Review: Alan Wake (PC)

Und es kommt doch noch für PC!

Was passiert, wenn man „Silent Hill“ und „Alone in the Dark“ mit den Romanen des berühmten Thriller-Autors Stephen King kreuzt? Die Antwort des finnischen Entwicklers Remedy Entertainment heißt „Alan Wake“, das knapp zwei Jahre nach seinem Xbox 360-Debüt nun endlich auch für PC erscheint.

Als Online-Redakteur ist mir das Problem wohl bekannt: Der populäre Schriftsteller Alan Wake leidet seit seinem letzten Literatur-Blockbuster an einer leidigen Schreibblockade. Diese belastet nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Frau Alice, die sein zunehmendes Abdriften in die Alkoholsucht mit ansehen muss. Für einen Tapetenwechsel beschließt sie, dass das Paar im beschaulichen Örtchen Bright Falls Urlaub macht. Kurz darauf verschwindet Alice jedoch spurlos und Bright Fall versinkt in Dunkelheit – wortwörtlich.

Abgeschrieben!

Bevor ich auf das eigentliche Gameplay eingehe, eine kurze Anmerkung zum Gesamtkonzept von „Alan Wake“. In all den Jahren, in denen ich dem Hobby Videospiele fröne, ist mir nur selten ein Spiel untergekommen, das so dreist bei (offensichtlich) kreativeren Köpfen klaut. Absolut jedes Gameplay- und Story-Element wurde von anderen Horror- oder Mystery-Werken abgekupfert – ob in Buch-, Film- oder Spielform. Ich habe mich wirklich bemüht, bei meinem Durchgang auch nur eine einzige innovative Neuerung zu finden – erfolglos. „Alan Wake“ ist eine einzige große, düstere Kollage aus fremden Federn, mit denen sich Remedy nun schmückt. Dies ist nicht unbedingt ein Nachteil, zeichnet das Spiel aber auch nicht aus, weil es zwar viel kopiert, jedoch in kaum einem Bereich an seine Vorlagen heranreicht oder diese gar übertrifft.

„Alan Wake“ als Rip-off zu bezeichnen wäre vielleicht etwas hart, ist aber nicht völlig fern der Wahrheit. Das Gameplay orientiert sich stark an etlichen Genre-Kollegen, insbesondere „Silent Hill“ und „Alone in the Dark“: Ihr lauft mit einer Taschenlampe durch dunkle, vernebelte Wälder und erkundet später das von der Dunkelheit verschluckte Bright Falls. Zwischendurch müsst ihr dessen von der Finsternis besessene Bewohner bekämpfen, indem ihr sie zuerst mit der Taschenlampe schwächt und sie anschließend mit einer Reihe von Schusswaffen erledigt. Eure Taschenlampe braucht Batterien, um mit voller Kraft zu funktionieren – gehen euch diese aus, seid ihr ziemlich aufgeschmissen, da sich die Schattenwesen „teleportieren“ können, solange ihr an dunklen Orten seid (also quasi immer) und es dadurch schwierig wird, ihnen effektiv zu entkommen.

Alan Wake
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Die Story ist ein bunter Mystery-Mix und enthält Elemente aus Film- und Serien-Klassikern wie „Shining“, „Die Vögel“ oder „Twin Peaks“. Stichwort „Shining“: Überhaupt ist „Alan Wake“ stark von Stephen King geprägt. Laut Wikipedia hat Remedy dem Autor das Spiel sogar als Dank zugeschickt, weil sie Zitate von ihm darin verwenden durften. Da ich kein großer King-Fan bin, finde ich diese „Besessenheit“ und ihre Auswirkung auf das Endprodukt etwas bizarr.

Immerhin ist deutlich erkennbar, dass die Story von „Alan Wake“ nicht direkt aus Stephen Kings Besteller-Feder stammt. Sie verstrickt sich häufig in konfuse Zusammenhänge und ist teilweise so schlecht geschrieben, dass sich ein gewisser Fremdscham-Faktor einstellt. Vor allem die Person Alan Wake ist nicht annähernd so stimmig wie Remedys Vorzeige-Held Max Payne. War Max noch ein zynisches Wrack und gerade wegen seiner vielen Schwächen sympathisch, ist Alan Wake ein snobistischer Narzisst, mit dem zumindest ich mich gar nicht identifizieren konnte. Es ist daher besser, „Alan Wake“ nicht zu ernst zu nehmen, sondern eher als eine Art Mystery-Parodie zu betrachten. Möglicherweise war das auch Remedys Ziel, denn die Finnen tun wirklich ihr Bestes, um jedes bisschen aufgebaute Spannung und Atmosphäre wieder zu zerstören.

Alan Wake
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Ein Thriller ohne Spannung

Ihr stoßt im Spiel regelmäßig auf Seiten aus Alans neuem Roman, den er aber – soweit er weiß – noch gar nicht geschrieben hat. Schnell erkennt ihr, dass ihr die darin erzählte Geschichte „nachspielt“, weshalb euch die Buchseiten einen Blick auf kommende Ereignisse erlauben. Sie sind sogar meist so platziert, dass sie euch vorwarnen, was in den nächsten fünf Minuten im Spiel passieren wird. Dadurch geht jegliche Spannung und Ungewissheit verloren. Allerdings seid ihr nicht gezwungen, die Seiten aufzuheben, daher mein Pro-Tipp: Sammelt sie nicht ein!

Was ihr hingegen nicht umgehen könnt: Sobald Gegner in eurer Umgebung spawnen, bleibt die Zeit kurz stehen und die Kamera zoomt heraus, um euch zu zeigen, von wo sie kommen. Ganz toll, Remedy – fast wäre ich überrascht oder gar erschrocken worden. Danke, dass ihr „Alan Wake“ zu einem gemütlichen Spaziergang gemacht habt – wir würden in einem Spiel, dessen Handlung zu neun Zehnteln in tiefschwarzer Nacht abläuft, kein Gefühl von Unbehagen oder Beklemmung provozieren wollen. Entschuldigt meinen Sarkasmus, aber viele der Design-Entscheidungen, die für „Alan Wake“ getroffen wurden, lassen mich – als großen Horror-Fan – die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Wie kann man erst durch gelungene Sound- und Grafik-Effekte eine beklemmende Atmosphäre aufbauen, um sie eine Minute später über Bord zu werfen? Ich verstehe es nicht – und das ist mein größter Kritikpunkt an „Alan Wake“.

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Es scheint wirklich, als wollte Remedy gar keine Spannung aufbauen, sondern lediglich eine (schwache) Geschichte erzählen. Nach fast jedem Level verliert ihr nämlich all eure Items und fangt wieder bei null an. Die entscheidende Frage ist also: Wieso sparen? Geht in Kämpfen ruhig „all out“ und werft euren Feinden einen Hagel an Kugeln und Blendgranaten entgegen, während der Intensiv-Modus der Taschenlampe durch euer Batterie-Arsenal brennt – es macht keinen Unterschied. Habt ihr das einmal begriffen, geht auch das letzte bisschen „Thrill“ verloren, da die Kreaturen der Nacht eurem Arsenal mit etwas Finesse selbst in Gruppen nichts entgegensetzen können.

Ungeachtet all meiner Kritik würde ich aber nicht behaupten, dass „Alan Wake“ schlecht gemacht wäre. Das Kern-Gameplay funktioniert tadellos, die Action-Sequenzen sind aufgrund des etwas hakeligen Ausweich-Features leicht chaotisch, gehen aber auch rasch in Fleisch und Blut über und die Präsentation ist insgesamt höchst professionell und sauber. Ich habe den fundamentalen Fehler gemacht, mit der Erwartung an „Alan Wake“ heranzugehen, es würde eine ähnliche Offenbarung wie „Max Payne“ werden. Das ist es nicht. Dennoch: Eine totale Katastrophe sieht wirklich anders aus.

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Fan-Service vom Feinsten

Die PC-Version darf durchaus als „Ultimate Edition“ des Spiels angesehen werden. Sie enthält bereits die beiden auf der Xbox 360 nur als kostenpflichtige Downloads erhältlichen Zusatzepisoden „Das Signal“ und „Der Schriftsteller“ und wurde technisch etwas aufpoliert. Die Grafik ist zwar definitiv nicht das großartige DirectX-10-Zugpferd, das sie einst hätte werden sollen, aber erfüllt ihren Zweck und läuft auch auf älteren Systemen butterweich. Zudem scheint die PC-Version weitgehend bugfrei zu sein – „Game Breaker“ sind mir jedenfalls keine untergekommen. Vor allem der Preis sollte Gamer aber zum Zugreifen bewegen: „Alan Wake“ ist kein Vollpreistitel, sondern kommt zum Budget-Preis von rund 35 Euro in die Läden.

Da Nordic Games uns netterweise die Collector’s Edition des Spiels geschickt hat, möchte ich noch kurz auf deren Inhalt eingehen. Dem Spiel, das in einer stabilen, aufklappbaren Pappbox geliefert wird, liegen zwei Bonus-DVDs mit Tonnen an Hintergrundinfos zur Entstehung von „Alan Wake“ und der offizielle Soundtrack (13 Songs, leider ohne meinen Lieblingstrack) auf Audio-CD bei. Das Spiel selbst wurde um einen exklusiven Audio-Kommentar erweitert, der optional zugeschaltet werden kann. Außerdem sind ein Satz Postkarten aus Bright Falls, ein Stickerbogen, ein A3-Doppelposter und „The Alan Wake Files“, ein 129-seitiges Taschenbuch mit einer kleinen Nebenstory, enthalten.

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Insgesamt ist die Collector’s Edition für den PC zwar weniger imposant als ihr Xbox 360-Pendant, allerdings müssen bei ihrer Bewertung auch die finanziellen Hintergründe berücksichtigt werden. Nordic Games ist ein kleiner Publisher, Microsoft ist… Microsoft. Und: Die Collector’s Edition wird zum Preis eines normalen PC-Spiels (50 Euro) veröffentlicht. Ich finde das jedenfalls sehr anständig und gebe Nordic Games daher zwei „Daumen hoch“ für ihren Fan-Service.

Fazit, Sebastian Meinke

„Alan Wake“ ist ein inhaltlich und mechanisch solides, aber keinesfalls außergewöhnliches Spiel. Die PC-Version wurde technisch optimiert und um zahlreiche Aspekte erweitert, weshalb sie insbesondere hinsichtlich ihres Budget-Preises durchaus einen Blick wert ist. Allerdings sollten PC-Zocker nicht den selben Fehler machen, den die Xbox 360-Gemeinde 2010 beging, und dem immer noch um sich greifenden Hype vertrauen – dann werden sie von „Alan Wake“ auch eher positiv überrascht anstatt enttäuscht.

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