Einigung im Streit um die Reform der EU

Was lange währt, wird endlich gut. Das wusste schon Hoffman von Fallersleben1844. Dass dies auch für die Reform der EU zutreffen könnte, schien bisher eher unwahrscheinlich. Doch am Ende ging alles ganz schnell und alle waren mit dem Ergebnis zufrieden – auch Polenund Italien.

Fast sechs Jahre haben die Staats- und Regierungschefs um eine Reform der EU gerungen. Am Ende ging dann aber alles ganz schnell. Nach nur acht Stunden Verhandlungen war die Überraschungperfekt. Schon am ersten Tag einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf eine Reform der Europäischen Union. Dass es so schnell gehen würde, hat alle Beobachter überrascht. Nichtzuletzt deswegen, weil im Vorfeld immer noch viele Standpunkte nicht ausreichend geklärt schienen. Insbesondere Polen und Italien beharrten auf ihren Forderungen nach mehr Einfluss innerhalb derEU.

Am Ende waren aber alle mit dem Ergebnis zufrieden, auch wenn Polens Präsident Lech Kaczynski nur die Vorteile für sein Land sah. Polen habe „alles bekommen, was eswollte“, kommentierte er das Treffen mit seinen Amtskollegen. Nach insgesamt fast zweijähriger politischer Lähmung, die der Streit verursacht hatte, scheint alles wieder in besterOrdnung zu sein. Der Vertrag von Lissabon wird offiziell beim nächsten Treffen am 13. Dezember unterschrieben, anschließend in den einzelnen Mitgliedsstaaten ratifiziert und zum01.01.2009 in Kraft treten. Er wird die Europäische Verfassung ersetzen, der die Franzosen und Niederländer vor zwei Jahren eine Absage erteilt hatten.

Der Vertrag von Lissabon soll für zügigere Entscheidungen, mehr Demokratie und einer besseren Vertretung gegenüber dem Ausland sorgen. Wir haben die wichtigstenVeränderungen für euch verständlich zusammengefasst.

Zügigere Entscheidungen

Ab 2014 werden Entscheidungen im Rat nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit entschieden. Diese ist erreicht, wenn mindestens 55 Prozent der Staaten zustimmen, die mindestens 65 Prozent derEU-Bevölkerung vertreten. Die bisherige Stimmverteilung auf 345 Stimmen wird dann abgeschafft. Bisher hatte Polen beispielsweise mit 27 Stimmen und halb so großer Bevölkerung nurzwei Stimmen weniger als Deutschland. Des Weiteren können Beschlüsse in mehr Themenfeldern als bisher per Mehrheitsentscheid getroffen werden. Ausgenommen sind hierbei Innen-, Steuer- undSozialpolitik sowie die auswärtigen Beziehungen. Auch wird nicht mehr jedes Land einen eigenen EU-Kommissar stellen. Die 27 Mitgliedsstaaten stellen jeweils abwechselnd einen der insgesamt 18Kommissare.

Mehr Demokratie

Die nationalen Parlamente werden ab sofort zwei Wochen früher über einen geplanten Rechtsakt der EU informiert. Sie haben dann acht Wochen Zeit, Einspruch zu erheben, wenn sie ihrenationalen Zuständigkeiten gefährdet sehen. Zukünftig werden alle Entscheidungen gemeinsam vom EU-Rat und dem EU-Parlament getroffen. Das Parlament wird auch den Präsidenten derKommission wählen. Bürger der EU können mit Hilfe eines Volksbegehrens die EU-Kommission mit einer Gesetzgebung beauftragen. Vorraussetzung sind mindestens eine MillionUnterschriften.

Bessere Vertretung gegenüber dem Ausland

Die Posten des Außenkommissars und des Außenbeauftragten werden künftig in einem Amt zusammengefasst. Damit wird das ständige Nebeneinander der beiden Posten beendet undgleichzeitig der EU ein einheitliches Gesicht nach außen gegeben. Das Amt wird den Namen „Hoher Vertreter“ tragen. Der Amtsträger ist zugleich Vizepräsident der Kommission.

Um für mehr Kontinuität der politischen Führung zu sorgen, wird die Amtszeit des Ratspräsidenten auf zweieinhalb Jahre verlängert. Bisher wechselte dieRatspräsidentschaft alle sechs Monate zwischen den Mitgliedsstaaten.

Quelle: Spiegel.de

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