Es lebe die Revolution!

„Viva la revolución!“ Furchtlos und mit entschlossenem Willen lehnen sich immer mehr arabische Völker gegen totalitäre Regierungen auf. Und die verbieten prompt Facebook und Co., um die Meute unter Kontrolle zu halten. Aber die organisiert sich schon. Denn sie ist wütend.

Die letzten Wochen waren für Nordafrika eine bedeutende Zeit, denn solch eine Bewegung gab es selten zuvor. Die Araber haben sich von ihrer Angst befreit und lehnen sich gegen die Diktatoren auf. Die riesigen Menschenmassen merken, dass totalitäre Regimes nur Schreckensgespenster sind, die sich hinter Zensur und furchteinflößendem Militär verstecken müssen. Doch eine neue Generation hat es nun geschafft, eine ganze Welle loszutreten. Die „Generation Facebook“ schafft die Vernetzung, sie informiert die breite Masse und kann diese zu riesigen Protestbewegungen zusammenführen. Eins ist den Machthabern nun klar: Das, was sich da zusammenschließt, will Demokratie und Freiheit. Ein Rück- und Ausblick über eine starke, gewaltvolle aber friedliche Revolution Arabiens.

Tunesien

Es war der 13. Januar, als sich in Tunesien der Widerstand zu einer Massenbewegung formte. Bei den Jugendlichen, Arbeitern und Studenten wuchs die Wut über eine Regierung, deren Diktator untragbare Zustände schuf. Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, ja schon die Freiheit der persönlichen Entfaltung ist in einem Tunesien des 21. Jahrhunderts eingeschränkt. Die Demonstranten formierten sich zu einer gewaltvollen Macht, an dessen Ende die Auflösung der Regierung stand. Der 74-jährige Präsident Zine el-Abidine Ben Ali, der 23 Jahre lang ununterbrochen regierte, wurde immer wieder in den fragwürdigsten Wahlen im Amt bestätigt. Doch plötzlich sah er sich mit einer Wissensgesellschaft konfrontiert, die Teil der Welt, Teil der Globalisierung sein wollte und will. Hohe Arbeitslosigkeit stimmte die Bevölkerung ebenso unzufrieden wie die Vetternwirtschaft und der sogenannte Trabelsismus. Leila Trabelsi ist die Gattin des Präsidenten und wusste ihre Familienmitglieder auf wichtigen, hoch bezahlten Regierungsposten zu platzieren. Sie drohte den Firmen ansonsten mit Steuerfahndern, was bei reiner Vetternwirtschaft unter den Behörden schnell zum Bankrott der eingeschüchterten Industrie hätte führen können. Auch sonst führte die Präsidentenfamilie ein Leben in Glanz und Gloria, ohne Scham zeigte sie ihren Reichtum. Zurückhaltung oder Demut waren der Regierung völlig fremd.

14. Januar, Tunesien

Deshalb wurden die Menschen sauer, es brannten Plakate, auf dem der Präsident abgebildet war und Chöre plädierten für mehr Mitspracherecht und Demokratie. Am 15. Januar verließen Ben Ali und seine Frau das Land. Natürlich mit einem kleinen Proviant, um sich ein neues Leben aufbauen zu können: 1,5 Tonnen Gold. Die Bürger haben gesiegt, der Wille des Volkes war stärker als jede scheinheilige Regierung. Nun sind in zwei Monaten Wahlen, das Volk darf über das eigene Schicksal entscheiden. Dieser riesige Erfolg, die Sprengung der eisernen Ketten des Zwangs und der untragbaren Verhältnisse riefen aber nun auch andere Länder auf den Plan.

Ägypten – Tag des Zorns

25. Januar, Ägypter, wacht auf! „Es lebe die Revolution“ hallte durch die Straßen des Landes mit den Pyramiden. Die triumphale Geschichte des tunesischen Volkes trat eine Welle los, die in Ägypten ganz besonderen Anklang fand. Hier ist es Staatspräsident Husni Mubarak, gegen den 10.000 Menschen auf den Straßen Kairos demonstrierten. Gummiknüppel schwingende Polizisten boten Paroli, heizten die Menge aber nur noch mehr an. Auch hier trifft eine tief entschlossene Meute auf Zustände, die sie nicht mehr aushalten. Und das Internet spielt eine ganz entscheidende Rolle. Denn 87.000 Menschen traten der facebook-Gruppe „Tag des Zorns“ bei, Mohammed el-Baradei sprach der Bewegung seine Unterstützung zu. El-Baradei ist deshalb von einer großen Bedeutung, da er eines der bekanntesten Gesichter der Opposition ist. Er ist gegen die Selbstherrschaft des Präsidenten und genießt in der Bevölkerung Ägyptens großes Ansehen.

Noch-Präsident Mubarak

Als „Tag der Revolution gegen Folter, Armut, Korruption und Arbeitslosigkeit“ bezeichnen die Internet-Aktivisten den Tag, an dem die ägyptische Geschichte einen ganz besonderen Weg einschlug. Die Menschenmassen auf den Straßen sind illegal, nach ägyptischem Recht bräuchte es einer Genehmigung für Kundgebungen, diese wird allerdings so selten erteilt, dass so gut wie jede Kundgebung im Illegalen stattfinden muss. Doch einer so aufbrausenden Meute ist das unwichtig. Sie haben die Revolution im Kopf, nach tunesischem Vorbild.

Andere arabische Länder ziehen nach

Egal ob Marokko, Algerien, Sudan, Syrien, Libanon, Oman, Jemen oder Jordanien: Das Volk ist gewarnt, die informierte Gesellschaft weiß, was möglich ist. Ein besonderes Augenmerk muss auf den Süden Sudans geworfen werden, denn hier fand nach blutreichen 21 Jahren Krieg und zwei Millionen Opfer endlich ein Volksentscheid statt, in dem die Bevölkerung für eine Teilung des Landes in Süd- beziehungsweise Nordsudan abstimmen konnte. Im ölreichen Süden sind nach ersten Auswertungen rund 99 Prozent für die Unabhängigkeit. Das genaue Ergebnis wird im Februar bekanntgegeben, man darf aber mit einer Unabhängigkeitserklärung des Südens am 9. Juli rechnen.

In Ägypten klammert sich derweil der Präsident an seine Macht und hat die Regierung entlassen. Zudem hat er einen Vize-Präsident ernannt, was zwar einmalig in seiner Amtszeit ist, die Massen beeindrucken oder gar beruhigen kann er damit aber auf keinen Fall. Die immer wieder ausgedehnten Ausganssperren werden von den Protestierenden nicht beachtet. Auch greift zum Wohle aller das Militär nicht ein, weshalb ein blutiges Ende des Widerstands bisher ausblieb und hoffentlich auch ausbleibt.

El-Baradei

Bürgerrechtler fordern Mubarak auf, doch endlich das Amt niederzulegen und am besten aus dem Land zu verschwinden. Denn ist erst einmal eine große Protestwelle in Gang gesetzt, hilft es auch nicht, Internetseiten wie Facebook oder Twitter zu blockieren. Der Hauptsitz der in Ägypten regierenden Partei, der Nationaldemokratischen Partei (NDP), wurde von Demonstranten am Freitagabend in Brand gesetzt. Die Massen organisieren sich. Denn sie sind wütend. Viva la revolución!

Das Teaser-Bild zeigt den Sturm auf die Bastille 1789, was den Beginn der Französischen Revolution markiert.

Quellen: Faz.net [1] [2] | Stern.de | Focus.de | Aljazeera.net | Islam-blogger.de

Bilder:
Jean-Pierre Houël / Wikimedia.org
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