Review: GoldenEye 007: Reloaded (PS3)

Das dritte Rad am diesjährigen Shooter-Wagen

Im vergangen Jahr wurden Wii-Spieler bereits vom Remake der wohl bekanntesten Versoftung von Ian Flemings Kult-Spion James Bond beglückt, nun sind die beiden HD-Konsolen an der Reihe. Activisions Rezept: Solide Ballerkost mit Multiplayer-Fokus und einer Priese Nostalgie – geschüttelt, nicht gerührt.

Manchmal sollte man vorsichtig sein, was man sich wünscht. Als ich „GoldenEye 007“ vor knapp einem Jahr auf der Wii gespielt habe, war ich begeistert. Nicht genug, dass der Titel für Wii-Verhältnisse absolute Wahnsinnsgrafik bot, er spielte sich auch so rasant und bombastisch, wie ich es vom großteils eher mauen Shooter-Segment der Nintendo-Konsole nicht gewohnt war. Sicher, Eurocom erfand das Genre mit dem Spiel nicht neu, aber für die Pole Position auf der Wii hat’s allemal gereicht.

Der sprichwörtliche Wermutstropfen war für mich damals aber genau das: „GoldenEye 007“ war ein Wii-Titel und als solcher durch die antiquierte Technik und die schwammige Wiimote-Steuerung in seinem Potenzial beschränkt. Verdammt, dachte ich. Wenn das Ding auf der Wii schon toll ist, wie gut hätte es dann erst auf den beiden Konkurrenz-Systemen werden können, wo in jedweder Hinsicht deutlich mehr drin gewesen wäre? Activision hat mein stilles Verlangen scheinbar erhört – warum ich dennoch nicht zufrieden bin, ist den folgenden Zeilen zu entnehmen.

Für England, James?

„GoldenEye 007“ (gemeint ist das Wii-Original) ist das Remake eines indizierten Ego-Shooters von Rare, der 1997 für Nintendo 64 erschien und neben „Super Mario 64“ schnell zu dessen größtem System-Seller avancierte. Beide Spiele basieren wiederum auf dem gleichnamigen Spielfilm mit Pierce Brosnan als Bond (wenn auch eher lose). Da der Streifen mittlerweile 16 Jahre alt ist und ihn jeder von euch mindestens einmal gesehen haben dürfte, will ich euch nicht mit dem Plot langweilen, sondern lieber darauf eingehen, was sich im spielbaren Remake geändert hat.

Die Entwickler bei Eurocom haben kein simples Update eines alten Lizenzspiels produziert, sondern Story und Thematik ins 21. Jahrhundert geholt. Die Sowjetunion ist Geschichte, stattdessen kämpft Bond nun gegen russische Waffenschmuggler. Gadgets wie Allzweck-Uhr und Taschen-Kamera wichen einem Smartphone. Stichwort James Bond: Pierce Brosnan, der den britischen Agenten im zugehörigen Film mimte und seinem virtuellen Abbild im Shooter von 1997 das Aussehen lieh, ist ebenfalls weg vom Fenster und wurde durch Daniel Craig, den aktuellen Bond-Darsteller, ersetzt – Voiceover inklusive.

Hinsichtlich Gameplay hat sich auch einiges geändert. Da sich der „moderne“ Shooter an „Call of Duty“ zu messen hat, wurde das „GoldenEye“-Szenario kurzerhand mit einer ähnlichen Mechanik verwoben. Man kann Granaten zurückwerfen, über „Iron Sight“ zielen und es gibt sowohl Quicktime-Events als auch eine Menge Explosionen und sonstiges Kawumm. Die Missionen sind prinzipiell identisch zum N64-Shooter von damals, mit ein paar Ergänzungen wie beispielsweise einem luxuriösen Nachtklub, wo eine Kontaktperson ausfindig gemacht werden muss. Die neuen Levels sind übrigens tatsächlich „neu“ – sie waren nicht in der Filmvorlage enthalten.

Interessant ist, dass ihr im Unterschied zum offensiveren „Call of Duty“ auch durch viele Missionen schleichen könnt – solange euch die Gegner nicht sehen, beziehungsweise ihr sie in kein Feuergefecht verwickelt, könnt ihr unbemerkt agieren, was aus meiner Sicht deutlich spaßiger als die „Rambo“-Methode ist.

Remake „Reloaded“?

Trotz aller Neuerungen blieb Eurocom der Vorlage jedoch treu: „GoldenEye 007“ ist zu jeder Zeit so authentisch, als würde man einen aktuellen Bond-Streifen sehen. Es bedient sich des gleichen kalten, schnellen und actiongeladenen Stils wie die aktuellen Kinofilme mit Daniel Craig. Kudos an die Entwickler: Sie haben die Vorlage tatsächlich verstanden, was bei Lizenztiteln selten der Fall ist.

Doch halt – wieso erzähle ich euch von dem Wii-Spiel „GoldenEye 007“, wo ihr doch etwas über das heiße, neue HD-Remake erfahren wollt? Ganz einfach: Es gibt nicht viel darüber zu sagen, da es sich lediglich um ein dickes Grafik-Update handelt.

Das Spiel an sich ist inhaltlich unverändert geblieben – ihr bekommt genau das geboten, was Wii-Besitzern schon letztes Jahr gesehen haben. Als kleinen Bonus packte Activision die neuen MI6-Missionen dazu – eine Reihe loser Einsätze, bei denen ihr euer Können auf die Probe stellen könnt. Ihr selbst legt nämlich die Bedingungen fest, die euch dort erwarten. Je stärker ihr die Daumenschrauben anzieht – je schwieriger ihr es euch also selbst macht – desto mehr Punkte gibt es am Ende, die wiederum in Online-Ranglisten verglichen werden können. Eine nette Idee, die aber weder gut umgesetzt wurde, noch besonders lange motiviert.

„Legendärer“ Multiplayer?

Bisher habe ich kein Wort über den Multiplayer-Modus verloren, was komisch ist, da er im Fokus von Activisions PR-Maßnahmen steht. Meine Erklärung ist so simpel wie ernüchternd: Er ist nicht der Rede wert.

Zeitgenössische Ego-Shooter leiden im Mehrspieler-Segment häufig an einer Krankheit, die ich gerne als „Call of Duty“-Syndrom bezeichne. Auch „GoldenEye 007: Reloaded“ blieb von der Epidemie nicht verschont. Der N64-Shooter von 1997 war im Multiplayer, was ich als mein Ideal beschreiben würde: schnell, locker, unkompliziert. Unfairness gab es nur, wenn man gerade frisch gespawnt ist und wenige Sekunden später ein Kollege mit Body Armor und AK-47 um die Ecke kam. „GoldenEye 007: Reloaded“ liefert das genaue Gegenteil.

Ob hinsichtlich Level-Up-System oder freispielbarer Waffen, Mods und Skins: Der Multiplayer lässt sich am besten als „Call of Duty“ mit Bond-Charakteren bezeichnen. Wer darauf steht, dürfte sich sofort heimisch fühlen – ich verlor schon nach wenigen Runden die Lust, wie es mir bei „modernen“ Shootern immer passiert, weil ich keine Muße habe, erst alle guten Gadgets freizuschalten, ehe ich richtig loslegen kann.

Allerdings dürfte der Multiplayer auch hartgesottene „Call of Duty“-Jünger enttäuschen. Das Problem: Während bei 99 Prozent aller mir bekannten Wii-Shooter der Multiplayer irgendwo zwischen „langweilig“ und „unzumutbar“ rangiert, ist die Konkurrenz bei Sony und Microsoft wesentlich härter. Mir ist generell unklar, was sich Activision dabei gedacht hat, das Spiel ausgerechnet Anfang November zu veröffentlichen, da es sich dadurch nicht nur mit dem erst kürzlich erschienenen „Battlefield 3“, sondern auch mit der Konkurrenz aus eigenem Hause in Form von „Call of Duty: Modern Warfare 3“ messen muss. Dass die Anzahl der Spieler von 8 auf 16 erhöht wurde, dürfte PS3-Besitzer, die gewaltige Online-Schlachten eines „M.A.G.“ oder „Resistance 2“ gewohnt sind, auch nicht vom Hocker reißen.

Auch der Rest des Spiels kann technisch nicht über seine Wurzeln hinwegtäuschen. Die Grafik wurde teilweise sehr schön aufpoliert – und teilweise auch nicht. Schöne Charaktermodelle und Low-Res-Umgebungstexturen, die vermutlich direkt der Wii-Version entnommen und hochskaliert wurden, geben sich hier die Klinke in die Hand. Der Ton allerdings überzeugt. Der Soundtrack, zu dem unter anderem ein Track des kanadischen Djs Deadmau5 gehört, haucht dem Spiel erst richtig Atmosphäre ein und das Voice Acting gewinnt zwar keinen Preis, ist aber im Englischen gut gelungen und im Deutschen immerhin akzeptabel. Die PS3-Version unterstützt zudem PlayStation Move, das ich nicht habe, weshalb ich nicht sagen kann, ob sich „GoldenEye 007: Reloaded“ damit besser als mit dem Standard-Controller steuert.

Fazit, Sebastian Meinke

„GoldenEye 007: Reloaded“ ist wie ein warmer Wodka Martini: Trotz guter Zutaten will er einfach nicht schmecken. Ein aufpoliertes Wii-Spiel kann in HD zwar theoretisch funktionieren, ist in diesem Fall aber einfach zu wenig, um PS3-Besitzer von den Online-Schlachtfeldern der Konkurrenz wegzulocken. So gut „GoldenEye 007“ auf der Wii auch gewesen sein mag, auf den HD-Konsolen wird es im heiß umkämpften Spiele-Winter 2011 einfach von der Flut an Top-Titeln erdrückt. Daran kann auch der von Activision längst überstrapazierte Nostalgie-Faktor nichts ändern.

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