Kommentar: Wenn es für Zukunft kein Wort gibt

Lassen die G8 Staaten die Dritte Welt im Stich?

Der G8 Gipfel in Japan – Politiker, die gemütlich in ihrer Runde sitzen, die Schuhe geputzt und ein frisches Glas Wasser vor sich, diskutieren das Leben von Menschen, die von sauberem Wasser träumen und sich Schuhe nicht leisten können. Geschweige denn einen Flug nach Japan und ein Hotelzimmer. Ist der Gipfel nur noch Theater?

Sie breiten Zahlen aus, diskutieren Statistiken und formulieren zum Ende hin ein Ergebnis für die Presse. Aber wie viel sind diese Ergebnisse wert? Die Deutsche Welthungerhilfe vertritt dazueine klare Meinung: Die Versprechen seien „zu vage, zu mutlos und zu kurzfristig“.

Millenniumsziel Nummer 6: AIDS bekämpfen …

Ein Beispiel: Im September 2000, als alle noch von Millennium und neuem Zeitalter redeten, traten die Vertreter von 189 UN-Staaten zusammen und steckten sich Ziele, die unter dem Namen“Millenniumsziele 2015″ bekannt werden sollten. Acht „Goals“, die man bis 2015 erreichen wollte …
Werfen wir einen Blick auf den Zwischenstand. Wir leben im Jahr 2008, sind also knapp über der Halbzeit und stellen fest:

… und was es gebracht hat

Jeden Tag sterben mehr als 6000 Menschen an AIDS, 8200 infizieren sichneu – eine Weltkrankheit, wie sie die Menschheit noch nie gesehen hat. Das Ziel der Millenniumserklärung versprach bis 2015 die Ausbreitung von HIV/AIDS auf der ganzen Welt gestoppt zu habenund jedem HIV-Patienten in Entwicklungsländern Medikamente zugänglich zu machen, wie sie in Industriestaaten längst Standard sind. Das Fazit schmeckt jedoch bitter: Nur in wenigenLändern wie Kenia, Sambia oder Kambodscha geht die Ansteckungsrate zurück, Medikamente sind nur den Allerwenigsten zugänglich und wenn es Krankenhäuser und Hospize gibt, dannfehlt es am Nötigsten.

Zu- und Eingeständnisse …

Kommen wir zurück zu unseren schuhgeputzten Freunden beim G8 Gipfel: 2007 gelobte man feierlich (während um Heiligendamm die Demonstrationen tobten) in den nächsten Jahren 60Milliarden Dollar bereitzustellen. Schon ein Jahr danach gestehen selbst die Politiker ein, dass dieses Versprechen unmöglich eingehalten werden kann, auch wenn Frau EntwicklungsministerinWieczorek-Zeul sich beeilt zu betonen, dass Deutschland trotzdem und selbstverständlich zu seinen internationalen Verpflichtungen steht. Na dann … Scheint ja alles super zu laufen, FrauBundesministerin. Immerhin muss man ihr zugute halten, dass für 2009 180 Millionen für Entwicklungshilfe zusätzlich in den Haushalt eingeplant wurden.

Leider ist das noch lange nicht genug, gerade mal zwei Prozent der Gelder fließen überhaupt in das Gesundheitswesen, benötigt würden mindestens zehn Prozent. Die Folge? In Malawiist jeder Fünfte HIV-positiv, Mütter übertragen die Krankheit bei der Geburt an ihre Kinder, weil es in den Krankenhäusern an Hygiene mangelt und einige der Heilerinnen dort davonüberzeugt sind, die Krankheit mit Hilfe von traditionellen Heilmitteln kurieren zu können.

… und wenn für Zukunft einfach die Worte fehlen

AIDS ist aber nicht nur gefährlich für die Menschen die, daran sterben – Kinder verlieren ihre Zukunft durch lehrerlose Schulen, durch elternlose Familien und bauernlose Felder. TraurigeWahrheit: Diese Kinder setzen sich gar nicht erst mit ihrer Zukunft auseinander. Fragt man ein deutsches Kind nach seinen Zukunftsplänen bekommt man die abenteuerlichsten Sachen zu hören,von Hubschrauberpilot bis Tierärztin und von den Schwimmbadplänen für „morgen“. Anne Jung, eine Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Medico International machte vor drei Jahren denVersuch und befragte ein Kind in Angola, wie es sich seine Zukunft vorstelle – doch die Frage scheiterte bereits am Dolmetscher.

Im Chokwe, der traditionellen Sprache dort, gibt es keine Möglichkeit, eine Zukunftsform auszudrücken, man kennt nur Gegenwart und Vergangenheit. Was morgen wird ist ohnehin zu ungewiss, umsich darüber zu unterhalten.

AIDS ist nicht zu übersehen …

AIDS ist laut Kofi Annan die „größteHerausforderung unserer Generation“ und es scheint, als müsse man befürchten, dass sie das auch noch für einige Generationen bleibt. Während der Aufklärungskampf inAfrika immer weiter Früchte trägt, vergiftet das Virus jetzt andere Teile der Erde. Asien zum Beispiel, dort steckten sich im letzten Jahr doppelt so viele Menschen an wie noch 2002 undauch hier in Deutschland explodieren die Fälle. Denn wenn jemand das Wort AIDS sagt, dann denkt er an eine rote Schleife, an Afrika und Benefizkonzerte, aber nicht an den langbeinigen,platinblonden One-Night-Stand von letzter Woche oder die billige Prostituierte im letzten Thailandurlaub. Und ganz bestimmt nicht an die eigene Freundin, die man ja schließlich lange kennt. AIDStötet heimlich, still und leise, nach einer Ansteckung bemerken viele nur ein Fieber oder andere allgemeine Symptome einer Infektionskrankheit. Die eigentlichen Symptome treten oft erst Jahrenach der Ansteckung auf, wenn es für eine Therapie zu spät ist und man im schlimmsten Fall unwissend noch andere mit dem unaufhaltbaren Virus infiziert hat.

… und alle schauen weg

So erschreckend es klingt: Ein Großteil deutscher Jugendlicherkennt Kondome nur von den „Mach’s Mit“-Plakaten und käme weder auf die Idee, eins zu benutzen, noch wüsste er oder sie genau wie. Fernsehumfragen mit Teenagern, die davon überzeugtsind, warme Cola oder nach dem Sex auf den Kopf stellen, seien wirksame Verhütungsmittel, sollten uns eigentlich klar machen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis AIDS uns auch hier, inunserem vermeintlich sicheren Deutschland, einholt.

Vielleicht spielt G8 nur Theater, vielleicht steckt hinter der großen Bühne aber auch das ehrliche Bemühen zu helfen – so weit man das von einem gemütlichen Konferenzsaal in einemreichen Land aus kann …

Für Interessierte:
Aktionsbündnis gegen AIDS
Du und ich gegen AIDS
Mach’s Mit
Virus Free Generation

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