Lange hat es gedauert, doch nun kommen auch Kinofans auf ihre Kosten. In Zusammenarbeitmit FilmSzene.de präsentiert Euch RauteMusik nun jeden Donnerstag brandneu das Film-Review der Woche.
Ob Kassenschlager oder Totalausfall , hier erfahrt ihr es als Erstes! Getreu dem Motto „Willst du Döner oder was?“ erreicht uns Heute, KebabConnection.
Multikulti ist voll im Trend, zum Beispiel in denUSA, wo fast schon unschick ist, wer seinen kulturellen Hintergrund nicht mit Hilfe eines Bindestrichs signalisiert: von Italian-American bis African-American alles dabei. Daraus resultierendekulturelle Konflikte eignen sich bestens als Stoff für Filme wie „My Big Fat Greek Wedding“, in denen die Eigenheiten und Gebräuche der jeweiligen Subkultur mehr oder weniger liebevolldurch den Kakao gezogen werden. Aber auch England und Schweden haben das Genre schon entdeckt: mit Filmen wie „Kick it like Beckham“ und „Jalla Jalla“. Faszinierenderweise geht es immer um dasgleiche Problem: ein zwischen zwei Kulturen stehendes „Kind“ muss seinen Einwanderer-Eltern klarmachen, dass es einen Partner außerhalb der elterlichen Kultur gefunden hat. Ein scheinbarunerschöpfliches Thema.
Dank Fatih Akins Filmen wie „Kurz und schmerzlos“ oder dem endlos ausgezeichneten „Gegen die Wand“ ist der deutsch-türkische Film nun zum eigenen Genre avanciert. Die kulturelle Zweideutigkeitspricht gleich doppelt soviel Publikum an, zudem kann man gleich in mehreren Sparten abräumen: beim türkischen Filmfestival in London gab’s eine besondere Ehrung für den TürkenFatih Akin, und die Deutschen freuten sich, dass ein Hamburger einen Europäischen Filmpreis gewann. Letztes Jahr beschloss Regisseur Torsten Wacker, sich auch mal am Thema zu versuchen unddrehte die Komödie „Süperseks“. Die hatte zwar nicht die Facetten eines Akin-Films, war aber durchaus gelungen und bestätigte zudem allen Hamburgern, dass ihre Stadt tatsächlichdie schönste ist. Auf dieser Welle reitet nun auch Anno Sauls „Kebab Connection“.
Der in Hamburg geborene Türke Ibo (Denis Moschitto, „Süperseks“, „Verschwende deine Jugend“) hat große Pläne: als Bruce Lee-Verehrer will er den ersten deutschen Kung-Fu-Filmdrehen. Zunächst hält er sich aber mit Werbefilmen für den Dönerladen seines Onkels Ahmet (Hasan Ali Mete, „Lindenstraße“) über Wasser. Der ist von Ibos brutalem Werkwenig beeindruckt, der Kundschaft gefällt’s aber. Dann ist da noch Ibos deutsche Freundin Titzi (MTV-Moderatorin Nora Tschirner, „Soloalbum“), deren Träume von der Schauspielschule zuzerplatzen drohen, als sie feststellt dass sie schwanger ist. Doch nicht nur das, auch Ibos Eltern sind nicht gerade begeistert von den Neuigkeiten und setzen ihn vor die Tür. Also muss er seinjüngstes Filmprojekt „Die Todesfaust des gelben Rächers“ auf Eis legen, um sowohl die Gunst seiner Eltern zurück zu gewinnen, als auch Titzi zu beweisen, dass türkische Väterdurchaus bereit sind, windeln zu wechseln und Kinderwagen zu schieben….
Anno Sauls Film hätte eigentlich das Potenzialoriginell zu sein, mischt er doch Subkultur mit Kung-Fu und einer Prise Romeo und Julia. Jedoch sind seine Figuren bloß Karikaturen und die meisten Pointen dermaßen abgedroschen, dass mansich wundert wieso Fatih Akin seinen Namen mit aufs Drehbuch gesetzt hat. Zwar arbeiteten vier Personen am Buch, aber gerade deswegen könnte man eigentlich mehr erwarten. Die relativ ernsten undrealistischen Konflikte geraten zu einer Farce, in der nach einem noch ganz gelungenen Zitat auf den Filmklassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ (Kinderwagen, der unter entsetzen Blicken der Mutter einesteile Treppe herunterrollt) das Versuchsbaby im „Kuck mal, wer da spricht“-Stil albern durch die Gegend fliegt.
Seit „Drei Männer und ein Baby“ sollten Gags über Männer, die zum ersten Mal Windeln wechseln, ebenfalls tabu sein (sind aber auch in Vin Diesels „Babynator“ höchst aktuell.Gähn!) Ungefähr so originell wie Witze über Frauen und Autofahren. Total platt ist auch die Figur des frustrierten griechischen Restaurantbesitzers mit seiner eher abschreckenden alsverführerischen Nichte, die versuchen, Ibo für einen Werbefilm zu engagieren um damit das Geschäft wieder anzukurbeln.
Eine Rüge auch für die Location-Scouts: das Hamburger Schanzenviertel besteht nicht nur aus Susannenstraße und Schulterblatt! Hatte sich die Rezensentin beim ersten Kameraschwenk nochgefreut, ihren eigenen Lieblingsdönerladen im Kino zu sehen, wurde es doch langweilig, als sich diese Location als eintöniger Standard herausstellte. So schwierig kann’s nicht sein, inHamburg ein paar andere Ecken zu entdecken. Wenn man allein mal vergleicht, wie viele Orte in New York schon von Woody Allen unter Beschlag genommen worden sind…
Schauspielerisches Highlight des Films istGüven Kira („Gegen die Wand“), der Ibos Vater Mehmet spielt, ohne deutsch zu können. Eigentlich sollte sein Dialog untertitelt werden, dann aber ließ man ihn seinen Text einfachauswendig lernen. Ob’s daran liegt oder nicht – Mehmet ist die einzige Figur, bei der sich eine nennenswerte Entwicklung vollzieht, so dass man als Zuschauer ein bisschen mitfühlen kann. AuchNora Tschirners Darbietung ist in den gemeinsamen Szenen der beiden viel besser als mit Denis Moschitto. Der spielt im Prinzip die gleiche Rolle wie in „Süperseks“ – leider war’s beim ersten Malorigineller. Schade, dass so gute Darsteller wie Sibel Kekilli („Gegen die Wand“) nur in winzigen Nebenrollen auftreten.
Während Fatih Akins Filme im Allgemeinen mit Vorurteilen und Klischees aufräumen und somit durchaus zur Völkerverständigung beitragen, vollbringt „Kebab Connection“ eher dasGegenteil. Da hilft es auch nichts, den eigenen Dialog mit Shakespeare aufzupeppen, denn es fehlt dem Film einfach an glaubwürdigen Figuren. Macht Lust auf „zwei handvoll Döner“, aber mehrauch nicht. Schade eigentlich.