRegensburger Fans die Ehre erweisen will.

Um 22 Uhr soll die Show beginnen. Um 19:30 Uhr sitzt die Band noch gelassen im Café „Cafka“, das direkt neben dem „Kulturspeicher“ liegt und kurzerhand zum Backstagebereich erklärtwurde.

Man betritt das Café durch einen dicken, dunkelblauen Vorhang und findet sich in einem, in warmen Gelb- und Orangetönen gestrichenen Raum mit teils runden, teils eckigen Tischen wieder.Links vom Eingang ist ein Buffet aufgebaut und an einem der runden Tische sitzt ein sichtlich ausgeglichener Christian Neuburger, schwenkt ein Glas Weißwein und wischt sich eine störrischeLocke aus der Stirn.

Das komplette Interview könnt ihr HIER nachlesen.

Inzwischen ist es 20:15 Uhr und der „Kulturspeicher“ beginnt, sich allmählich zu füllen. Vor der Tür stehen grüppchenweise frierende Raucher und durch die Glastüren kann mandie Schlange an der Garderobe erahnen.

Das Innere des Gebäudes weckt zunächst wieder industrielle Assoziationen. Hinter dem hellen Eingangsbereich, der in den gleichen warmen Farben wie das Café „Kafka“ gestrichen ist,führt eine kleine Treppe in einen weiträumigen, rechteckigen Raum, der geschnitten ist wie ein Schuhkarton. Rechts befindet sich die blau beleuchtete Bar, die jetzt, vor dem Konzert, nochlebhaft bevölkert wird. Direkt gegenüber, an einer breiten Glasfensterfront ist ein weiß angestrahlter Merchandisingstand aufgebaut, an dem eine dunkelhaarige junge Frau T-Shirts, CDsund Poster verkauft.

Die Bühne am hinteren Ende des Saals liegt noch im dunkeln. Bei genauem Hinsehen erahnt man den ein oder anderen umherhuschenden Schatten. Vermutlich Bandmitglieder oder Tontechniker, die sichdavon überzeugen, dass jedes Kabel auch wirklich am rechten Fleck liegt.

Um 21 Uhr nehmen vier der Schatten feste Positionen ein. Der Saal wirdabgedunkelt und die Bühne in sattes, rotes Licht getaucht. Die Uphill Racer eröffnen als Support-Act das Programm. Das Quartett spielt eine Art elektronischen Rock. Ruhige Klänge undhoher, fast schon meditativer, Gesang prägen das klangliche Spektrum der vier Jungs aus Ingolstadt. Vorsichtig angetrieben von einem breakbeat- und funkähnlichen Schlagzeug und abgerundetvon gelegentlichen sanften Geigenmelodien, sind die Uphill Racer alles in allem keine Band, die das Publikum anheizt, aber die dafür Stimmung und Atmosphäre schafft.

Nach einer Stunde macht die Vorband schließlich Platz für den Headlinerund jeder, der nach den vorangegangenen leisen Tönen eine explodierende Rockband erwartet, wird zunächst enttäuscht. Slut eröffnet sein Programm mit dem Titel „Sum it up“ und greift damit die psychedelisch anmutende Stimmung der Uphill Racer auf. Die Bühne wird in dunklen Farben angestrahlt, so dass von den Musikern kaum mehr als dieSilhouetten zu erkennen sind. Im Hintergrund werden verspielte rote Mustern auf eine Leinwand projiziert. Man weiß als Zuschauer im ersten Moment nicht so recht, ob man zu dem treibendenRhythmus springen oder einfach nur mit offenem Mund dastehen, staunen und die Stimmung genießen soll.

Auch die nächsten beiden Nummern – „Come On“ und „All We Need Is Silence“ – sind eher ruhig. Dennoch gewinnt die Show an Fahrt. DieVideoprojektionen werden verspulter und das Publikum hat sich inzwischen aus seiner Starre gelöst und ist in Bewegung geraten.

Der vierte Song stellt einen vorläufigen Höhepunkt des Konzerts dar. „Still No. 1“, der Taufpate des neuen Albums, wird von der Band etwas schneller gespielt als aufder Platte. Der Projektor wirft schwarz-weißen Fetzen auf die Leinwand, die entfernt an eine gerissene Filmspur erinnern und im Takt mit treibenden Schlagzeugbeat unwillkürlich eine innereUnruhe beim Zuschauer auslösen. Damit überträgt der Song seine Dynamik auf das Publikum und zieht auch den letzen Randsteher in seinen Bann.

Danach ist der Knoten endgültig geplatzt und die Show entwickelt ihr Eigenleben. In die ersten Reihen wagt sich nur noch, wer keine Berührungsängste hat. Wie von selbst und ohne langeAnsagen gehen die Songs ineinander über, bis Sänger Christian Neuburger nach knapp 90 Minuten und 14 Liedern den letzten Song ankündigt.

Für kurze Zeit verlässt die Band die Bühne. Dann spielen sie ihn doch noch, den „Mackie Messer“. Außerdem noch fünf weitere Songs von früherenAlben, bis sie schließlich ein zweites Mal von der Bühne gehen. In der dritten Zugabe zeigen die fünf schließlich, dass sie trotz Theaterausflügen und musikalischerExperimentierfreudigkeit doch noch eine Rockband geblieben sind.

Während in den vorangegangenen Nummern Christian Neuburgers Gesang eher hoch undmelodisch war und der Sound der Band entfernt an Placebo erinnerte, machen die Jungs mit „Hope“ noch einmal eine 180 Grad Wendung. Die Gitarren werden bis zum Anschlagverzerrt, der Sound dominiert von Bässen und Höhen. Knackige, rockige Riffs und dazu ein geshouteter, aggressiver Gesang bringen das Publikum ein letztes Mal zum Springen und jeden, der dieganze Zeit in den vorderen Reihen verbracht hat, endgültig an den Rand der Erschöpfung.

Danach ist Schluss. Das Licht geht an und man findet sich als Zuschauer unvermittelt in der realen Welt wieder und plötzlich wird einem klar, was Christian Neuburger meinte, als er davon sprach,man könne Musik inszenieren. In den vergangenen zwei Stunden ist es der Band gelungen, mit einem intelligent auf- und abbauenden Showkonzept den Konzertbesucher völlig für sicheinzunehmen und ihn ganz tief in den Slut-Kosmos zu ziehen.

Der ist mal opulent, mal minimalistisch. Mal bunt, mal schwarz-weiß. Manchmal beruhigend psychedelisch, manchmal verspult und hektisch. In ihm wird auf einem Akkordeon gespielt und rhythmischauf einen Heizkörper getrommelt. Auf jeden Fall ist er anders und hebt sich deutlich ab von allem, was gewöhnlich auf Rockkonzerten passiert. Außerdem zeigt er einem, dass Slut eineBand ist, die definitiv eng mit Bühne verwoben ist.

Was es den fünf Jungs bedeutet, auf Tour zu sein, ob „Still No. 1“ ihr bisher bestes Album ist und was es mit dem extravaganten Cover auf sich hat, verrät FrontmannChristian Neuburger im vollständigen Interview.

Weitere Informationen zur Tour und zum neuen Album gibt es auf der offiziellen Homepage von Slut. Auf Uphillracer.de gibt es Musik und Informationen über die Vorband, die Slut für drei Konzerte begleitete.

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