In der kommenden Aufnahmephase für das Medizinstudium sorgt die Medizin-Uni Wien mit einer drastischen Maßnahme für Aufsehen: Aufnahmetests werden diesmal getrennt nach Geschlechtern bewertet. Man reagiert damit auf das schlechtere Abschneiden der Anwärterinnen im Vergleich zu den Männern.
Am 6. Juli finden an allen drei medizinischen Universitäten Österreichs wieder die Eignungstests (EMS-Tests) für das Medizinstudium statt. Die Medizinische Universität Wien wird deren Resultate jedoch diesmal getrennt nach Geschlechtern auswerten, wie das Institut bereits im Dezember 2011 in seinem Mitteilungsblatt verkündete.
Frauen bei derzeitigem Test benachteiligt
Hintergrund dieser Maßnahme ist, dass der EMS-Test laut der Vizerektorin für Lehre, Karin Gutierrez-Lobos, Frauen benachteiligen würde, was wissenschaftlich umfassend belegt sei: Der Test würde Aufgaben enthalten, bei denen weibliche Teilnehmer prinzipiell schlechter abschneiden.
Die gemeinsame Auswertung der Testresultate beider Geschlechter hat etwa 2011 dazu geführt, dass zwar 55,9 Prozent der Studienbewerber an der Medizinischen Universität Wien Frauen, allerdings nur noch 43,1 Prozent der Zugelassenen weiblich waren. Aus diesem Grund soll künftig eine neue, geschlechterspezifische Auswertungsmethode bei der Bewertung Chancengleichheit sicherstellen.
Die Zulassung zum Medizinstudium erfolgte bisher über den Testwert, der sich aus der Gesamtpunktezahl und dem Mittelwert berechnet. Ab der kommenden Aufnahmephase im Sommer wird der Mittelwert jedoch für beide Geschlechter getrennt festgelegt. Dadurch wird ermöglicht, dass eine Frau etwas schlechter abschneidet, dank „Ausgleichsfaktor“ bei der Bewertung aber gleich gut mit einem Mann gereiht wird.
Dieser Umstand ist nicht alleine für ÖsterreicherInnen interessant: Da die neue Auswertungsmethode künftig für alle Studienanwärter der Medizin-Uni Wien gilt, dürften auch Studienanfängerinnen aus dem europäischen Umland, wie etwa Deutschland, leichter an einen Studienplatz kommen.
Zweierlei Maß für Frauen nötig?
Wenig Begeisterung oder Verständnis für die geplante Positivdiskriminierung gibt es von der Österreichischen HochschülerInnenschaft. „Dies stellt eine deutliche Diskriminierung beider Geschlechter dar. Medizinstudentinnen könnten zukünftig als ‚Quotenfrauen‘ abgestempelt werden, auch wenn sie von der geschlechtsspezifischen Auswertung nicht profitiert haben“, warnt Christian Orasche, Vorsitzender der ÖH Medizin Wien. Die Studentenvertreter lassen derzeit prüfen, ob diese Form der Testauswertung den gesetzlichen Vorgaben entspricht und kündigen an, im Falle von Rechtswidrigkeit Studienwerber, die wegen der neuen Auswertungsmethode nicht zum Zug kommen, zu unterstützen.
„Für mich stellt sich die Frage: Haben Frauen es nötig, mit zweierlei Maß gemessen zu werden?“, kommentierte Josef Smolle, Rektor der Medizin-Uni Graz, den Vorstoß seiner Wiener Kollegen. „Ich glaube, dass die mildere Beurteilung kein gutes Signal für die Frauen ist“. Smolle betonte weiter, er sei davon überzeugt, dass völlige Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern herrsche und sprach sich für die österreichweite Vereinheitlichung der Eingangstests aus. Auch an der Medizin-Uni Innsbruck will man die weiblichen Bewerberinnen nicht milder beurteilen, wie es auf Nachfrage von derStandard.at heißt.
Aus dem Wissenschaftsministerium heißt es, dass Fragen rund um den „Gender-Gap“ bei den Aufnahmeverfahren derzeit zwischen Vertretern der drei Medizin-Unis, des Bildungs- und des Wissenschaftsministeriums diskutiert würden. „Grundsätzlich liegt es aber in der Autonomie der Unis, wie sie ihre Aufnahmeverfahren konkret ausgestalten“, so Generalsekretär Friedrich Faulhammer.
Quelle: ORF | derStandard.at | ÖH Medizin Wien
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