Merkel zu Besuch in Polen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am Freitag zu einem zweitägigenStaatsbesuch ins Nachbarland Polen gereist. Die Angelegenheit scheint sogar so dringend zu sein, dass sie ihren Ehegatten Joachim Sauer mitnahm, der zu solchen Besuchen nur mitgeht, wenn es wirklichnotwendig ist.

Zu Beginn traf sich die Bundeskanzlerin mit dem polnischen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski auf ein kurzes Gespräch am Warschauer Flughafen. Sie betonte dabei noch einmal, welcheBedeutung Polen für Deutschland habe. Mit ihrem Besuch wolle sie allerdings auch in ihrer Funktion als EU-Ratspräsidentin ein Zeichen zum gemeinsamen Handeln in Europa setzen.

Keine Entschädigung für Vertriebene

Bei einer Rede an der Warschauer Universität, die vor einigen hundert Studenten und Wissenschaftlern stattfand, erteilte sie den Vertriebenen eine klare Absage, die schon seit längerem eineEntschädigung seitens Deutschland und Polen fordern. „Die Klagen der so genannten Preußischen Treuhand haben keinerlei Unterstützung meinerBundesregierung. Sie werden sie auch nie bekommen“, so die Kanzlerin. Außerdem hielt sie auch eine Rede über europäische Integration. Ihrer Ansicht nach könne Europa vonseinen Partnern nur dann ernst genommen werden, wenn die Staatengemeinschaft zusammensteht.

Beziehungen zu Polen angeschlagen

In den vergangenen Jahren verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen zunehmend. Einen gewaltigen Stoß gab hierbei auch noch der Bau der Ostseepipeline zwischenRussland und Deutschland. Aber auch das Thema Vertreibung ging nicht spurlos an beiden Fronten vorbei. Am Freitagabend reiste Angela Merkel daher mit dem polnischen Präsidenten Lech Laczynski indessen Sommerhaus auf die Halbinsel Hela. Dort versprach sie in einer Rede, dass es keine Umdeutung der Geschichte geben werde. „Es kann keine Umdeutung der Geschichte durchDeutschland geben, und ich füge hinzu: Es wird auch keine Umdeutung der Geschichte geben“, so Merkel.

Sie erinnerte dabei auch nochmal daran, dass während der Zeit des deutschen Nationalsozialismus in Polen etwa sechs Millionen Polen durch deutsche Gewalt um ihr Leben kamen. „Nur indem wir, die Deutschen, unsere Vergangenheit zu jeder Zeit und voll und ganz annehmen, können wir die Zukunft gemeinsam gestalten. Nur so und nicht anders“, heißt esweiter.

Bereits seit dem Jahr 2000 belastet das empfindliche Thema Vertreibung dieBeziehungen zwischen Deutschland und Polen. Angeheizt wurde das Ganze durch Erika Steinbach, die sich seitdem in ihrer Funktion als Vertriebenenpräsidentin dafür einsetzt, in Berlin einZentrum gegen Vertreibung zu errichten. Dies sorgte vor allem in Polen für Beunruhigung. Aber noch schlimmer als der Bau des Zentrums ist die Klage der „PreußischenTreuhand“, eine Organisation die sich für die Vetriebenen einsetzt.

Diese verklagten Polen im Herbst 2006 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Polen soll demnach Entschädigung für verlorenes Eigentum in den ehemaligen deutschenGebieten leisten. Nach wie vor distanziert sich die Bundesregierung von diesen Anklagepunkten, obwohl Polen ein gemeinsames Abkommen angestrebt hat, in dem beide Staaten einen Verzicht aufEntschädigungsforderungen unterzeichnen.

Keine Spaltung in Europa

In ihrer Rede setzt sich Merkel außerdem für mehr Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union ein. Nur wenn Europa zusammenhält, könne man auch Internationalwirtschaftliche und soziale Normen durchsetzen. „Nur gemeinsam können wir unseren Wohlstand und unsere Werte sichern“, so Merkel. Europa dürfe sich auch in keinenFragen spalten lassen. Egal ob Energie- oder Sicherheitspolitik: „Geteilte Sicherheit wäre mangelnde Sicherheit.“

Im Hinblick auf die Energiesicherheit fühlt sich Polen auch heute noch vonDeutschland durch den Bau der Ostseepipeline übergangen. Angela Merkel ging allerdings bei ihrem Besuch nicht direkt auf diese Thematik ein. Sie versprach schon im letzten Jahr, dass siewährend ihrer EU-Ratspräsidentschaft eine europäische Lösung anstreben wird.

Bei der NATO sorgten Polen und Tschechien in den vergangenen Tagen durch den Bau des geplanten US-Raketenabwehrsystems für Aufsehen. Merkel setzt sich für eine Umsetzung dieses Projektsunter Aufsicht der NATO ein.

Außerdem sprach sich Merkel bei der Polenreise für erneute Gespräche im Hinblick auf die EU-Verfassung aus: „Ein Scheitern wäre ein historischesVersäumnis“, sagte die Bundeskanzlerin. Polen setzte sich bereits in der Vergangenheit für Veränderungen an der Verfassung ein, Merkel will den Ablauf der Verfassung allerdingsauf Grundlage der bereits vorgelegten Papiere wieder in Gang bringen.

Quelle: N24 Online

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