So mancher Besitzer einer Audio-CD von Sony BMG wird sich in letzter Zeit gewundert haben, als er sie auf seinem PC hören wollte. Bevor der erste Ton den Lautsprecher verließ, musste eineeine spezielle Abspiel-Software installiert werden – wer darauf verzichtet, kann die von ihm legal gekaufte Musik nur noch in deutlich reduzierter Tonqualität hören. Die meisten Nutzerwerden die Auflage mehr oder weniger zähneknischend akzeptiert haben. Was sie nicht wussten: Sie haben sich damit ein Programm eingefangen, das tief in ihr System eingreift. Auch nachdem dieSony-CD das Laufwerk längst wieder verlassen hat, wird es bei jedem Neustart des Computers wieder von der Festplatte gestartet, kontrolliert Laufwerkszugriffe, verbraucht Speicher undProzessorleistung. Nebenbei verhindert es, dass die Sony-Musikstücke auf die beliebten iPods des Sony-Konkurrenten Apple überspielt werden können.
Gefährliche Nebenwirkungen Doch damit nicht genug: Wie der britische Computerexperte Mark Russinovich herausfand, ermöglicht die Sony-Software, Programme auf dem Computer zu starten, ohnedass der Nutzer oder Anti-Viren-Programme das mitbekommen. Als Trojanisches Pferd eröffnet das Programm so ein Einfallstor für Viren und andere Schadprogramme. Inzwischen sind ersteAnwendungen im Umlauf, die beweisen, dass die Sicherheitslücke in „Sony-infiziertem“ Rechner für sinistre Zwecke ausgenutzt werden können. Späte Schadensbegrenzung Nach Angabenvon Sony BMG wurde das Programm bisher nur auf CDs für den amerikanischen Markt eingesetzt, so dass in Europa lediglich einige Import-Scheiben betroffen sind. Die Firma bietet inzwischen imInternet ein Programm an, mit dem sich das umstrittene Kopierschutz-Tool entfernen lässt. Allerdings müssen sich Nutzer namentlich registrieren, um es herunterladen zu können. Danachkönnen die Sony-CDs aber nicht mehr auf den Computer gehört werden. Der Versuch, mit eigenen Mitteln das Programm zu entfernen, kann sogar zur Beschädigung des Systems führen.Zwar bestreitet Sony trotz gegenteiliger Beweise, dass sein Kopierschutz-System Schaden anrichten kann. Inzwischen stellte das Unternehmen den Herstellern von Anti-Virus-Software jedoch Informationenzur Verfügung, damit diese die Sicherheitslücke schließen können. Mehr Ärger als Nutzen für Sony Für das japanische Unternehmen kann das Experiment nochnachhaltige Folgen haben: In den USA und anderswo mehren sich die Boykottaufrufe gegen seine Produkte, Juristen prüfen, ob die Software den Tatbestand der Computersabotage erfüllt.Wohlgemerkt: Alle die unerwünschten Nebenwirkungen und Gefahren treten nur bei den Nutzern auf, die die CD legal erworben haben. Wer die Musikstücke als Raubkopien runtergeladen hat, hatderlei Ungemach nicht zu befürchten. Immerhin halten sich einige Besitzer der infizierten Sony-CDs inzwischen schadlos: Sie verkaufen ihre Scheiben im Internet – als Hackertools. Quelle:www.tageschau.de