Review: Prototype 2 (Xbox 360)

Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Oder auch nicht.

Nachdem Cole MacGrath bereits vergangenen Sommer in „inFamous 2“ auf die heimischen Bildschirme zurückkehrte, startet nun auch der „Prototype“ sein Comeback – zumindest im Rest der Welt. In Deutschland feiert Activisions Superhelden-Saga erst jetzt Premiere, nachdem auf eine Veröffentlichung des Vorgängers mangels USK-Freigabe verzichtet wurde. Ob deutsche Gamer bisher etwas verpasst haben?

In „Prototype 2“ steuert ihr nicht etwa den Helden des Vorgängers, sondern kämpft gegen ihn. Als der Soldat James Heller im Zuge eines erneuten Ausbruch des „Mercer-Virus“ in New York seine Frau und Tochter verliert, bleibt ihm nur noch eins: Rache an Alex Mercer, Schöpfer des nach ihm benannten Erregers und Protagonist des ersten „Prototype“. Ironischerweise gibt ihm dieser erst die Mittel für besagte Rache in die Hand, da er Heller mit dem Virus infiziert und ihm so übermenschliche Fähigkeiten verleiht.

Dass Heller Alex Mecer umbringen möchte, bedeutet allerdings nicht, dass er dessen Gameplay-Erbe abschüttelt. „Prototype 2“ ist, einmal mehr, eine Superhelden-Sandbox: Ihr stehlt nicht etwa Autos oder versucht euch in Minispielen wie Darts oder Billard, sondern springt und fliegt blitzschnell durch die in drei Zonen unterteilte Spielwelt und löscht nebenbei ganze Armeen von Gegnern aus – Virus-Kräften sei Dank. Neben allerlei mutiertem Getier stehen euch insbesondere die Söldner von Blackwatch im Weg, deren Auftrag es ist, die Infektion mit eher fragwürdigen Methoden einzudämmen.

Anderer Prototyp, gleiches Spiel

Wer den Vorgänger gespielt hat, weiß, was ihn erwartet. Die Entwickler von Radical Entertainment haben an ihrer „Prototype“-Formel maximal Feintuning vorgenommen – gravierende Unterschiede sucht man mit der Lupe. Manche dürfte das stören, ich fand es nicht schlimm, denn vor zwei Jahren gefiel mir der erste Serienteil aus gutem Grund besser als Sucker Punchs „inFamous“: das Spielgefühl war einfach stimmiger.

Prototype 2
Zum Vergrößern anklicken

Daran hat sich in „Prototype 2“ nichts geändert. Ob Alex Mercer oder James Heller – ihr seid eine wandelnde Killermaschine, ein Wirbel der Zerstörung, dem selbst die dicksten Gegner kaum gewachsen sind. Ihr seid zwar nicht unbesiegbar, aber fühlt euch mächtig – ein Effekt, der sich in „inFamous“, wo Cole trotz Superkräften problemlos von beliebigen Gang-Mitgliedern abserviert werden kann, nie einstellen wollte. Ihr lauft Wolkenkratzer hoch, springt hunderte Meter weit, reißt Raketenwerfer und Geschütze von Hubschraubern und anderen Fahrzeugen herunter, um sie wortwörtlich mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen – genau dieser Kraftrausch macht „Prototype 2“ so ungemein spaßig.

Um den Einstieg in „Prototype 2“ zu erleichtern, habt ihr diesmal von Beginn an Fähigkeiten zur Verfügung, die ihr im Vorgänger erst freispielen musstet. Eine neue Kraft ist die Biobombe, mit der ihr, sofern ihr sie versteckt einsetzt, Feinde ablenken könnt. Alex Mercers „Musclemass“-Fähigkeit wurde in „Prototype 2“ weggelassen, dafür gibt es jetzt die „Ranken“, mit denen sich Gegner in einer Art klebriger Fäden fangen lassen. Das dürften die tiefgreifendsten Änderungen gegenüber dem ersten Teil sein. Insgesamt ist „Prototype 2“ allerdings eine sichtlich feinere, flüssigere Erfahrung – zumindest das verdient Anerkennung. Und: Why fix what isn’t broken – richtig?

Prototype 2
Zum Vergrößern anklicken

Und was gibt’s sonst noch?

Sieht man von seiner Action und Gewalt ab, ist „Prototype 2“ leider ein höchst unscheinbares Spiel. Die Story, obwohl weitaus weniger konfus als noch beim Erstling, ist dünn wie Papier. James Heller bleibt bis zum Schluss ein recht farbloser Protagonist ohne Tiefgang oder Seele – ein von Rache getriebener Kratos-Verschnitt, wie wir ihn schon aus hundert anderen Action-Titeln kennen. Bleibt also nur das Gameplay, um „Prototype 2“ zu einer einprägsamen Erfahrung zu machen. Hier tut sich, abseits von Chaos und Zerstörung, allerdings auch nicht viel. Ein paar Nebenmissionen wie das Einsammeln von Kisten innerhalb eines (sehr knapp bemessenen) Zeitlimits oder die (möglichst unbemerkte) Konsumierung von Schlüsselpersonen sorgt nicht gerade für großartige Abwechslung. Besitzern des ersten „Prototype“ dürfte das Sequel aufgrund der marginalen Neuerungen wie ein Song von 009 Sound System erscheinen – habt ihr einen gehört, kennt ihr alle. Dieser Umstand dürfte Fans des Erstlings (oder von 009 Sound System) möglicherweise egal sein, wird die Zielgruppe des Franchise aber nicht unbedingt vergrößern.

Stichwort Unscheinbarkeit: Obwohl ich „Prototype 2“ erst vor wenigen Tagen durchgespielt habe, musste ich beim Schreiben dieses Reviews scharf nachdenken und mich fragen, was an dem Spiel denn nun interessant oder besonders war – spontan war ich nämlich tatsächlich etwas ratlos. Meine Antwort: Durch New York fetzen und alles töten und zerstören, was nicht bei drei auf den Wolkenkratzern ist – das ist der brachiale Reiz von „Prototype“. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und da mein (Anti-)Held Wände hochlaufen kann, würde ich alles, was sich auf die Wolkenkratzer gerettet hat, trotzdem kriegen. Har Har.

Prototype 2
Zum Vergrößern anklicken

Fazit, Sebastian Meinke

„Prototype 2“ ist die perfekte Zerstörungsorgie für zwischendurch. Es ist kein episches Meisterwerk und die Chancen sind groß, dass ihr bereits einen Tag, nachdem ihr es durchgespielt habt, die Hälfte davon wieder vergessen haben werdet. Aufgrund des stimmigen Spielgefühls und des spaßigen, kurzweiligen Gameplays kehrte ich jedoch immer wieder gerne nach New York Zero zurück, was mehr ist als ich über den Konkurrenten „inFamous“ sagen kann. Wer seinen inneren Soziopathen ausleben möchte, sollte spätestens bei der ersten Preisreduktion zuschlagen.

Schlagworte: , , , , , , , , ,

Kommentieren