Call of Juarez – Bound in Blood im Test

In der Welt der Videospiele gibt es nicht allzu viele bekannte Western-Franchises. Call ofJuarez ist einer der wenigen Ego-Shooter mit Wild West-Thematik, die sich gegenüber der Genre-Konkurrenz behaupten konnten.


Nicht frei von Fehlern, dafür reich an Atmosphäre und Glaubwürdigkeit wurde die von Techland entwickelte Reihe 2006 am Markt etabliert. Kann Bound in Blood die guten Ansätze desVorgängers ausbauen, ohne dessen Schwächen zu übernehmen?

Wild Wild West

Bound in Blood ist kein Sequel, sondern ein Prequel zu Call of Juarez. Es beschreibt den Werdegang von Ray McCall, Protagonist des ersten Teils, und dessen Brüder Thomas und William zur Zeitdes amerikanischen Sezessionskrieges. Beide gehören der konföderierten Armee an. Als sie jedoch hören, dass Soldaten der Nordstaaten begonnen haben, nahe ihrem Elternhaus zuplündern und zu brandschatzen, desertieren beide in der Hoffnung, die Farm ihrer Familie retten zu können – doch sie kamen zu spät. Das Anwesen der McCalls ist verwüstet, ihreMutter tot, einzig ihren Bruder William, ein angehender Theologe, können sie aus den Klauen der Nordstaatler befreien. Um ihr Land zu altem Glanz zurückzuführen, begeben sich dieBrüder auf die Jagd nach einem legendären Aztekenschatz, der von Kundigen nur Call of Juarez genannt wird und jeden, der danach trachtet, ins Verderben stürzen soll.

Wie sein Vorgänger handelt es sich bei „Bound in Blood“ um einen klassischen Ego-Shooter. Neben Ray McCall ist auch sein ähnlich schießwütiger Bruder Thomas spielbar, wobei einemder jeweils andere als KI zur Seite gestellt wird. Eine weitere Gemeinsamkeit mit dem ersten Teil stellen die Missionen dar – hier wurde sich einmal mehr an jedem nur erdenklichen Western-Klischeebedient. Das Spiel bietet Outlaws, Indianer, Südstaaten-Rebellen, Sheriffs, Kopfgeldjäger, Prügeleien in Saloons, nervenaufreibende Standoffs im Morgengrauen, wilde Verfolgungsjagdenzu Pferd und viele, viele Feuergefechte mit hunderten Gegnern. An Glaubwürdigkeit büßte Call of Juarez dabei allerdings nicht ein, was vor allem Freunde alter Italo-Western begeisternwird.

Die Wüste lebt

Technisch zeigt sich „Bound in Blood“ ebenfalls von der starken Seite. Die Grafik ist insgesamt sehr gut, vor allem die Lichteffekte sind stimmig, leider ist das Spiel aber anfällig fürPop-Ups und Ruckler, was den positiven Eindruck etwas trübt. In Sachen Klangkulisse gibt es hingegen nichts zu meckern: Sehr gute Synchronsprecher und ein atmosphärischer Soundtrackerwecken den Wilden Westen zum Leben.

Die Steuerung erinnert ein wenig an die Call of Duty-Reihe und wurde auf das Gamepad der Xbox 360 sehr gut zugeschnitten. Gezielt Dynamitstangen zu werfen und aus der Deckung Kopfschüsse zuverteilen, ist kein Problem, und auch beritten funktioniert das Handling wunderbar – letzteres ist nicht selbstverständlich, denkt man an die etwas steife Lenkung eines Pferdes in ActivisionsGUN. Die größten Schwächen des neuen Call of Juarez sind keineswegs technischer Natur.

Die Geier kreisen…

Eines der gravierendsten Mankos von Bound in Blood ist sicherlich das Fehlen eines Coop-Modus. Wie toll hätte das Spiel werden können, würde man statt von einer KI von einemmenschlicher Mitspieler begleitet! Wieso sich Techland gegen die Implementierung eines Coop-Modus entschieden hat, verstehe ich nicht. Denn einen Multiplayer-Modus gibt es – der ist aberäußerst unspektakulär und nicht allzu motivierend. Auch ist das Deckungssystem unausgereift – manchmal verlässt man versehentlich die Deckung, weil man den Analogstick einbisschen zu weit nach links, rechts oder oben gedrückt hat – die Gears of War-Methode – Button drücken und an der Deckung „kleben bleiben“ – halte ich für wesentlichzielführender.

Denkt man daran, sich Bound in Blood zu kaufen, sollte man zudem eine hohe Frusttoleranz haben. Vor allem auf einem höheren Schwierigkeitsgrad stört, dass man der Bruder-KI keine Befehlegeben kann. Die läuft nämlich gerne mitten in feindliches Feuer, wenn sie nicht gerade stehen bleibt und „vergisst“, was sie eigentlich zu tun hat, weshalb man oft ganze Höhlen oderHäuser alleine sichern muss. Ebenfalls ärgerlich sind die späteren Standoffs: Hat man anfangs noch Zeit, den Kontrahenten bequem auszuschalten, ziehen spätere Feinde gefühlt1 Millisekunde nach dem Gong – schnelle Reflexe helfen dabei nicht immer. Dazu gesellt sich die eher kurze Spielzeit [ca. 10 Stunden).

Fazit, Lars Haise:

Call of Juarez: Bound in Blood ist der neue Sheriff in der Stadt – kein anderer Western-Titel bietet eine ähnlich dichte Atmosphäre und saubere Umsetzung. Der fehlende Coop-Modus, die kurzeSingleplayer-Kampagne und manch unfaires Pistolenduell halten es jedoch davon ab, auch außerhalb seines Themengebietes zu glänzen. Wer mit Cowboys und Indianern ansatzweise etwas anfangenkann, sollte Bound in Blood dennoch unbedingt eine Chance geben.

Vielen Dank an Ubisoft für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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