Vor der großen Depression und der Finanzkrise

„Wer sich der Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zuwiederholen.“ (George Santayana) – Mit diesem Zitat starten wir zum dritten Beitrag des „Thema der Woche“ – Die Geschichte der USA. Heute erfahrt ihr alles über die Depression in den30ern und über die heutige Finanzkrise.

Susanne B. ist wahrlich keine, die mit ihrem Geld zocken würde. Im Gegenteil, ihre angesparten 20.000 Euro sollte ihr persönlicher Grundstock für das Alter werden. Dementsprechendvorsichtig, so dachte sie, hat sie ihr Geld angelegt. Die 55-jährige Bäckereifachverkäuferin steht seit nunmehr 30 Jahren hinter der Theke. Vor vier Jahren verkaufte ihr Chef dieBäckereifiliale an eine große Brotbackkette. Folgen waren Lohnkürzungen und längere Arbeitszeit klagt sie. Immerhin habe sie noch ihren Arbeitsplatz. Einige ihrer Kolleginnenwurden wegrationalisiert.

Doch die heutigen Sorgen betreffen nicht ihren Arbeitsplatz. Sie ist eines der Opfer der Pleite der amerikanischen Bank „Lehman Brothers“. „Das Geld seisicher, so wurde es mir beteuert“, schnaubte sie im Telefoninterview mit RauteMusik. Sie ist sauer, sie fühlt sich betrogen. Betrogen von denjenigen, den sie ihr Geld anvertraut hat. Nunsei alles weg. Susanne B. ist kein erschreckender Einzelfall. Nach dem Platzen der amerikanischen Immobilienblase haben auch viele Deutsche ihre vermeintlich sicheren Ersparnisse verloren. Die Angstvor der neuen Weltwirtschaftskrise geht um. Börsen brachen weltweit ein und verloren bis zu 30 Prozent ihres Wertes.

In den Medien wird gerne eine Parallele zur Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre gezogen. Doch was geschah einst zu diesem Zeitpunkt?

Am 29. Oktober 1929, einem flauen Dienstag krachte die Börse an der New Yorker Wallstreet völlig zusammen. Der Leitindex Dow Jones verlor binnen kürzester Zeit 20 Prozent seinesWertes. Schuld daran, so Experten, waren die all zu sehr überwerteten Aktienmärkte der zwanziger Jahre. Als die Spekulationsblase platzte, die Wallstreet zusammenbrach und in derBevölkerung Panik aufkam, erhielt die deregulierte freie Marktwirtschaft erste Kratzer. Durch den Crash und die aufkommende Panik kam es zu massiven Verkäufen. Liquidität wurde imgroßen Maße dem Markt entzogen. Folge war Massenarbeitslosigkeit, Protektionismus und Deflation.

Deutschland schien von der Krise vorerst verschont zu bleiben. Die Wirtschaft der einstigen Weimarer Republik blieb anscheinend unbeeindruckt. Doch nach der Reichstagswahl von 1930 wendete sich auchhier das Blatt. Die „große Depression“ erreichte die deutsche Volkswirtschaft mit ganzer Härte. So machten die vermehrten Abzüge von ausländischem Kapital der deutschen Wirtschaftdas Leben schwer. Die fehlzuschlagen drohende Deflationspolitik und die auch in Deutschland einsetzende Massenarbeitslosigkeit führte zu einer großen Unzufriedenheit in derBevölkerung. Ein Rechtsruck in den Köpfen war die Folge.

[podcast]

Die Krise erreichte ihren Tiefpunkt im Jahre 1932. In den Vereinigten Staaten übernahm Franklin D. Roosevelt das Amt des Präsidenten. Anders als in Deutschland war in den USA eher einLinksruck zu beobachten. Die Krise selbst entschärfte sich im Laufe der späten 30er Jahre. Vor allem die stetig wachsende Rüstungsindustrie verhalf der amerikanischen Wirtschaftwieder auf die Beine. Mit dem Kriegseintritt 1941 galt die große Depression in den Vereinigten Staaten als überwunden.

Mehr als 65 Jahre später scheinen die Parallelen eindeutig. Nach dem Börsenkrach in den letzten Wochen scheint das Dilemma unausweichlich. Binnen weniger Tage scheint das Ideal deramerikanisch-englischen Wirtschaft schwer ins Wanken geraten zu sein. Die freie Marktwirtschaft hat sich durch undurchsichtige und komplizierte Finanzpakete stark überhitzt. Die Philosophie war„Rendite um jeden Preis“. Die Welt sieht nun anders aus. Investmentbanken sind von der Landkarte verschwunden, Banken schreien nach der Hilfe des Staates. Unvorstellbar wares, dass Kreditinstitute zur Rettung verstaatlicht werden. Die amerikanische Regierung kauft in einem Milliardenpaket faule Kredite, um die eigene Wirtschaft vor dem Kollaps zu bewahren. Derdemokratische Präsidentschaftskandidat Barack Obama wirbt für die Regulierung der Finanzmärkte. Die Zeiten der Cashcow scheinen vorerst vorbei zu sein. Vokabeln, wie Rendite werden inder Werbung durch Sicherheit ersetzt.

Der Bankenapparat hat sich selbst ungebremst gegen die Wand gefahren. Nun muss der Staat helfen die Trümmer zu bergen. Ein Massensterben der Banken ist jedenfalls keine Alternative. UnsereVolkswirtschaft ist auf Kreditinstitute angewiesen. Ein Pleitegehen der Banken führt noch zu größeren Problemen. Den Vorwurf an Banker, in guten Zeiten abzukassieren und in schlechtenZeiten das Risiko abzuwälzen, ist trotz dieser Tatsachen stichhaltig. Wer die Verantwortung für Krise übernehmen wird, steht noch in den Sternen. Das Vertrauen in die Banken hatjedenfalls schwer gelitten. Susanne B. fühlt sich von ihrer Bank betrogen. Ob sie jemals etwas von ihrem Geld wieder sehen wird, ist fraglich. Das Vertrauen ist jedenfalls gänzlichstzerstört.

Weitere Artikel zum Thema der Woche

Thema der Woche – Die Geschichte der USA
Von der Kolonie zur Weltmacht
Konflikte der USA
geschrieben von Marcel Weber
gesprochen von Sebastian Jamurzek

Kommentieren