Er beherrscht seine Kunst, wie nur wenige Andere. Er macht Platten, die schon lange keinGeheimtipp mehr sind. Er ist der Bob Dylan unserer Praktikumsgeneration. Sein Name ist Conor Oberst und er beehrte als Bright Eyes das Kölner Gloria Theater am 27.03. für ein Konzert, dasmehr als nur ein einfaches Datum im Veranstaltungskalender war.
Wenig fürs Zwerchfell, Tonnen fürs Herz
Es kann passieren, dass man vor dem Einlass zu einem Konzert von Passanten gefragt wird, für welchen Künstler man denn überhaupt ansteht. Wenn dann die eigene Antwort „Bright Eyes, einSongwriter aus Nebraska“ lautet und in den Augen des Gegenübers rührt sich etwas, als ob ihm gerade jemand die Liebe gestanden hätte, dann weiß man ganz genau, dass erweiß, wer Conor Oberst ist. Er gehört zu den Menschen, die seine Platten schon beinahe bis zur Unkenntlichkeit gespielt, so viele Plattennadeln verschlissen, den Laser des CD-Playersunentwegt auf Reisen geschickt, Bright Eyes einfach gestattet haben, sich ganz tief in ihre Herzen zu spielen.
Somit ist es kein Wunder, wenn das Gloria-Theater in Köln an diesem Abend ausverkauft ist. Vielleicht sogar der beste Ort in der Domstadt an dem dieses Konzert stattfinden kann. Wo sich sonstComedians und Schauspieler die mit rotem Vorhang eingehüllte Bühne teilen, wird heute die Messlatte für weitere Veranstaltungen hochgesteckt. Verständlich, dass David Dondero verschüchtert sein Vorprogramm herunterspielt. So steht er doch heute im Schatten von Conor Oberst, wie kein anderer. Dem Publikum fehlt dasgewisse Etwas, ihm wahrscheinlich auch. Songs, die auf seinen Alben verheißungsvoll klingen, geben heute nichts wieder. Schade, doch ihm sei verziehen.
Es bleibt auch überhaupt nichts anderes übrig, denn sobald Conor Oberst mit seiner fünfköpfigen Band in das Bright Eyes-Gewand schlüpft, betritt man eine andere Welt. EinZustand zwischen Euphorie und Neurose. Viel wird vom kommenden Album „Cassadaga„, das ab dem 07. April in den Läden steht,vorgestellt. Songs, die zwischen Bob Dylan und G.Love & Special Sauce liegen, während man dann im Kopf die Vergleiche doch wieder zerschlägt. Ab und an schleichen sich alte Hits wie“First Day Of My Life“ oder „Make War“ ein, werden aber mit solcher Hingabe präsentiert, als ob man noch nicht schon längst bewiesenhätte, wie gut diese Lieder eigentlich sind.
Es hat alles etwas von einer großen geprobten Jam Session, weder aufdringlich noch unbeholfen, mit den richtigen Worten, unterlegt von den richtigen Tönen in den richtigen Momenten. Wenndann die Band auch noch nach der letzten Zugabe ein weiteres Mal auf die Bühne kommt, obwohl die Lichter schon an sind und die Hälfte der Zuschauer sich bereits im Foyer befindet, wird demGanzen ein besonderer Stempel aufgesetzt. Das beste Konzert des Jahres, schon jetzt. Wenig fürs Zwerchfall, dafür Tonnen fürs Herz.
Die Gewissheit ist da, dass man sich die Tage bis zur Veröffentlichung von „Cassadaga“ in den Arm ritzen wird. Vielleicht sitzt auch gerade ein vorher unwissender Passantzu Hause, nachdem er sich im Platteladen etwas von Bright Eyes angehört hat, leidet, liebt und steht beim nächsten Konzert in der Reihe, um anderen Leuten das Herz für Conor Oberst zuöffnen.