SNAKE? SNAKE? SNAAAAAAAAAAAAAAKE!?
Mit rund drei Monaten Verspätung gegenüber Amerika und Japan kommen nun endlich auch wir Europäer in den Genuss von Hideo Kojimas sehnsüchtig erwarteter Spielesammlung. Unser Review verrät euch, ob die enthaltenen Last-Gen-Klassiker nur etwas für Retro-Fans sind oder ob sie dem brutalen Zahn der Zeit erfolgreich trotzen konnten.
Wer noch nie etwas von „Metal Gear Solid“ gehört hat, lag die letzten 20 Jahre entweder im Koma oder entwickelte erst vor ein paar Minuten ein Interesse für Videospiele. Das Epos rund um den Spezialagenten Solid Snake begründete 1987 schließlich ein völlig neues Genre: Stealth. Nicht wildes Geballer, sondern unbemerkt zu bleiben ist der Schlüssel zum Erfolg. Solltet ihr von Feinden entdeckt werden, ist es ratsam, vom Kämpfen abzusehen und möglichst schnell zu fliehen, da ihr ansonsten ob der schieren Menge eurer Verfolger schnell ins Gras beißt. Weitere Merkmale der Saga sind der titelgebende, mit Nuklearwaffen bestückte Kampfmech „Metal Gear“ in seinen verschiedenen Variationen, eine Truppe charismatischer Bosse mit Superkräften und Hideo Kojimas Hang zur Seifenopern-Dramatik. Klingt komisch, aber funktioniert – nicht umsonst ist das „Metal Gear“-Franchise eines der besten Pferde in Konamis Stall.
Nach dieser Einführung kommen wir gleich zum ersten Baustein dieser Sammlung – „Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty“.
Mit Atomwaffen gegen Internetzensur
Zwei Jahre nach den Vorfällen auf Shadow Moses Island tauchen Informationen über den neuen, mächtigen “Metal Gear RAY” auf, an dem die U.S. Marines arbeiten sollen. Während Snake einen als Öltanker getarnten Transporter infiltriert, um die Existenz des Prototypen zu bestätigen, versuchen gleichzeitig russische Kommandos, diesen zu stehlen. Doch nichts ist, wie es scheint und die Entführung des Tankers ist lediglich die Ouvertüre eines globalen Machtkampfes um die Zukunft der menschlichen Zivilisation.
Schleicht ihr anfangs noch als Solid Snake auf der Suche nach Informationen durch den Tanker, übernehmt ihr nach knapp einem Drittel der Geschichte die Kontrolle über den (damaligen) Serien-Neuling Raiden, der durch seine gutgläubige Naivität nicht nur spielerisch einen Kontrast zur Tanker-Story des abgehärteten und zynischen Snake darstellt.
Ebenfalls mit dabei sind die Erweiterungen der „Substance“-Neuauflage von 2003: Über 400 VR-Missionen warten darauf, von euch in Angriff genommen zu werden. Wer bisher zu wenig von Solid Snake gesehen hat, darf fünf Mini-Abenteuer – die „Snake Tales“ – mit seinem Liebling bestreiten. Abschließend kann man sich in „Boss Survival“ allen Bossen und Zwischengegnern der Story-Modus hintereinander stellen.
Genug von den „Sons of Liberty“, auf in den Kampf gegen Sowjets, Verräter und Snakes leeren Magen!
Big Boss spielt „Snake Eater“
In „Metal Gear Solid 3“ übernehmt ihr nicht etwa die Rolle des Titelhelden Solid Snake, sondern die seines biologischen Vaters, Big Boss, der im Jahr 1964 allerdings noch keine Legende, sondern ein Grünschnabel mit dem Codenamen „Naked Snake“ war. Ihr begleitet Snake auf seine erste große Mission: Er muss in sowjetisches Territorium eindringen und den Überläufer Dr. Sokolov in Sicherheit bringen. Die „Virtuous Mission“ sollte aber nur der Anfang sein: Plötzlich findet sich Snake inmitten einer explosiven Verschwörung wieder, die den Kalten Krieg aufzuheizen droht.
Der Großteil des Spiels ist diesmal nicht in schwer bewachten Festungen angesiedelt, sondern im tiefsten Dschungel. Hier gilt es, die Umgebung zu nutzen, um unbemerkt an sein Ziel zu gelangen. Um besser mit eurer Umwelt zu verschmelzen, könnt ihr Snake nun mit Tarnanzügen und Gesichtsbemalung ausstatten. Neben eurer Lebensenergie müsst ihr außerdem die neue Ausdauer-Leiste im Auge behalten. Je niedriger eure Ausdauer, desto mehr zittern eure Hände beim Zielen und desto schneller können Gegner euch bewusstlos schlagen. Um bei Kräften zu bleiben, müsst ihr regelmäßig essen; glücklicherweise ist der Dschungel ein ergiebiger Gastgeber. Ob Pilze, Früchte oder Tiere – an Nahrung mangelt es in der Regel nicht. Aber Achtung: Nicht alles, was lecker aussieht, muss auch genießbar sein!
Solltet ihr zum Kampf gezwungen und verletzt werden, hilft euch der Urwald ebenfalls weiter. In „Metal Gear Solid 3“ reicht es nämlich nicht mehr, einfach eine Ration einzuwerfen, um jede noch so schwere Blessur zu heilen – ihr müsst Snakes Wunden im neuen Cure-Viewer individuell behandeln. Dazu bedarf es Medizin, die ihr durch das Auflesen von Kräutern herstellt.
Weil es sich um eine Portierung der „Subsistance“-Neuauflage handelt, bekommt ihr zusätzlich zum Hauptspiel einen umfangreichen Theatre-Modus, in dem ihr euch die gesamte „Snake Eater“-Story als einen großen Film anschauen könnt, sowie die beiden Serien-Urgesteine „Metal Gear“ (1987) und „Metal Gear 2: Solid Snake“ (1990) als komplett lokalisierte und leicht aufgehübschte Vollversionen.
Wer jetzt noch nicht genug vom Kalten Krieg hat, darf gleich ein weiteres Mal ausrücken, um einen nuklearen Holocaust zu verhindern.
Mit „Peace Walker“ in die wilden Siebziger
Costa Rica schien in den 1970ern ein Paradies für Söldner aus aller Welt gewesen zu sein, da nicht nur Big Boss‘ Einheit „Militaires Sans Frontieres“ dort ihr Lager aufgeschlagen hat, sondern auch eine mysteriöse Truppe namens „Peace Sentinels“, die dort einen nuklear bestückten Roboter namens „Peace Walker“ entwickeln, um durch atomare Abschreckungspolitik ewigen Weltfrieden zu gewährleisten, welchen Big Boss durch die furchterregende Waffe aber massiv bedroht sieht.
„Metal Gear Solid: Peace Walker“ ist der große Außenseiter dieser Sammlung – in vielerlei Hinsicht. Zum einen fehlt die Story eines kompletten Spiels – nämlich die von „Metal Gear Solid: Portable Ops“ – zum Anschluss an „Metal Gear Solid 3“, weshalb jene, die keine PSP ihr Eigen nennen, im ersten Moment verwundert sein dürften, wieso Big Boss plötzlich kein amerikanischer Agent, sondern der unrasierte Anführer einer Söldnertruppe ist. Glücklicherweise ist die Handlung von „Peace Walker“ so jenseits jedweder Glaubwürdigkeit, dass dieser Umstand keinerlei Rolle spielt.
Leider bietet auch das Gameplay keine Höhenflüge. Da „Peace Walker“ ursprünglich ein Handheld-Titel war, wurde die Story in mehrere kurze Missionen aufgesplittet, die nacheinander absolviert werden. Die Einsätze sind, was ihren Stealth-Gehalt anbelangt, weder besonders komplex, noch besonders schwer. Umso zäher sind allerdings die regelmäßig stattfindenden Bosskämpfe. Wie in „Portable Ops“ halten eure Feinde einiges aus. Strategisches Vorgehen ist trotzdem nicht erforderlich: Ob Raketenwerfer oder Pistolenkugeln – selbst der schwerste Panzer geht irgendwann in die Knie, hält man nur hartnäckig genug drauf. Nach Schwachpunkten muss auch nicht zwingend gesucht werden – Schaden wird einfach überall verursacht. Diese für die Reihe untypische Anspruchslosigkeit überschattet leider das gesamte Spiel.
Das Squad-Feature aus „Portable Ops“ wurde nicht nur beibehalten, sondern ausgebaut. Auf seinen Missionen kann Snake feindliche Soldaten „anwerben“ (= K.O. schlagen und anschließend entführen), die ihn fortan in verschiedenen Bereichen unterstützen. Versierte Kämpfer werden an die Front geschickt, um Prestige zu verdienen, Technik-Nerds entwickeln neue Waffen und Gadgets, Sanitäter heilen eure Truppen und liefern wirkungsvollere Medizin.
Im Singleplayer kommen die Squad-Elemente allerdings kaum zur Geltung, da die meisten ohnehin schon der Authentizität wegen nur mit Big Boss spielen. Auch das Tarn-Gameplay von „Metal Gear Solid 3“ wurde eingeflochten, hat aber aufgrund der Kürze der Missionen und der Masse an Betäubungswaffen nahezu jegliche Relevanz verloren. Ganz anders sieht es im Multiplayer aus, wo die effektivsten Squads aufeinander gehetzt werden. Wer schon immer „Metal Gear Solid“ im „Pokémon“-Stil spielen wollte, wird hiermit seine wahre Freude haben.
Und die Technik?
Die „Metal Gear Solid HD Collection“ stammt aus der Feder von Bluepoint Games, dessen Entwickler bereits für die erste „God of War Collection“ und „Ico & Shadow of the Colossus“ verantwortlich waren. Es ist daher wenig verwunderlich, dass auch Konamis Schleich-Sammlung technisch absolut einwandfrei umgesetzt ist: Gestochen scharfe Grafik, eine butterweiche Framerate von 60 FPS und 5.1 Surround-Sound. Tearing gibt es nicht, Kantenflimmern hält sich dank des Einsatzes von Anti-Aliasing stark in Grenzen. Einzig gelegentliche Slowdowns müssen in den Teilen zwei und drei hingenommen werden, diese scheinen aber an der Leistungsfähigkeit der betagten Grafik-Engine zu liegen.
Die uns vorliegende PS3-Version von „Metal Gear Solid: Peace Walker“ unterstützt außerdem den Transfer von Spielständen zwischen PS3 und PSP, weshalb ihr – sofern ihr das PSP-Original ebenfalls besitzt – eure Jagd nach der besten Crew auch nahtlos unterwegs fortsetzen könnt – ein Feature, das auf der Xbox 360 aus nachvollziehbaren Gründen gänzlich fehlt.
Fazit, Sebastian Meinke
Die „Metal Gear Solid HD Collection“ ist ein klares Muss für Fans und Nostalgiker, da sie hier die zweifellos besten Versionen der enthaltenen Spiele bekommen, die es gibt. Die Saga ist mit Würde gealtert und macht heute fast genauso viel Spaß wie früher. Serien-Neulingen kann ich die Sammlung leider nicht bedenkenlos empfehlen, da es das Fehlen des ersten „Metal Gear Solid“ völlig unmöglich macht, der konfusen Story insbesondere des zweiten Teils zu folgen. Außerdem ist die Entscheidung, „Peace Walker“ ohne den direkten Vorgänger zu integrieren, für mich absolut unverständlich. Darüber hinaus kann ich an dieser Compilation aber nichts kritisieren – zugreifen!
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