Explodierendes AKW: Super-GAU wahrscheinlich

Wie der japanische Sender NHK berichtet, kam es zu einer Explosion im Kernkraftwerk „Fukushima Daiichi 1“. Das Dach stürzte ein und der GAU, also der „größte anzunehmende Unfall“ in einem Atomkraftwerk, trat ein. Die Kernschmelze soll eingetreten sein.

Der Eintritt einer Kernschmelze kann bisher zwar nicht belegt werden, jedoch trat inzwischen nachweislich radioaktives Caesium aus einem der Reaktoren aus. Wenn man vom Super-Gau spricht, kommen jedem natürlich gleich die Bilder von der Katastrophe in Tschernobyl (Ukraine) in den Sinn, wo 1986 große Mengen radioaktiver Stoffe in die Luft geschleudert wurden. Dieses Material konnte dann über den Wind getragen sogar noch in Europa nachgewiesen werden. Im Mai 1986 musste beispielsweise die Lebensmittelgruppe REWE strahlenverseuchte und somit unverzehrbare Milch- und Gemüseprodukte im Wert von drei Millionen D-Mark vernichten. Noch bis heute können im Süden Deutschlands kontaminierte Pilze und Waldbeeren gefunden werden.

Fukushima 1

Fukushima 1, erbaut im Jahre 1967-70, ist eines der produktivsten Kernkraftwerke Japans. Unterteilt ist es in sechs aktive Reaktoren, die zusammen eine Nettoleistung von 4.546 Megawatt besitzen. Insgesamt produziert Japan mit seinen 54 Atomreaktoren 30 Prozent des Strombedarfs, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA zu berichten weiß. Gestern, am Tag des Bebens, fiel in den Blöcken 1,2 und 3 die Kühlung aus, woraufhin Amerika sofort Reaktorkühlmittel nach Japan flog, um beim Lösen des Problems zu helfen. Dies war wohl nicht hilfreich, denn um 15:30 Uhr Ortszeit am heutigen Samstag (7:30 MEZ) kam es zu einer heftigen Explosion, bei der die äußere Verkleidung des Reaktorgebäudes 1 völlig zerstört wurde.

Die Regierung sendete sofort Einsatzwagen aus, die nun in den Straßen in der Nähe des Kernkraftwerkes die Bevölkerung dazu aufrufen, ihre Häuser zu verlassen und sich in Richtung Süden zu begeben. Die Evakuierungszone wurde inzwischen auf 20 Kilometer ausgeweitet. Naoto Kan, Japans Ministerpräsident, hat den „Atomalarm“ ausgerufen. Wie die Atomsicherheitskommission mitteilt, ist radioaktives Caesium ausgetreten, weshalb nun nicht nur in Tokio die Furcht vor einer Kernschmelze groß ist.

Was passiert bei einer Kernschmelze?

Eine Kernschmelze ist statistisch gesehen ziemlich unwahrscheinlich, ein Erdbeben der Stärke 8,9 auf der Richterskala war aber bislang statistisch für nicht einmal möglich gehalten worden. Durch diese unwahrscheinlich starke Plattenverschiebung, kam es nicht nur zu einem folgenschweren Tsunami, sondern auch zum Ausfall des Stromnetzes in Fukushima. Fällt dieses Netz aus, so beginnt ein dieselbetriebenes Notstromaggregat mit der Stromerzeugung. Die Kühlung der Brennstäbe (links im Bild) verhindert eine unkontrollierte Kernspaltung, weshalb sie notwendig für die Sicherheit ist. Fällt diese Kühlung aus, erhöht sich der Druck innerhalb dieser, kommt es zur unkontrollierten Spaltung des Brennstoffes, da sich dieses leicht auf 2.000 Grad Celsius erhitzt. Folge: Unkontrollierte Strahlung radioaktiver Stoffe.

Die Folgen einer Kernschmelze

Die geschmolzenen Kernbrennstoffe schmelzen sich durch den Reaktor (Im Bild Punkt 1: Reaktordruckbehälter) und können so ins Grundwasser gelangen. Wie in Tschernobyl 1986 kann auch der entstehende Wasserdampf radioaktiv sein und mit dem Wind in andere Gebiete „transportiert“ werden. Durch Regen gelangen dann diese radioaktiven Teilchen in die Erde, dann in Pflanzen und somit in den Nahrungskreislauf. Zudem wirkt sich eine Kernschmelze negativ auf den Menschen aus, die schrecklichen Bilder von mutierten Menschen und verkrüppelten Kindern schockierten die Welt.

Ist eine Kernschmelze für Deutschland gefährlich?

Die große Entfernung und die aktuellen Windverhältnisse in Japan sprechen dagegen. Der Westwind würde radioaktives Material Richtung Osten, also auf den Pazifischen Ozean treiben. Umweltminister Röttgen (CDU) geht davon aus, dass eine Gefährdung Deutschlands „ausgeschlossen werden kann“.

Unklare Nachrichtenlage

Um 12:19 Uhr berichtete ARD-Korrespondent Robert Hetkämpfer aus Tokio, dass die japanische Atomaufsichtsbehörde offiziell bestätigt habe, dass „es im beschädigten Atomkraftwerk Fukushima 1 eine Kernschmelze gegeben hat.“ Der Premierminister hat dies noch nicht bestätigt, sondern spricht nur von der Explosion und ist äußerst besorgt. Auf dem Flughafen in Tokio herrscht großes Gedränge um deutsche Journalisten, denn sie haben zufällig ein Strahlenmessgerät dabei. Am späteren Samstagabend wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle und Umweltminister Röttgen zu einem Krisentreffen zusammenkommen, um über die Folgen der Katastrophe zu sprechen. Die Bundeskanzlerin kommentierte die Bilder aus Japan als dramatisch und entsetzlich und dass THW-Kräfte auf dem Weg nach Japan seien. Die Angst steigt in Japan und als Schlusssatz dient Renate Künasts (Grüne) Aussage im „Deutschlandradio Kultur“, die die Lage auf den Punkt bringt: „Wir beherrschen nicht die Natur, sondern die Natur herrscht über uns“.

Quellen: Faz.net | Spiegel.de [1] [2] | Tagesschau.de | Ots.at | Focus.de

Bilder:
Cary Bass / Wikimedia.org
(cc-by-sa) Robert Steffens / Wikimedia.org

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