Düsseldorf (ddp-nrw). Mit der Vorgeschichte desgescheiterten Anschlags der «Sauerland-Gruppe» hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf beschäftigt. Wie der Angeklagte Atilla S. am Dienstag in dem Verfahren sagte,hatten sich die vier mutmaßlichen Islamisten der «Sauerland-Gruppe» vor ihrem Aufenthalt in einem Ausbildungslager in Pakistan lange erfolglos bemüht, in den bewaffneten Kampfin Tschetschenien oder den Irak zu ziehen. Man habe «intensiv nach einem Weg» in den Dschihad gesucht, sagte der Atilla S. Dabei sei er auch bereit gewesen, den«Märtyrertod» zu sterben.
Allerdings sei man bei der Suche «ein bisschen orientierungslos» gewesen, räumte der Angeklagte ein. Zudem habe ihnen ein Gewährsmann gesagt, dass in Tschetschenien kein Bedarfan Freiwilligen bestehe.
Deswegen seien er sowie die Mitangeklagten Fritz G. und Adem Y. im August 2005 zunächst zu einem Arabisch-Sprachkurs in die syrische Hauptstadt Damaskus geflogen. Dort nahmen die AngeklagtenUnterricht und prüften unter anderem die Möglichkeit, «ein kleines Militärtraining im Libanon» zu absolvieren. Adem Y. reiste zudem Ende 2005 über die Türkei nachAserbaidschan, wo er die Möglichkeiten auslotete, nach Tschetschenien in den Kampf zu ziehen.
Fritz G. berichtete dem OLG von seiner Reise in ein Ausbildungslager nach Pakistan, die er gemeinsam mit Adem Y. und einem Mann aus Aserbaidschan in die nordwestliche Grenzregion zu Afghanistanunternahm. Dort kamen sie mit einer Gruppe von etwa fünf bis zehn Mudschaheddin zusammen.
Ein Vertreter der Gruppe sei geradezu «hellhörig» geworden, als er gehört hatte, dass Fritz G. und Adem Y. aus Deutschland kamen, erklärte der Angeklagte. Auf ihren Wunschhin begannen sie vor Ort eine militärische Ausbildung: Dabei lernten sie unter anderem den Umgang mit Kalaschnikows, Handgranaten und Panzerfäusten. Überdies wurden sie im Umgang mitSprengstoff und Funkgeräten ausgebildet. Auch Grundkenntnisse in Zündertechnik und Schaltkreise wurde ihnen vermittelt.
Ob die Ausbildung dazu diente, später in Afghanistan zu kämpfen, sei ihm nicht bewusst gewesen. «Ich habe es aber gehofft», sagte Fritz G. Ausgebildet worden seien er und AdemY. über mehrere Wochen von einem etwa 25 Jahre alten Mann. Erst später sei ihm bekannt geworden, dass es sich bei der Gruppe um die Islamische Dschihad-Union (IJU) gehandelt hatte.
Erst im Laufe der Ausbildung sei Fritz G. gefragt worden, ob er auch einen Anschlag in Deutschland begehen würde. Dem stimmte er zu, auch Adem Y. willigte ein. Die Sprengstoffausbildung bei derIJU war nach Angaben des Angeklagten deutlich umfangreicher als bei anderen Organisationen dieser Art. Bei der Ausbildung stellte sich zudem heraus, dass für einen Anschlag am bestenWasserstoffperoxyd genutzt werden kann, erklärte der Angeklagte. Das war eben jenes Material, dass auch in den Deutschland für den Anschlag verwendet werden sollte und im Sauerlandsichergestellt wurde.
Laut Anklage hatten sich die vier Männer zwölf Fässer mit Chemikalien beschafft und in einer Ferienwohnung im sauerländischen Medebach-Oberschledorn damit begonnen, darausSprengstoff herzustellen. Am 4. September 2007 wurden sie dort festgenommen. Seit April stehen sie vor Gericht, in der vorvergangenen Woche hatten sie mit ihren umfangreichen Geständnissenbegonnen.
Gegen einen fünften Mann der Zelle, den Türken Mevlüt K., wurde in der vorigen Woche Haftbefehl erlassen. Er soll geholfen haben, 26 Sprengzünder für die geplanteAnschlagsserie nach Deutschland zu schaffen. Mevlüt K. wird in der Türkei vermutet.
Am Mittwoch (26. August, 9.15 Uhr) wird der Prozess fortgesetzt. Dann wird sich das Gericht unter anderem mit der Struktur der aus Zentralasien stammenden IJU befassen.
(ddp)