Kommentar: Pro-Gaming á la Kim Schmitz

Die Realität schmerzt

Astronaut, Polizist oder Lokführer – normalerweise sind das – auch heute noch – die Traumberufe eines Kindes. Ich hingegen wollte immer Pro-Gamer werden. Mich an die Weltspitze spielen, ein Held der Zockergeneration sein. Dieser Traum hat bis heute überlebt, doch Kim Schmitz hat ihn mir jetzt irgendwie ein Stück weit versaut.

Als Kapitän eines Battlefield- oder CS-Clans meine Jungs in eine dunkle Arena führen – das wollte ich. Jeder kennt meinen Namen. Die versammelte Jugend starrt ehrfürchtig auf die Leinwände, während sich ein epischer Kampf auf dem Schlachtfeld entfaltet. Ein Kampf, den meine Jungs und ich natürlich am Ende unter tosendem Beifall für uns entscheiden würden.

Daraus ist nie etwas geworden. Es ist der Traum eines 13-Jährigen geblieben. Nicht zuletzt, weil immer das schnelle Internet gefehlt hat. Man kann sich als Kind leider nicht aussuchen, ob man in einem Dorf leben möchte oder nicht. Aus meinem Wunsch wurde deshalb nie mehr als ein „TeamGER“-Replika für Knapp 20 Euro, getragen mit Stolz – ganz so, als wäre es ein Richtiges. Auch heute denke ich mir noch so manches Mal: „Was wäre wenn …“. Doch mein Luftschloss hat mittlerweile Risse bekommen.

Grund dafür ist nichtzuletzt ein 38 Jahre alter, sehr rundlicher Deutsch-Finne, der vor einigen Tagen in Australien Hops genommen wurde – Kim Schmitz. Während er jetzt für die meisten Menschen dafür bekannt sein dürfte, sich als Teilhaber an „Megaupload“ nun für möglicherweise dubiose Machenschaften verantworten zu müssen, hat er mich vor allem auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht.

Denn was neben seinem extravaganten Lebensstil noch ans Tageslicht kam: Kim Schmitz war Nummer Eins in „Modern Warfare 3“. Ein selbst aufgenommenes Video im Zeitraffer zeigt Schmitz, scheinbar festgeschraubt in seinen Sessel und ohne jegliche menschliche Bedürfnisse, wie er sich Stunde um Stunde an die weltweite Spitze der Xbox-Server spielt.

Als schließlich die Nummer Eins vor seinem Nick steht, versammeln sich Freunde um ihn herum, Konfetti wird gezündet und ein Kuchen herangebracht. Eine gut aussehende junge Frau klatscht in die Hände: „Congratulaaaations!“ – und ich denke mir nur „Gott, ist das unerträglich“. Dabei ist es das, was ich immer wollte. Aber irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt.

Ich war in meinem Traum nicht Ende 30, übergewichtig und habe, was die meisten von Schmitz nicht wissen, schon drei Kinder. Ich war jung, gut aussehend und überhaupt konnte ich dem Ganzen irgendwie mehr abgewinnen – habe meine Zeit nicht so offensichtlich weggeschmissen. Aber ist das die Realität von Pro-Gaming?

Mittlerweile frage ich mich, wie viele der Top-Spieler, denen ich mich geschlagen geben musste, so aussehen und ihr Leben führen wie Kim Schmitz. Und ist es das wert? War es das je? Zeit, bei einer Runde „Minesweeper“ darüber nachzudenken. Da arbeite ich mich übrigens gerade an die Weltrekordzeit heran.

Bild:
(cc-by-sa) Dave_B_ / Flickr.com

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