Schweinfurt (ddp-bay). Was bringt einen 59-Jährigendazu, mit einem Zimmermannshammer seine ein Jahr ältere Frau zu erschlagen? Diese Frage versucht seit Freitag die Schwurgerichtskammer des Landgerichtes Schweinfurt zu klären. Die Anklagegegen den gebürtigen Berliner Olaf M. lautet auf Mord. Oberstaatsanwalt Rainer Gündert wirft ihm vor, seine schlafende Gattin im November 2008 in Sandberg/Rhön mit mindestens zehnwuchtigen Schlägen heimtückisch getötet zu haben.
Der hagere, dürre Mann, der unter Psychopharmaka steht und mit dem Rollstuhl in den Sitzungssaal gebracht werden muss, gibt die Tat zu. «Ich musste handeln, ich war am Ende», sagt erleise mit zitternden Lippen. Er habe gut ein Jahr lang seine bettlägerige Frau gepflegt und betreut. Darüber hinaus kümmerte er sich auch noch um den kompletten Haushalt samt Hund undKatze. Obwohl es ihr kurz vor der Tat wieder besserging, habe er nicht an eine anhaltende Genesung geglaubt. «Ich wusste, dass sie wieder Schmerzen bekommen würde.» Die vomSachverständigen später festgestellte Wucht der Schläge begründet der Angeklagte folgendermaßen: «Ich wollte meine Frau sofort betäuben, damit sie keine Schmerzenhat.»
Dennoch war sie nach dem ersten Schlag laut seinen Angaben noch zu einer Reaktion fähig. Sie habe ihn gefragt, was er da mache. «Ich lasse dich nicht in dieser alten Welt», will erihr geantwortet und erneut zugeschlagen haben. Nach der Tat verabschiedete sich der Anhänger der Zeugen Jehovas von seiner Frau mit den Worten «Du hast es geschafft, ich muss es erst nochhinter mich bringen.» Dann habe er ihr sie mehrmals auf die blutverschmierte Wange geküsst und ihre Hände gefaltet. Nach der Tat wollte er sich nach seiner Darstellung an einem Baumaufhängen, was aber ein Eisregen verhinderte. Er duschte daraufhin eineinhalb Stunden lang und machte Brotzeit, bevor er gut acht Stunden nach der Attacke die Polizei alarmierte.
Die Tat stellte sich vor der Kammer als der Gipfel eines von Gewalt und Unterdrückung geprägten Lebens dar. Der Bruder des Angeklagten sagte nach Angaben der Vorsitzenden RichterinElisabeth Ott aus, der Vater hätte den Angeklagten «häufig unter den Tisch geknüppelt» und auch die Mutter habe mit allem zugeschlagen, was gerade greifbar war. Mitfünf Jahren wurde er von einem Nachbarn sexuell missbraucht, ohne dass die Eltern Anzeige erstatteten. Nach dem Hauptschulabschluss versagte ihm schließlich der Vater auch eine Ausbildung,weil der Junge lieber gleich Geld verdienen sollte. So hielt er sich mit Hilfstätigkeiten wie Putzen und Einkaufen lange über Wasser.
1973 heiratete er seine Frau, eine Krankenpflegerin. Nach Ansicht der Familie des Angeklagten sei sie faul gewesen, habe sich im Haushalt um kaum etwas gekümmert. M. begründet das vorGericht mit ihren Elefantenbeinen“, an denen sie schon damals litt. Im Mai 1995 kaufte das Paar ein Haus in Sandberg/Rhön. Der Angeklagte bestritt den kompletten Haushalt und verdiente nebenbeinoch etwas als Zeitungsausträger dazu. Dies untersagte ihm seine Frau bald darauf. Nachbarn beschrieben sie als dominant. Auch der Angeklagte bestreitet nicht, dass sie ihn herumkommandierthabe. «Warum soll mich das stören? Jeder hat seine Marotten.» Bekannte, die ihn darauf ansprachen, beschwichtigte er: «Es ist keine Last, es ist eine PrüfungGottes.»
Offen blieb am ersten Prozesstag, ob das Opfer bei der tödlichen Attacke schlief oder wach war. Für den Verteidiger Klaus W. Spiegel ist die Sachlage im Prinzip klar. «Sie war eineHaustyrannin und er hat gedacht, dem ein Ende bereiten zu müssen», sagt er auf ddp-Anfrage. Sein Mandant leide unter schweren Persönlichkeitsstörungen und müsse deshalbMedikamente nehmen. Darum gehe er von einer verminderten Schuldfähigkeit aus.
Das Verfahren wird Anfang August fortgesetzt, wann ein Urteil fällt, steht noch nicht fest.
(ddp)