Review: Dead Space 3 (PS3)

Dead Space 3Nach zwei Jahren Wartezeit meldet sich unser Lieblings-Ingenieur Isaac Clarke zurück. Diesmal ist er den bestialischen Nekromorph jedoch nicht hilflos ausgeliefert, sondern hat einen Coop-Modus, Microtransactions und ein neues Coversystem im Gepäck. Blieb sich „Dead Space“ treu oder ist nach Resident Evil ein weiteres Horror-Franchise einer „Erweiterung der Zielgruppe“ zum Opfer gefallen?

Isaac Clarke findet einfach keinen Frieden. Nachdem Ellie und er von der Sprawl entkommen sind, versank er in Selbstmitleid, was Ellie dazu veranlasste, sich von ihm zu trennen. Eines Tages aktivieren Unitology-Fanatiker auf seiner Mondkolonie einen von EarthGovs roten Markern – und der ganze Albtraum geht für Isaac von vorne los. Plötzlich wollen aber nicht nur Nekromorph dem gebrochenen Isaac ans Leder, auch der Unitology-Guru Jacob Danik möchte den „Marker-Killer“ tot sehen. Als sprichwörtliches i-Tüpfelchen taucht ein Trupp EarthGov-Soldaten auf und informiert ihn über das Verschwinden von Ellie auf Tau Volaris, einem abgelegenen Eisplaneten, auf dem vor 200 Jahren eine Nekromorph-Katastrophe verhindert werden konnte.

„Dead Space 3“ bricht in vielerlei Hinsicht mit alten Traditionen des Franchise. Der wohl größte Tabubruch: Isaac stürzt sich diesmal nicht als einsamer Retter in die Schlacht, sondern bringt Verstärkung in Form von Sgt. John Carver mit. Dieser wird im Rahmen eine neuen Coop-Modus von einem menschlichen Mitstreiter übernommen, während er im Singleplayer außerhalb von Story-Sequenzen dankenswerterweise nicht auftaucht. Wenn uns Spiele wie „Resident Evil“ 5 und 6 eines gelehrt haben, dann dass Zwangs-Coop in Horror-Szenarien – ob mit Mensch oder KI – selten gut funktioniert. Hat man hingegen einen Freund im Gepäck, wird schnell deutlich, dass der Coop-Modus klares Highlight des Spiels ist. Das Zusammenspiel funktioniert mit etwas Koordination sehr gut und macht wirklich Spaß.

Dead Space 3

Doch auch abseits der kooperativen Monsterjagd gibt es einige Neuerungen. Erwähnenswert ist beispielsweise eine durchaus einschneidende Änderung des bisherigen Kern-Gameplays der Dead Space-Reihe: Zerstückelung von Nekromorphs hat diesmal eine deutlich niedrigere Priorität, da ein Großteil aller Gegnerarten mutiert, wenn man ihnen Gliedmaßen abtrennt, und im gleichen Atemzug die Kampfstrategie ändert. Manche Gegner werden gefährlicher, wenn man ihnen Körperteile abtrennt, statt sie mit möglichst großkalibrigen Waffen gänzlich wegzublasen. Shotguns, Flammen- und Granatwerfer dürften in kürzester Zeit eure besten Freunde werden. Und dank der generalüberholten Werkbank ist es diesmal sogar möglich, sie zu kombinieren.

Statt wie in den Vorgängern nur die Statuswerte bestehender Waffen aufzurüsten, können in „Dead Space 3“ durch Ersatzteile und Aufsätze völlig neue Werkzeuge der Zerstörung kreiert werden. Wie wäre es beispielsweise mit einer Line Gun, die einen Ripper-Aufsatz verpasst bekam, der elektrisch aufgeladene Sägeblätter verschießt? Oder mit einer Pulse Rifle mit Shotgun-Aufsatz, die Gegner mit Stase-Munition verlangsamt? In „Dead Space 3“ scheint kein Kombinat verrückt oder surreal genug zu sein. Fast alle Typen von Waffen und Erweiterungen lassen sich beliebigen mischen.

Dead Space 3

Die Einzelteile findet ihr entweder in eurer Umgebung, kauft sie in den (diesmal wesentlich weiter verstreuten) Shops oder lasst ihr von kleinen Robotern sammeln, die ihr jederzeit und in jedem Gebiet ausschicken könnt. Wem das nicht schnell genug geht, der kann entweder um im Spiel verteilte Rationsmarken oder echtes Geld Equipment zukaufen. Jawohl, ihr habt richtig gelesen: Die berüchtigten Microtransactions haben nun auch in Dead Space Einzug gehalten. Ich will in diesem Review nicht darüber urteilen, inwieweit ein solches System ethisch korrekt ist – wer einen zu schweren Geldbeutel hat, möge bitte EA sein Geld für virtuelle Goodies in den Rachen werfen, ich habe kein Problem damit. Allerdings finde ich es zumindest fragwürdig, dass man sich in einem Horror-Titel, wo Ressourcenknappheit bisher ein elementarer Teil der Spielerfahrung war, plötzlich mit so viel Munition und Waffen eindecken kann, wie man lustig ist. Halt, Missverständnis: „Dead Space 3“ hat mit dem Grusel-Faktor der Vorgänger nicht mehr viel zu tun.

Nahezu jede Monster-Attacke wird vorher (meist durch eine Änderung der Hintergrundmusik) angekündigt. Überrascht haben mich Gegner eigentlich nur im Tiefschnee, wenn sie plötzlich neben oder hinter mir aus dem Boden geschossen kamen – und selbst das hat nur die ersten zwei Male gewirkt. Danach war mir klar: In jedem Gebiet mit Tiefschnee stecken vermutlich Nekromorph – und so war es dann auch. Auch das Gegner-Design wurde gegenüber den Vorgängern abgeschwächt. Ein Großteil der Nekromorphs, denen ihr über den Weg lauft, sind nicht mehr – wie früher – die Slasher, sondern menschenähnliche, in Klima-Anzügen steckende „Waster“, die euch mit Äxten oder anderem Bergbau-Werkzeug angreifen. Furchteinflößend? Nicht die Spur.

Dead Space 3

Wieso werden Spiele wie „Dead Space 3“ eigentlich als „Horror“ vermarktet? Ich verstehe es nicht. Durch Etikettenschwindel wie diesen könnte EA gleich zwei Konsumgruppen verlieren: Die Horror-Fans (wie ich) sind vom Mangel an Grusel und Atmosphäre schwer enttäuscht, während die primäre Zielgruppe – Shooter-Fans – möglicherweise mit den Schultern zucken und meinen, dass Horror nichts für sie sei, weshalb Dead Space sie nicht interessiert. Ich bin natürlich kein Marketing-Experte, aber selbst als Laie erkenne ich, dass sich eine derart unvorteilhafte Täuschung seiner Käuferschaft nicht rentieren kann und wird. „Gears of War“ wird schließlich von Microsoft auch nicht als „Horror“ vermarktet – und nichts anderes ist „Dead Space 3“ geworden: ein Gears of War mit grotesken Monstern. Also, mit reanimierten grotesken Monstern – die Locust sind ja immerhin lebendig.

Um die Parallelen zu anderen traditionellen Third-Person-Shootern noch zu verdichten, gibt es jetzt ein Deckungssystem, da man nicht mehr nur gegen Nekromorph, sondern auch gegen fanatische Unitology-Anhänger zu Felde zieht. Da dies jedoch nur an wenigen Stellen im Spiel der Fall ist, gestaltet sich die neue Cover-Mechanik entsprechend unnötig, da Nekromorph auf Deckung keinerlei Rücksicht nehmen und ihr euer Überleben am Besten dadurch sichert, indem ihr in Bewegung bleibt. Das trifft sich wunderbar, da das Deckungssystem nicht besonders gut funktioniert. Ihr könnt nicht wirklich in Deckung gehen, sondern kauert euch lediglich hinter ein Objekt. Anders als in gängigen Third-Person-Shootern könnt ihr nicht kurz aus der Deckung lucken und ein paar Schuss abgeben – nein, ihr müsst dazu aufstehen, was euch erst recht wieder verwundbar macht.

Dead Space 3

Die Cover-Mechanik ist im Kontext zum restlichen Gameplay genauso unnötig wie die ebenfalls neuen Kletter-Passagen. Immer wieder ist es notwendig, steile Felswände zu erklimmen, um weiterzukommen. Diese Stellen sind vor allem deshalb so nervig, weil dann immer „zufällig“ Fels- oder Eisbrocken aus der Wand brechen und auf euch herabstürzen, was einen Instant Kill bedeutet, sofern ihr nicht ausweicht. Leider machen euch Steuerung und Physik beim Klettern oft einen Strich durch die Rechnung. Springt ihr beispielsweise über einen Spalt von einem Wandmassiv zum nächsten und verpasst den Vorsprung nur um einen Milimeter, schwingt Isaac sofort zu seinem Ausgangspunkt zurück, wo meist der sofortige Tod, dem man ursprünglich ausweichen wollte, auf ihn wartet.

Wenn wir schon bei Kritik sind: Die Story von „Dead Space 3“ ist lächerlich schwach. Vor allem das Ende ist jenseits von absurd. Gut, ich wage zu bezweifeln, dass irgendjemand einen Dead-Space-Ableger wegen seiner tiefsinnigen Geschichte gespielt hat, aber ich fand das Universum dahinter bisher eigentlich ziemlich interessant. Leider erinnert der hiesige Plot mehr an amerikanische Katastrophenfilme als an Dead Space, eifersucht-geladenes Liebesdrama inklusive. Sehr schade und eine vertane Chance, den Kampf von Isaac Clarke zu einem würdigen Abschluss zu bringen.

Dead Space 3

Technisch ist „Dead Space 3“ sauber, aber nicht großartig. Dass die Engine auf DICEs FrostBite 2 umgestellt wurde, fällt leider kaum auf. Einige Grafik-Effekte sehen sehr gut aus (z.B. Lichteinfall), andere weniger (z.B. die Animation, wenn Isaac durch Schnee stapft). Leider brachte die neue Engine auch zahlreiche Bugs mit, darunter Lock-Ups während Ladescreens, was gerade dann Frust und Verzweiflung hervorruft, wenn auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad gespielt wird.

Sprachausgabe und Soundtrack sind in Ordnung – mit einem großen Kritikpunkt: Für „Dead Space 3“ wurde mit der Musik vollkommen übertrieben. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, dass dieses Spiel von Anfang an nicht gruselig sein sollte – wie kann Atmosphäre aufkommen, wenn man etwa 90 Prozent der Spielzeit von auf episch getrimmter Orchester-Dramatik beschallt wird? Gerade Stille ist es aber, die Beklemmung und Unsicherheit erzeugt. Ist kein Mucks zu hören, achtet man instinktiv auf jedes noch so kleine Geräusch, was wiederum die eigene Anspannung erhöht. Dieser Umstand wurde gerade im ersten Dead Space ausgereizt, wo Hintergrundmusik nur spartanisch oder während Action-Szenen eingespielt wurde und man die restliche Zeit über von gespenstischer Stille „gefoltert“ wurde. Jedes Geräusch eines herunterfallenden Gegenstands, jedes Säuseln oder Knurren war in angespannten Situationen wie ein Stich ins Herz – genau das ist es, was gute Horror-Atmosphäre ausmacht! Dies schien auch Visceral Games klar gewesen zu sein, weshalb sie scheinbar bemüht waren, Momente der Stille möglichst zu vermeiden – es könnte schließlich Angehörige ihrer „erweiterten Zielgruppe“ abschrecken.

Fazit

Als Fan der Vorgänger tut es weh, zu sehen, dass „Dead Space 3“ das gleiche Schicksal wie „Resident Evil 6“ ereilt hat: Visceral Games war so damit beschäftigt, die Zielgruppe des Franchise zu erweitern, dass sie jegliche Eigenidentität, die „Dead Space“ einmal gehabt hat, abgetötet haben. Was übrig blieb, ist ein generischer Coop-Shooter ohne echte Highlights und, vor allem, ohne Horror. Dass es trotzdem als Horror-Titel vermarktet wird, ist für mich eine klare Verfehlung besagter „erweiterter Zielgruppe“. Aber gut – wenn EA dieses Spiel unbedingt als knallhartes Horror-Game verkaufen möchte, werde ich es auch als solches reviewen. Als TPS, der gerade kooperativ Spaß macht, mag „Dead Space 3“ fachlich durchaus kompetent gewesen sein, aber als Horror-Erfahrung ist es ein erschreckender Fehlschlag. Vor dem nächsten Ableger sollte sich EA dringend überlegen, wo sie mit „Dead Space“ eigentlich hinwollen – und hoffentlich erkennen, dass man mit „Erweiterung der Zielgruppe“ im Endeffekt niemanden wirklich zufrieden stellt.

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