Review: Silent Hill: Downpour (PS3)

„Silent Hill“, wie Fans es kennen und fürchten

Wieder einmal begeben sich Horror-Freunde unter den Gamern nach Silent Hill. Wieder einmal wechselte Konami den Entwickler – diesmal kamen die tschechischen Newcomer von Vatra Games zum Handkuss. Ob es sich bei „Silent Hill: Downpour“ – wieder einmal – um eine Enttäuschung handelt, erfahrt ihr, wenn ihr weiterlest.

Prison is Hell!

Wie alle Ableger von „Silent Hill“ bietet auch „Downpour“ einen neuen Protagonisten samt eigener Hintergrundgeschichte. Das jüngste Opfer der verfluchten Kleinstadt ist Murphy Pendleton, der sich auf dem Weg in ein Hochsicherheitsgefängnis befindet. Leider unternimmt er diese Reise nicht freiwillig – er ist einer der Häftlinge, die überstellt werden. Während des Transports gibt es jedoch einen Zwischenfall, der Murphy die Freiheit beschert. Zu dumm, dass er nur wenige Meter vor Silent Hill gestrandet ist. Dass nichts von alldem Zufall war, dürfte Serien-Veteranen klar sein. Doch was zieht diesen Häftling an den dunkelsten und gefährlichsten Ort der Welt?

Ebenfalls typisch für „Silent Hill“ gestaltet sich die Entwicklung der Story: Der Spieler weiß anfangs absolut nichts über Murphy – nicht einmal, wieso er überhaupt im Knast ist. Ist er ein Schwerverbrecher oder in Wahrheit unschuldig? Diese und andere Fragen werden Stück für Stück im weiteren Spielverlauf beantwortet, wobei ihr niemals mehr als unbedingt nötig erfahrt und die meisten Informationshäppchen mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Genau diese Form des Storytelling habe aber zumindest ich schon immer an „Silent Hill“ geliebt, weshalb ich froh bin, dass Vatra Games in die selbe Kerbe schlägt, statt ihren Helden schon im Vorfeld durch Eigenschaften wie „gut“ oder „böse“ zu definieren.

In Sachen Gameplay hat sich gegenüber dem indirekten Vorgänger „Silent Hill: Homecoming“ einiges geändert. Lag der Fokus damals noch auf einem kernigen Kampfsystem, ist der Franchise in „Downpour“ zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Im Klartext: Kämpfen ist unbequem und chaotisch, weshalb man gut daran tut, Konfrontationen insbesondere mit mehreren Feinden zu vermeiden. Seid ihr gerade nicht damit beschäftigt, euer virtuelles Leben gegen allerlei surreale Kreaturen zu verteidigen, dürft ihr euch den Kopf an knackigen Rätseln und Puzzles zerbrechen.

Silent Hill: Downpour
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Eine weitere Neuerung: Das Städtchen Silent Hill ist nun nicht mehr so linear wie in „Homecoming“, sondern lädt in einer Art „Semi-Open-World“ zur Erkundung ein. Mit „Semi“ meine ich, dass die Spielwelt nicht wirklich „offen“ ist, da die meisten Häuser unzugänglich sind und man daher von den Entwicklern durchaus mehr oder weniger in von ihnen gewünschte Bahnen gelenkt wird. Allerdings wird euer Forscherdrang belohnt, denn nur wer stets die Augen offen hält, findet die vielen kleinen Sidequests, in denen ihr rastlosen Geistern der früheren Bewohner von Silent Hill dabei helft, ewige Ruhe zu finden, oder diversen Mythen der Kleinstadt auf den Grund geht. Inhaltlich könnten die meisten dieser Mini-Aufgaben direkt aus Episoden der „Twilight Zone“ entlehnt worden sein – eine durchaus willkommene Abwechslung zur geradlinigen Hauptstory.

All das klingt zwar ganz nett, aber weder innovativ noch überragend. Die eigentliche Stärke von „Downpour“ liegt in seiner Atmosphäre. Als „Silent Hill“-Fan hatte ich beim Spielen das Gefühl, dass Vatra Games die klassische Quadrologie von Team Silent wirklich verstanden und verinnerlicht hat. Seit 2004 kam kein anderer Serien-Ableger so nah an die ursprüngliche Spielerfahrung von „Silent Hill“ heran. Das zermürbende Gefühl totaler Einsam- und Hilflosigkeit, das der Franchise seinerzeit so perfekt wie kein anderer transportiert hat, ist in „Downpour“ endlich wieder richtig spürbar. Gruselig fand ich das Spiel zwar nicht, aber das ist egal – völlig kalt lassen wird es mit Sicherheit niemanden.

Silent Hill: Downpour
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Die dunklen Seiten von Silent Hill

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Dies gilt nicht nur für die zwei Dimensionen von Silent Hill. Auch die Umsetzung von „Downpour“ ist ein Drahtseilakt zwischen „exzellent“ und „katastrophal“, beginnend bei der Story. Diese wird zwar, wie schon erwähnt, gut erzählt und bleibt bis zum Schluss spannend und mysteriös, allerdings entbehrt sie in vielerlei Hinsicht jeglicher Logik. So wird beispielsweise nie erklärt, was es nun eigentlich mit dem Markenzeichen des Spiels, dem nahezu omnipräsenten Gewitter, das über der Stadt liegt, auf sich hat („Downpour“ = Regenguss). Wieso machen schwere Niederschläge die Monster wilder und zahlreicher? Nichts davon wird jemals erklärt – ein Armutszeugnis für einen Titel, der Teil eines so storylastigen Franchise ist.

Die inkonklusive Plot ist aber noch das kleinste Problem von Vatra Games‘ erstem großen Projekt.

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„Silent Hill: Downpour“ spielt sich nicht nur wie die klassische Quadrologie von Team Silent, sondern übernahm auch eine von deren größten Schwächen: Rätsel und Puzzles, die hart an der Grenze zur Unlogik oder Absurdität entlang schrammen. Selbst ich als „Silent Hill“-Fan muss zugeben, dass Team Silent bei ihren Knobeleinlagen häufig nach dem „Monkey Island“-Prinzip von „Suche Items und probiere solange damit herum, bis sich irgendeine Lösung ergibt“ vorgegangen ist, was vor allem in „Silent Hill 3“ nicht immer toll war und heutzutage einfach so nicht mehr akzeptabel ist. Es ist kein totaler „Game-Breaker“, aber es frustriert und mindert den Spielspaß enorm, weil der Flow immer wieder durch zähe Phasen, in denen man auf der Suche nach einer Lösung durch die Pampa stapft, gebrochen wird. Man hat keine Zeit und Nerven mehr, auf feine atmosphärische oder audiovisuelle Details zu achten, weil man nur die Lösung des aktuellen Puzzles im Kopf hat – in gewisser Weise demontierten die Entwickler dadurch die größten Stärken ihres Spiels.

Natürlich gibt es auch ein Wiedersehen mit Silent Hills „Otherworld“, einer düsteren und surrealen Version der „Wirklichkeit“. Hier haben sich die Entwickler offenbar beim Spin-off „Silent Hill: Shattered Memories“ bedient, was bei mir die Alarmglocken schrillen ließ, da ich „Shattered Memories“ akzeptabel, aber nicht toll fand. Und ich hatte Recht.

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Warum Climax kein gutes Vorbild ist

In der „Otherworld“ wird man die meiste Zeit über durch den Level gehetzt. Schuld daran sind aber nicht etwa unbesiegbare Monster, wie es noch in „Shattered Memories“ der Fall war, sondern ein schwarzes Loch, das euch verfolgt und einzusaugen droht. Immerhin ist das Leveldesign bei weitem nicht so furchtbar wie im letzten Fauxpas der Climax Studios, weshalb diese Sektionen mit ein wenig Trial-and-Error relativ frustfrei bewältigt werden können. Mies wird es erst gegen Spielende, wo sich Monster und Fallen in der „Otherworld“ ein Stelldichein geben und eure Versuche, dem Bildschirmtod durch das schwarze Loch zu entgehen, deutlich behindern.

Auch beim Kampfsystem dienten die Climax Studios als Vorbild – genauer, deren Prequel „Silent Hill: Origins“ -, was bedeutet, dass Melee-Waffen nach ein paar Schlägen oder Blocks zerbrechen. Im Unterschied zu „Origins“ könnt ihr aber nur eine einzige Schlagwaffe im Inventar haben. Da ihr mit bloßen Fäusten keine Chance habt, lauft ihr wie ein aufgescheuchtes Huhn umher und sucht die Umgebung nach Gegenständen ab, die zur Selbstverteidigung dienen könnten – die ganze Zeit mit einem oder mehreren Monstern im Rücken. Klingt schön hektisch, nicht? Klingt so, ist es aber nicht, da Silent Hills albtraumhafte Kreaturen an Aufmerksamkeitsdefizit leiden – sie geben die Verfolgung meist schon nach wenigen Metern auf und sehen euch im Nebel nicht einmal dann, wenn ihr fünf Meter von ihnen entfernt seid. Die Frage, die sich daher in erster Linie stellt, ist: Wozu überhaupt kämpfen, statt einfach an sämtlichen Gegnern vorbeizulaufen?

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Eine Frage, die sich wohl auch die Entwickler gestellt haben, weshalb sie euch in Situationen bringen, wo Kämpfen unvermeidlich ist. Gerade im letzten Level werdet ihr durch die Enge und Linearität eurer Umgebung ständig dazu gezwungen, allem, was sich euch in den Weg stellt, das Licht auszuknipsen. Hier wird deutlich, wie lästig und schwach das Kampfsystem von „Downpour“ eigentlich ist. Der größte Fauxpas: Man kann Gegner nicht anvisieren, sondern nur „auf gut Glück“ in deren Richtung schlagen oder blocken. Kämpfe sind dadurch nervenaufreibender und langwieriger als sie hätten sein müssen – was angesichts des nächsten Problems aber keine schlechte Sache ist.

Wofür gibt es die Sidequests eigentlich? Sie haben kaum bis gar keinen Mehrwert für die Story und belohnen euch in der Regel nur sehr unzureichend – was also rechtfertigt ihre Existenz? Die Antwort ist ganz einfach: Sie sollen die Spielzeit strecken. Subtrahiert man nämlich die Sidequests und das damit verbundene Backtracking, ist „Silent Hill: Downpour“ ein relativ kurzes Vergnügen und zweifellos der bislang kürzeste Serien-Ableger. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Spiel lächerlich einfach ist. Ich habe „Downpour“ für dieses Review auf „Hard“ durchgespielt und hatte kurz vor Schluss einen Berg an First-Aid-Kits und mehr als genug Munition für diverse Schusswaffen. Vergangene „Silent Hill“-Titel stellten eine deutlich größere Herausforderung dar.

Silent Hill: Downpour
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„Gruselige“ Umsetzung

Die Technik des Spiels ist ein zweischneidiges Schwert. „Silent Hill: Downpour“ basiert auf Epic Games‘ Unreal Engine 3 und erbte daher zwangsläufig deren Schwächen (wie das Nachladen und „Aufpoppen“ von höher aufgelösten Texturen). Hinzu kommt ein quasi omnipräsentes Ruckeln (auf den Straßen von Silent Hill ist es sehr schlimm und nervt schnell) und Tearing (das sich allerdings auf das obere Bildschirm-Fünftel beschränkt und dem Spieler meist nicht auffällt) – trotz vier GB Zwangsinstallation auf der PS3. Immerhin bekamen Besitzer der Sony-Konsole als Ausgleich einen optionalen 3D-Modus spendiert, der ziemlich gelungen ist und das düstere Ambiente noch einmal angenehm aufwertet.

Besondere Aufmerksamkeit meinerseits galt dem Soundtrack. Nachdem Akira Yamaoka Konami 2010 verlassen hat und zu Grasshopper Interactive gegangen ist, musste ein neuer Komponist für „Silent Hill“ her. Da Akira Yamaoka ein verdammter Großmeister seines Fachs war, hatte ich große Bedenken, dass Konami diesen Teil von „Downpour“ versauen würde.

Silent Hill: Downpour
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Ist der Soundtrack von „Silent Hill: Downpour“ denn nun misslungen? Nein, absolut nicht. Ist Daniel Licht ein guter Komponist? Zweifellos. Ist Daniel Licht ein Ersatz für Akira Yamaoka? Definitiv nein. Dies liegt hauptsächlich daran, dass Licht sein eigenes Ding durchzieht, statt seinen beliebten Vorgänger einfach zu kopieren, was ich absolut begrüße. Er drückt dem Spiel durch seine Musik einen atmosphärischen Stempel auf, der für sich bereits eine klare Trennlinie zu all seinen Vorgängern darstellt. Der Titelsong „Silent Hill“ von Jonathan Davis ist da nur die Spitze des musikalischen Eisberges.

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass ich ungeachtet meiner großteils harschen Kritik hoffe, dass Konami Vatra Games aus ihren (zahlreichen) Fehlern lernen lässt, statt den Franchise erneut weiterzureichen, denn die Tschechen haben auf jeden Fall Potenzial. Ich würde gerne ein weiteres „Silent Hill“ von ihnen sehen, nachdem ich von „Silent Hill: Downpour“ im Großen und Ganzen doch positiv überrascht wurde.

Fazit, Sebastian Meinke

„Silent Hill“, was soll ich bloß mit dir machen? Auf der einen Seite hat mir „Downpour“ sehr gefallen – die Atmosphäre ist super und die Story spannend und gut erzählt, auf der anderen ist das eigentliche Gameplay eine Serie von Fehltritten und insbesondere die unlogischen und langwierigen Puzzles sorgen für Frust. Ob „Silent Hill: Downpour“ etwas für euch ist, hängt von eurer Toleranz für tiefe Design-Schnitzer und technische Patzer ab. Wer hingegen zugunsten von Präsentation und Spielgefühl über derartige Probleme hinwegsehen kann, erhält mit „Downpour“ den besten Mindfuck seit langer Zeit.

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