Kommentar: „Yes we can“ – „Sure?“

Gingrichs Größenwahn

Keine rosigen Aussichten für Barack Obamas Kampf um eine zweite Amtszeit: Besonders ein Konkurrent klaut ihm mit seinem scharlatanhaften Programm Sympathiepunkte beim Volk.

Ron Paul, Rick Santorum und allen voran Mitt Romney – Namen, die dem derzeitigen Präsidenten der Vereinigten Staaten Barack Obama, wohl schon ziemliche Kopfschmerzen bereitet haben.  Als Kommunist herab tituliert, der den Sozialismus in den USA einführen wolle, steht Obamas Kampf um eine zweite Amtszeit wahrlich unter keinem guten Stern. Diese findet schließlich schon am 6. November dieses Jahres statt. Gut möglich also, dass nicht die Welt ihrem Ende entgegen schreitet, wohl aber die unglaubliche Geschichte Obamas, des ersten afroamerikanischen Präsidenten. Eine Geschichte, die 2008 mit legendären Reden, viel Patriotismus, Pathos und der berühmten Phrase „Yes we can“ begonnen hatte.

Bereits bei den US-Kongresswahlen 2010 waren dunkle Gewitterwolken an Obamas politischem Horizont aufgezogen und hatten ihm keine berauschende Halbzeitbilanz beschert. Nur mit knapper Mehrheit hatten die Demokraten ihren Platz behaupten können, um ein noch größeres Debakel zu vermeiden. Durch ihren Machtzuwachs aber konnten die konservativ eingestellten Republikaner von da an Vorhaben des Präsidenten ausbremsen. Obamas Appell, dass man „Gemeinsamkeiten und Kompromisse finden müsse“, klang zwar schlichtend, doch mit Ansichten, welche sich nahezu diametral entgegengesetzt sind, war der Europa-orientierte Präsident praktisch vor eine unlösbare Aufgabe gestellt.

Die Demokraten – etwa das Äquivalent zur deutschen SPD – stehen seit jeher für ein gerechtes Sozialsystem, während sie allein schon für die umstrittene Einführung der Gesundheitsversicherung von den Republikanern als Sozialisten bezeichnet wurden, die allgemeine amerikanische Werte nicht teilten. Ein nicht gerade schmeichelhaftes und politisch völlig inkorrektes Etikett, dem leider viele Amerikaner Glauben schenken. Bei all der Sturheit und den Gegensätzen im amerikanischen System wäre es vermutlich eher von Erfolg gekrönt, die NPD und die Linke an einen Tisch setzen und sie zu zwingen auf einen gemeinsamen Konsens zu kommen. Besonders Obamas wohl schärfster Konkurrent, Mitt Romney, wettert mit Aussagen wie „Wenn ich Präsident bin, kümmere ich mich um eure Jobs, nicht um meinen Job“ gegen Barack Obama.

Doch auch ein anderer Widersacher lässt nicht locker und setzt Obamas Dilemma das i-Tüpfelchen auf. Mit einem Wahlprogramm, das dem eines doppelzüngigen Scharlatans gleichkommt und so manchen Weltbürger schmunzeln lässt, lieferte der erzkonservative Newt Gingrich Futter für zahllose Journalisten und die Medienwelt. Das einzige Problem für Obama: seine Strategie funktioniert und nimmt dem US-Präsidenten so manche Wählerstimme ab. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, den Abzug amerikanischer Truppen aus dem Nahen Osten, die Sanierung des Haushaltes, die Abrüstung von Nuklearwaffen und die Investition in saubere Energien – sollten einem Amerikaner mit gesundem Menschenverstand diese Angelegenheiten am Herzen liegen, so dürfte sich sein favorisierter Präsident wohl kaum in der Person Gingrichs finden – denn dieser greift wortwörtlich nach den Sternen.

Laut Gingrich soll es bis zum Jahr 2020 eine dauerhafte Basis auf dem Mond geben; selbstredend eine amerikanische. Bis 2030 sollen etwa 13.000 Amerikaner auf dem Mond angesiedelt werden. Sollten erst mal 13.000 Amerikaner auf dem Mond leben, so könne nach Gingrich unser kalter Trabant dann gleich auch 51. Bundesstaat der USA werden. Versprechen, die scheinbar den Nerv vieler, vom Patriotismus verblendeter Amerikaner treffen.

Italiener arbeiten nicht, Polen klauen, … und Amerikaner sind dumm?

Über den eben genannten Sachverhalt zu schreiben und gleichzeitig neutral zu bleiben, fällt mir bei diesem Thema nicht gerade leicht; daher der folgende Kommentar, in dem sich ein Journalist austoben darf.

Gingrich will 13.000 Amerikaner auf dem Mond ansiedeln? Lieber Herr Gingrich, ich bin gespannt wie Sie das mit finanziellen Ressourcen, die im Minuswert liegen, bewerkstelligen wollen. Auch stellt sich die Frage was passiert, wenn ein Amerikaner die von Neil Armstrong angeblich 1969 aufgestellte, aber vielleicht gar nicht vorhandene Fahne, nicht findet. Aber mit einem weitaus realistischerem (hüstel) Marsprogramm kann dieser Bruch im amerikanischen Patriotismus sicherlich kompensiert werden. Gingrich will den Mond an die Vereinigten Staaten angliedern? Vielleicht haben die Amerikaner hier ja mehr Glück als im Nahen Osten. Gingrich will den Mond annektieren? Gab es nicht mal einen Herrn mit lustigem Schnauzbart, der dasselbe mit Osteuropa vorhatte? Also wie wäre es, wenn sich Deutschland im Gegenzug noch mal ganz diskret Polen vorknüpft, wenn der amerikanische Imperialismus mal wieder aufblüht?

Vorurteile gab es, gibt es noch, und werden so schnell auch nicht aus der Welt zu schaffen sein. Die Tatsache, dass sich tausende Amerikaner von den dümmlichen Versprechen Gingrichs um den Finger wickeln lassen, spricht für diese These.  Allein schon ernst gemeinte Fragen ließen vermutlich die Kinnlade manch deutscher Touristen hörbar herunterklappen. Zwar haben die meisten Amerikaner heute ein tolles Bild vom „ehrgeizigen“ und „pünktlichen“ Deutschen, nichtsdestotrotz liegt es nahe, dass viele US-Staatsbürger in ihrer historischen Schulausbildung nie so wirklich über den Tellerrand hinausblicken. Hier meine Top 3:

1. „Ist Hitler noch König in Deutschland?“

2. „Ist Deutschland dieses kleine Land nördlich von China?“

3. „Gibt es in Deutschland Licht oder Autos?“

Jeder, der auf diese Fragen völlig perplex reagiert, sollte lieber mit genauso großer Intellektualität antworten und nicht wieder den beleidigten Deutschen mit Nazi-Minderwertigkeitskomplex schieben.

1. „Nein, du Dummkopf, Hitler ist nicht König von Deutschland. Er ist Präsident!“

2. „Ja genau, Deutschland liegt nördlich von China, da leben ganz plötzlich große Menschen mit blonden Haaren und blauen Augen!“

3. „Nein! Das Auto wurde schließlich von einem Amerikaner erfunden, genau wie alle anderen coolen Dinge auch. Das Licht hat man uns 1945 übrigens ausgeknipst.“

Die Naivität mancher Amerikaner geht anscheinend mit den abgegeben Wählerstimmen einher. Es müssen bloß Schlagwörter wie „sozialistisches Europa“ fallen und schon scharen sich viele Amerikaner um denjenigen der die Abwendung vom „sozialistischen Europa“ verspricht. Das wirkliche politische System Europas wird also praktisch vollends ausgeklammert. Ein geordnetes Sozialsystem, Krankenversicherungen, Arbeitslosengeld: All das verstehen viele Amerikaner also als „Sozialismus“, was einer Verdrehung der politischen und historischen Tatsachen entspricht.

Da lob ich mir doch Obamas einfaches Zitat: „Wir haben keine Zeit für diese Art Albernheit.“

Quelle: Focus

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