Schlechte Bedingungen in Handy-Fabriken

Jedes zweite Handy kommt mittlerweile aus China. Nun deckt eine Studie auf, wie schlecht dieArbeitsbedingungen in den Fabriken tatsächlich sind. Ein Kommentar zu dieser Katastrophe.

Fast 500 Millionen Handys werden jährlich in chinesischen Fabriken hergestellt – das entspricht etwa der Hälfte aller weltweit produzierten Mobiltelefone. Doch wer ein Handy der Sparte“Made in China“ besitzt, kann sich sicher sein, dass es unter schockierend schlechten Arbeitsbedingungen hergestellt wurde.

Studie zum Thema: „Silenced to deliver“

Die bekannte, von der EU finanzierte Kampagne MakeITFair beschäftigt sich mit der Unternehmenssozialverantwortung von Herstellern wie Microsoft, Apple, IBM, Dell, Nintendo und natürlich auch von Handymarken,darunter Motorola, Nokia und Sony Ericcson. In der kürzlich veröffentlichten Studie namens „Silenced to deliver“ (PDF-Format) deckt die Kampagne auf, unter welchen Bedingungen die Angestellten die Handys in Chinaund auf den Philippinen herzustellen haben. Das Fazit: Weder die nationalen noch die internationalen Vorgaben werden eingehalten.

Die 80-Stunden-Woche

Auch wenn in den meisten Fällen die Mindestlöhne ausgezahlt werden, reiche das Geld für angemessene Lebensverhältnisse nicht aus. So erhält ein philippinischer Arbeiter einenmonatlichen Lohn von 120 Euro, benötige für eine Familie allerdings mehr als das Doppelte. Infolge des zu niedrigen Einkommens leisten viele der Beschäftigten notgedrungenÜberstunden. Eine 80-Stunden-Woche werde somit zum Normalzustand in Handyfabriken, obwohl das Arbeitsgesetz höchstens 36 Arbeitsstunden für eine Woche erlaubt. Daraus können sich13 Arbeitsstunden pro Tag und sechs Arbeitstage pro Woche ergeben. Wer vor Erschöpfung einschläft, muss mit einem Bußgeld rechnen, das den Lohn noch niedriger ausfallen lässt.Ohne Schutzkleidung mit Chemikalien arbeiten – auch das gehört hier zum Alltag.

Hersteller verweigerten jeden Kommentar

Vor Veröffentlichung der Studie hatten die Produktionsstätten und deren Auftraggeber von MakeITFair die Möglichkeit bekommen, sich zu den Resultaten zu äußern. Doch keine derFabriken wollte ein Statement zu den Löhnen abgeben. Dass es Strafzahlungen gäbe, wurde abgestritten, obwohl Arbeiter von ihrer Existenz berichteten. Angeblich nehmen die Hersteller dieStudie ernst – verbessert wurde bislang aber nichts. Die Handymarken LG und Samsung verweigerten sogar jeden Kommentar zu dem Anschreiben von MakeITFair.

Der Handymarkt boomt weiter

In jeder Altersgruppe ist das Handy längst selbstverständlich geworden. Bereits im Grundschulalter werden Kinder mit Handys ausgestattet, Teenies besitzen oft zwei bis drei verschiedeneModelle. Mehr und mehr Zusatzfunktionen werden in die Mobiltelefone integriert, Farbe und Design gewinnen an Bedeutung. Die Zahl der Konsumenten, die aus optischen Gründen neue Handys erwerben,wächst. Überall trifft man auf Handybesitzer, die ihr modernes Gerät auch als MP3-Player und Terminplaner nutzen und Wert auf Aktualität legen.

Jeder Handybesitzer trägt Verantwortung

In einer Zeit, in der der Handymarkt boomt und kostengünstige Massenproduktionen gefragt sind, liegt es in der Verantwortung des Einzelnen, die Herstellung der Produkte, für die er sichinteressiert, zu hinterfragen und dementsprechend die richtige Kaufentscheidung zu treffen. Die Hersteller sind stets gezwungen, sich dem Kaufverhalten der Masse anzupassen.

So liegt es in der Hand der jugendlichen und informationstechnik-affinen Konsumenten, auf Studien wie „Silenced to deliver“ zu reagieren. Kaum ein Handybesitzer weiß,unter welchen Bedingungen sein Gerät produziert wurde. Und solange die Masse es als unbequem empfindet, nachzufragen und gegebenenfalls zu einer Marke zu wechseln, die moralisch vertretbarhandelt, wird sich daran auch nichts ändern. Darunter leidet der ausgebeutete Arbeiter. Dem Einzelnen sei gedankt.

Quelle: heise.de

Bildquellennachweis:
© Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio

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