In einem Jahr beginnen in Peking die Olympischen Sommerspiele. Anlass genug für diechinesische Regierung und das IOC, diesen Countdown angemessen einzuleiten. Menschenrechtlern und Umweltaktivisten ist dabei aber gar nicht zum Feiern zu Mute.
Pünktlich um 8 Uhr abends Ortszeit am 08.08.2007 begannen die Feierlichkeiten sprichwörtlich mit Fanfaren und Trompeten, begleitet von einem großen Feuerwerk. Peking lies dabei keineGelegenheit aus, sich für die Spiele und die Zukunft in Szene zu setzen. Ein Chor aus über 100 Sängern, die vom chinesischen Festland, Hongkong sowie Taiwan stammen, demonstrierte eineungewohnte Einigkeit der Chinesen. Überdies ist die überdurchschnittlich hohe Acht-Dichte auch kein Zufall: Die Acht gilt in China als Glückszahl. Zahlreiche geladene Gäste sowieweitere rund 10.000 Gäste wohnten dem Spektakel bei.
Das Internationale Olympische Komitee unterstrich die Bedeutung des Großereignisses. „Die Welt blickt mit großen Erwartungen nach China und auf Peking“,erklärte IOC-Präsident Jacques Rogge. So wurden im Rahmen der Feierlichkeiten 205 Nationalen Olympischen Komitees pro forma die Einladungen für die Spiele im nächsten Jahrüberreicht, so viele wie noch nie. Die Spiele seien eine außergewöhnliche Möglichkeit, das Land China und sein Volk kennen zu lernen, hieß es außerdem.
Das Ereignis wurde auf dem Platz des himmlischen Friedens veranstaltet, auf dem 1989 eine Großdemonstration für mehr Demokratie und Menschenrechte stattfand, die blutig niedergeschlagenwurde und seitdem mehr als nur ein symbolträchtiger Ort ist. Als China 2001 die Zusage für die Spiele erhielt, versprach es zudem, die Situation der Menschenrechte bis dahin deutlich zuverbessern und „völlige Freiheit der Berichterstattung“ zu garantieren. Tatsächlich hat sich bisher nicht viel verändert. Teilweise ist sogar das Gegenteil derFall. So wurden erst kürzlich zwei tibetische Unabhängigkeitsaktivisten festgenommen. Menschenrechtler kritisieren die anhaltenden Verstöße gegen die Meinungs- und Pressefreiheitund warnen sogar davor, dass diese Politik das Bild von China in der Welt deutlich trüben könnte, sollte es bis zum nächsten Jahr nicht deutliche Verbesserungen diesbezüglichgeben. Konservative US-Abgeordnete gehen sogar so weit und fordern aufgrund der Menschenrechtsverletzungen einen Boykott der Spiele und stellten im Repräsentantenhaus eine Resolution zurDebatte, die nach der Sommerpause verhandelt werden soll.
Auch Umweltaktivisten lassen nicht viel Gutes an der chinesischen Politik, zumindest was die Ökopolitik angeht. Sie bekommen dabei sogar Unterstützung vom IOC-Präsident, der es nichtausschließt, dass einige Veranstaltungen aufgrund der schlechten Luft in Peking verschoben werden könnten. Die Gegend von Peking ist so stark von Industrie- und Fahrzeugabgasen verschmutzt,dass oft sogar Nicht-Sportlern das Atmen schwer fällt. Wie unter solchen Bedingungen Hochleistungssport betrieben werden soll, ist vielen ein Rätsel. Hoffnungen auf deutliche Verbesserungensind unterdessen getrübt. Die chinesische Regierung erwägt derzeit kein Fahrverbot während der Spiele und auch sonst ist die Chance auf weniger Verkehr sehr gering.
Von sportlicher Seite gibt es ebenfalls geballte Kritik. Werner Franke, seines Zeichens Doping-Experte, fordert mit einem „Aufstand der Anständigen“ führendeLänder ebenfalls zum Boykott der Olympischen Spiele auf. Er begründet dies mit der fortwährenden Weigerung Chinas, das außerdem größter Dopingmittelanbieter sei,unabhängige Dopingkontrolleure ins Land zu lassen. Er wirft China vor, Doping im Sport im eigenen Land zu tolerieren oder gar zu unterstützen. Michael Vesper, Chef des Deutschen OlympischenSportbundes, plant eine Ehrenerklärung, die alle deutschen Sportler unterzeichnen und somit ehrliche Wettkämpfe ermöglichen sollen. Das australische Olympiateam gab unterdessenbekannt, aufgrund der schlechten Luft und den daraus resultierenden, contraproduktiven Trainingsverhältnissen in Peking erst kurz vor Beginn der Spiele anreisen zu wollen.
Bei Betrachtung der Ereignisse und der Vorwürfe wird unmissverständlich klar, dass China bei allem Anschein noch nicht bereit ist, ein derartiges internationales Großereignis wie dieOlympischen Spiele auszutragen. Nicht zuletzt, weil es sich dabei um Spiele des Friedens und der Freundschaft handelt, sollte zumindest im Rahmen des Sports eine ungehinderte Berichterstattungmöglich sein. Dazu gehört ebenso die unabhängige Kontrolle der Sportler, auch der chinesischen, hinsichtlich Doping und ähnlichem unfairen Wettbewerb. Das gebietet schon alleindie Fairness. Es ist zwar, zumindest inoffiziell, klar, das kaum eine Sportart ohne Dopingfälle auskommt, aber einen dermaßen großen Dopingsumpf wie bei der diesjährigen Tour deFrance braucht keiner mehr. Dies würde dem Olympischen Sport überdies auf Dauer großen Schaden zufügen.
Klar ist auch, dass China unmöglich innerhalb eines Jahres das Menschenrechts- und Umweltparadies auf Erden schaffen kann, das verlangt soweit auch keiner. Es könnte aber wenigstens zeigen,dass es deutliche Änderungen hin ins Positive bewirken will. Denn allein dieser Eindruck würde international das Ansehen des Landes zumindest nicht weiter verschlechtern. Hinzu kommt, dassdieses chinesische Aushängeschild (die Olympischen Spiele) auch eines bleiben soll. Und das möglichst über die Veranstaltungen hinaus. Es würde schlicht einen negativen Eindruckmachen, wenn die Polizei im Stadion mögliche Kritiker festnimmt, nur weil sie nicht so viel von der wenig transparenten Dopingkontrolle halten. Auch im Hinblick auf die Umweltbedingungen desLandes könnte man zumindest Handlungsbedarf zeigen. Es zeugt nicht gerade von Größe, wenn ein Land seine Einwohner giftige Luft atmen lässt, ohne aktiv dagegen vorzugehen. Ganznebenbei sollen die Bestleistungen der Athleten nicht nach unten korrigiert werden, weil die Atmosphäre nicht annähernd Höchstleistungen zulässt.
Mehr zum Thema:
Spiegel Online: 1, 2 &3
Zeit Online
FAZ Online
Wikipedia: Olympische Sommerspiele 2008