Berlin/Bochum (ddp-nrw). Im größten Wettskandal der europäischen Fußballgeschichte sind neue Details über das Ausmaß des Betruges bekannt geworden. Wie das Münchner Nachrichtenmagazin «Focus» am Samstag vorab berichtete, sollen Mitglieder der Fußballwettmafia Wettbüros in Deutschland unterwandert haben, um deren Kontrollsysteme auszuschalten. Das Magazin berichtet unter Berufung auf einen Insider, der verhaftete Wettbetrüger Ante S. habe Strohmänner in Wettspielgesellschaften eingeschleust. Nach Informationen des «Spiegel» erhöhte sich inzwischen die Zahl der von dem Manipulationsskandal betroffenen Länder auf 17.
Die Staatsanwaltschaft Bochum hatte vor kurzem bekannt gegeben, dass Wettbetrüger in mehreren europäischen Ländern rund 200 Spiele, darunter 32 Partien in Deutschland, manipuliert haben. Etwa 200 Personen – darunter Trainer, Spieler und Schiedsrichter – stehen unter Verdacht.
Laut «Focus» sind bei der Unterwanderung von Wettbüros Wetten, die «normale» Mitarbeiter niemals angenommen hätten, von den Komplizen von S. durchgewunken worden. Auf diese Weise seien die Gesellschaften um Hunderttausende Euro erleichtert worden, behaupte der Insider, der zur Bande von S. gehört habe.
Dem «Spiegel» zufolge sind offenbar die ersten beschuldigten Profis zu Geständnissen bereit. Ein früherer Zweitliga-Spieler wolle bei der Bochumer Staatsanwaltschaft aussagen, wie Mitglieder der Wettmafia ihm ein Darlehen in sechsstelliger Höhe gewährten und ihn später zur Manipulation von Spielen gedrängt haben sollen.
Nach dem «Focus»-Bericht hat die Gruppe um Ante S. nach betrugsbereiten Fußballern gesucht. Sie hätten analysiert, ob ein Kandidat zum Glücksspiel neige oder Schulden habe. Nach lockeren Erstkontakten seien die Spieler unter Druck gesetzt und mit bis zu fünfstelligen Summen bestochen worden. Die Bochumer Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass die Wettmafia mehr als 550 000 Euro investiert habe, um Spieler in mehreren Ländern zu bestechen.
Den Ermittlern gelang es dem Magazin zufolge teilweise, die Strukturen und das Finanzsystem aufzudecken. Danach fließen die Gewinne zu großen Teilen auf Konten in den Niederlanden, nach Großbritannien, Hongkong oder Malaysia. Dort waschen Bandenmitglieder das Geld und transferieren es zurück nach Europa.
Wie «Der Spiegel» berichtet, sollen nach Erkenntnissen der Ermittler allein auf fünf Konten von Ante S. in Asien in einem Zeitraum von wenigen Wochen bis Januar 2009 Guthaben in Höhe von rund 3,5 Millionen Euro entdeckt worden sein.
Dem Nachrichtenmagazin zufolge hatten allem Anschein nach Ante S. und seine mutmaßlichen Mittäter nicht nur den Fußball im Visier. In den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft fänden sich Verdachtsmomente, wonach auch ein Frauen-Doppel im Tennis im vergangenen April im marokkanischen Fes verschoben worden sein soll. Unter Manipulationsverdacht stehe auch ein Play-off-Spiel der Basketball-Bundesliga im Juni.
Der Anwalt von S. wollte sich zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten auf Anfrage des «Spiegel» nicht äußern. Ante S. und sein Bruder Milan sind wegen Wettbetrugs vorbestraft. Sie waren bereits 2005 in den Fußball-Wettskandal um den damaligen Schiedsrichter Robert Hoyzer involviert. Die beiden Männer hatten 2004 mehrere Spieler und Schiedsrichter, so auch Hoyzer, bestochen, damit diese Spiele zu ihren Gunsten manipulieren.
(ddp)
Schlagworte: Fußball, Kriminalität, Wettskandal