Flucht vor dem Alltag – Jugend auf Abwegen

Auf ein Neues – Die Kolumnenserie von RauteMusik beschäftigt sich diese Wochemit „Euch“. Genauer gesagt, sie beschäftigt sich mit einem großen Problem der Jugend. Jedem sei die Einschätzung der Lage selbst überlassen, doch er sollte zumindest denAnstoß wahrnehmen.

Donnerstag. Die Schulglocke läutet. Hunderte Schüler strömen aus dem Gebäude, der Sommersonne entgegen. Chris geht auf den Sportplatz. Sein Outfit? Kappe, Sonnenbrille und ein Rucksack. Begleitet wird er von vier Kumpels. Eine Runde Basketball soll heute die Zeit totschlagen.

Auffällig? Nein – sie sind nur Durchschnitt. Gute Noten in der Schule, geachtet von der Klasse. Chris ist sogar Klassensprecher. Der Clique folgen nicht viele Blicke. Was niemand weiß? Chris heißt nicht Chris. Seinen richtigen Namen verrät er nicht. Er spielt auch keine Rolle – sein Rucksack ist locker 500€ wert – das genügt. Kaum größer als eine Tafel Schokolade und doch übersteigt es alle finanziellen Möglichkeiten seiner Freunde.

Seit zehn Minuten klingelt sein Handy ohne Pause. Es sind „Bekannte“. Ein Polizist läuft vorrüber. Er freut sich über die Sportbereitschaft der heutigen Jugend. Die vielen Jungen undMädchen unterschiedlicher Altersklassen fallen ihm nicht auf. Und doch – innerhalb weniger Stunden ist Chris Rucksack wieder ein üblicher Ranzen. Ein schöner Tag.

Chris schultert seine Tasche und begibt sich auf den Heimweg. Wohin? Es gibtFragen, die sollte man nicht stellen. Er reagiert empfindlich und immer nervös. Auf dem Heimweg fährt er schnell. Quer durch die Stadt. Schlägt Haken. Zuhause angekommen, wird er sichfür den nächsten Schultag vorbereiten.

Keine seltene Szene – in fast jeder noch so kleinen Stadt findet man Leute wie Chris. Aber ganz sicher gibt es seine Kunden wie Sand am MeerÃ’Â – überall.

Die Neue Deutsche Welle rollt seit einigen Jahren unerbittlich über die Gesellschaft. Sie reisst Kinder, Jugendliche, Auszubildende und Studenten mit sich. Alle haben sie die „Grüne Brille“auf. Zumindest am Wochende. Glänzende rote Augen sind ihr Markenzeichen. Sie führen einen unermüdlichen Kampf gegen das Gesetz. Oder ist es andersherum? Egal – Gleichgültigkeitverbreitet sich unter ihnen. Aus dem Monster der Drogenjunkies ist lange schon eine Massenbewegung geworden. Politiker, Psychologen und Eltern schreien sich die Seele aus dem Leib. Doch auch siesollten sich in Acht nehmen. Die Quote der deutschen Kiffer liegt im Moment nicht unter der von Holland. Ein Symbol für Ausgeglichenheit, relaxen und chillen ziert ihre Gesellschaft.Nebenwirkungen? Sie kennen keine, die dem nächsten Partykater gleichkommen könnten.

Auf den Fahnen der neuen Jugendbewegung steht eine neue Lebensart mit Tradition. In Massen sitzen sie auf Parkbänken, unter Pavillions und auf öffentlichen Plätzen. Sie sind friedlich,unaufällig und freundlich. Und doch sind sie unbeliebt. Andere Schüler ihren Alters meiden sie. Es ist der grausame Rand ihrer Gemeinschaft, der Schlagzeilen macht. Sie möchten sichvon ihnen lösen, doch ob sie wollen oder nicht, auch sie schweben in ständiger Gefahr. Es sind keine Dealer wie Chris, die das Sagen haben, es sind keine Chiller, die Drogen züchtenund auch keine Bob Marleys, die ihr Gras kiloweise über die Grenzen schmuggeln.

Hinter ihrer zusammengeschusterten Kifferphilosophie steht ein riesiges Machtimperium, dem es nur um Profit und nicht um die Seelen süchtiger Kinder geht. Suchtkliniken und Drogenberatungenkönnen dem Lifestyle des neuen Jahrtausends wenig entgegensetzen. Keine Nacht ohne Drogen – viele sind bereits gescheitert, da sie die Gefahren und das Suchtpotenzial des Menschenunterschätzt haben. Mehr als drei Millionen Deutsche können nicht irren?

Es geht nicht um die drei, vier Joints im Monat. Es ist die Art und Weise sie zu benutzen. Gelegenheiten gibt es viele. In erster Linie Partys oder Freunde. Doch auch der Schulhof ist kein Kloster.Jeder weiß es, niemand sagt es. Klar – kiffen ist cool. Kein Thema! Doch wieso stürzen viele Jugendliche ab? Verfangen sich in der Droge? Es ist die Maß- und Grenzenlosigkeitpubertierender Jugendlicher, der Druck der Gemeinschaft und natürlich auch der Genuß. Keine Droge wäre ohne positive Nebeneffekte so beliebt.

Das Problem ist nicht die Droge ansich. Alkohol, Zigaretten – Alles istschädlich. Doch Nichts ist tödlicher als den Alltag auf eine Droge auszurichten. Prioritäten verschieben sich. Das Dilemma ist perfekt.

Desto jünger Chris Kunden sind, desto schlechter sein Gewissen. Er weiß nicht, ob die 13-Jährigen jemals einen Schulabschluss schaffen werden. Doch Geld geht vor – ach undüberhaupt:

„Es ist doch jeder für sich selbst verantwortlich, oder?“

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