Staat lauscht häufiger

Berlin (ddp). Die Polizei in Deutschland weitet dasAbhören von Telefongesprächen aus. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Ermittlungs- und Strafverfahren, in denen Telefon- oder Internetkommunikation überwacht wurde, laut einemBericht der «Süddeutschen Zeitung» um elf Prozent auf 5348. Hinzu kommen noch präventive Lauschangriffe der Polizei ohne konkreten Tatverdacht. Innenpolitiker der großenKoalition sehen dennoch keine Tendenz zum Überwachungsstaat.

Das Bundesjustizministerium bestätigte den Anstieg. Die Zahlen seien jedoch in Relation zu den rund sechs Millionen Strafverfahren im Jahr zu sehen, sagte eine Sprecherin. Die Statistik desMinisteriums weist für 2008 insgesamt 18 320 richterliche Überwachungsanordnungen aus – 13 838 für Handygespräche, 3821 für Festnetztelefonate und 661 für dasInternet.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, beschwichtigte: «Wir sind nicht in einer Überwachungswut.» Auch der Vizechef der Unions-Fraktion,Wolfgang Bosbach (CDU), verteidigte die Maßnahmen. «Es wird einfach mehr telefoniert.» Daher werde auch mehr überwacht.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, nannte den Anstieg der Abhöraktionen dagegen «alarmierend». Die jüngste Reform,die die Überwachung ab dem vergangenen Jahr durch eine Begrenzung auf schwere Straftaten eindämmen sollte, sei damit gescheitert. Der Datenschutzbeauftragte der Linkspartei, Jan Korteforderte: «Der immer weiter um sich greifende Überwachungswahn muss durch eine breite Bürgerrechtsbewegung gestoppt werden.»

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wies die Kritik zurück. «Diejenigen, die nun über einen drohenden Überwachungsstaat schwadronieren, übersehen offenbar, dass wir uns ineinem Zeitalter befinden, in dem die technische Kommunikation einen immer stärkeren Einfluss auf Informationsprozesse nimmt», sagte GdP-Chef Konrad Freiberg. Eine Einschränkung derpolizeilichen Telefonüberwachung würde die Ermittlungen in Fällen schwerer Kriminalität erheblich erschweren oder sogar verhindern.

(ddp)

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