„Jedes Jahr das gleiche Lied, es kommt ein neues ‚Need For Speed‘.“ Inzwischen sind wir mit „The Run“ bei der 18. Auflage der Serie gelandet und schauen einmal, was der neue Zögling von EA Black Box unter der Haube hat. Zeit für Freudensprünge oder doch eher zum Davonlaufen? In unserem Review erfahrt ihr die Antwort.
Der Plot
Mit „Need For Speed: The Run“ begebt ihr euch in das Abenteuer des professionellen Rennfahrers Jackson Rourke. Aus nicht näher genannten Gründen hat unser Protagonist bei einer dubiosen Verbrecherorganisation eine nicht unerhebliche Menge Schulden angehäuft, und kann diese nun nicht mehr abbezahlen. Als letzter Ausweg offenbart sich ein illegales Straßenrennen – der „Run“ – der sich von der West- zur Ostküste der U.S.A. erstreckt. Als Belohnung für den Sieger winkt eine Stange Geld, mit der Rourke seine Schulden endlich abbezahlen und ein sorgloses Leben führen könnte. Eine Kontaktfrau mit feuerroter Mähne namens „Sam“ vermittelt ihm das Rennen, vorausgesetzt er überlasst ihr den Großteil seines Gewinns. Der Rest reicht allerdings immer noch für das Begleichen seiner Schulden, sodass Jackson Rourke einwlligt und ihr mit ihm beim Run dabei seid.
Dass die Story nebensächlich ist, wird schnell klar. Auch wenn unser Mann über beide Ohren im Schuldensumpf sitzt, scheint er dennoch auf magische Weise in der Lage zu sein, sich gleich mehrere fahrbare Untersätze für den Sprung durch die Staaten organisieren zu können. Ihr wählt aus drei möglichen Fahrzeugen aus und habt dann auch schon alles, was ihr für eure Fahrt ins Glück braucht. Vor euch liegen nun 3.000 Meilen Straße (nicht wirklich – aber dazu später mehr), 10 Großetappen und 250 Gegner, die ihr bis zu eurer Zieleinfahrt in New York überholen müsst. Macht euch bereit, für den vermeintlich größten Roadtrip eures Lebens.
Schwach angefangen, stark nachgelassen
Mit dem Konzept von „The Run“ hat EA einen cleveren Schachzug gemacht und sich an dem realen Vorbild des legendären „Gumball“-Rennens bedient. Ähnlich zum Spiel, treffen sich regelmäßig gut betuchte Hobbyrennfahrer, um mit ihren Rennboliden in einem riesigen Roadtrip durch mehrere Länder oder gar Kontinente zu jagen – nicht immer streng nach der Straßenverkehrsordnung. Wer einmal davon geträumt hat, bei so einem Rennen dabei zu sein, findet mit „Need For Speed: The Run“ das baugleiche Szenario. Ohne dabei noch großartig an einer Story feilen zu müssen, gibt die Spielidee allein schon genug Stoff für viel Spiel, Spaß und Abenteuer.
Leider, leider folgt an dieser Stelle nun die große Ernüchterung. Was in der Theorie nach einem großartigen Konzept klingt, kann in der Realität die Feuertaufe nicht überstehen. Und das liegt leider an einer ganzen Menge Potenzial, die man unachtsam am Straßenrand liegen gelassen hat. Eurem großen Straßenabenteuer – dem Traum von Freiheit mit einer wilden Rennfahrermeute vor euch – wird im Spiel der gesamte Glanz genommen und verkommt zum stumpfen Checkpoint-Abfahren.
Roadtrip-Fiasko
Denn der Ablauf von „Need For Speed: The Run“ ist immer der Gleiche: Anstatt tatsächlich 3.000 Meilen freier Strecke vor euch zu haben, auf denen ihr euch eure 250 Gegner bis zum Ziel einteilen müsst, bekommt ihr nur einen Bruchteil der Distanz – und zwar scheibchenweise in Etappen – serviert. In jeder einzelnen Etappe fahrt ihr auf einer linearen Strecke von Punkt A nach Punkt B und müsst dabei eine Anzahl von X Fahrzeugen überholen. Diese Aneinanderreihung von fest-verplanten Kurzstrecken ergibt euren gesamten Run. Nicht einmal die Anzahl zu überholender Gegner hängt von eurem Können ab. In jedem Rennen müsst ihr die maximale Anzahl an Gegnern überholen, ansonsten dürft ihr die Etappe von vorne beginnen.
Das Ganze wiederholt ihr über 10 Großetappen mit unterschiedlichem Terrain in je circa vier bis fünf Einzeletappen. So dürfte „The Run“ insgesamt auf 40-50 Einzelrennen kommen, die jedoch allesamt nur zwischen drei und fünf Minuten dauern. Das führt in letzter Konsequenz dazu, dass der Hauptteil und das tragende Element des Spiels in knapp zwei Stunden(!) durchgespielt ist. Das klingt nicht nur dürftig, das ist es auch!
Wenig Umfang
Neben dem großen „Run“, bleiben euch nur noch zwei weitere Modi, in denen ihr euch vergnügen dürft. Der erste ist der „Challenge“-Modus. Dort könnt ihr alle Etappen aus dem Hauptrennen einzeln anwählen und als Zeitrennen absolvieren. Je nach Abschneiden erreicht ihr Bronze- bis Platinmedallien, die es alle zu sammeln gilt. Simples Prinzip, wenig Tiefgang, wenig Abwechslung.
Besonders frustrierend sind in diesem Modus die enorm langen Ladezeiten, die „The Run“ als zusätzliches Minus verbuchen muss. Durchschnitt sind 40 bis 50 Sekunden Ladezeit pro Versuch, ihr über euch ergehen lassen müsst. Wenn ihr also regelmäßig in den ersten 40 Sekunden durch Fahrfehler eure Platinzeit versaut, gibt es als Strafe die gleiche Zeit zum Laden nochmals oben drauf. Unternehmt ihr drei Versuche, verbringt ihr also gleiche zwei Minuten eures Lebens mit Warten.
Der Multiplayer ist noch der kurzweiligste und wohl beste Teil des Rennspiels. Schnell sind Spiele gefunden und ihr könnt in diversen Rennklassen auf diversen Etappen eure Gegner in Grund und Boden fahren. Das Gameplay innerhalb des Multiplayers ist flüssig und funktioniert gut. Dicker Minuspunkt: Auch hier entstehen aus unerfindlichen Gründen gigantische Ladezeiten von teilweise mehreren Minuten(!) zwischen einzelnen Rennen.
Grafik, Sound & Gameplay
Die Steuerung der Autos ist ein wenig indirekt, jedoch sind sie trotzdem gut zu fahren. Allgemein lässt sich an den Autos wenig aussetzen. Je nach Plattform und Pre-Order oder nicht, habt ihr in etwa 60 Fahrzeuge zur Auswahl – vom Scirocco bis zum Pagani ist viel dabei. Einzig auf Ferraris müsst ihr in „The Run“ verzichten. Ein kleines Manko, aber verzeihbar.
Das Schadensmodell ist relativ oberflächlich. Entweder ihr seid mit einigen Kratzern und Dellen unterwegs, oder ihr verursacht einen Totalschaden, in dem sich das Auto spektakulär in seine Einzelteile zerlegt. Davon habt ihr, je nach Schwierigkeitsgrad, mehrere Male frei und werdet anschließend zurückgesetzt, wenn ihr einmal im Blechhimmel landen solltet.
Über die Grafik lässt sich streiten. „Need For Speed: The Run“ verwendet Battlefields Frostbite-2-Engine und sieht deshalb an und für sich gut aus. Allerdings sorgen nerviges Kantenflimmern und 720p-Texturen auf der PlayStation 3 für deutlich geminderten Spielspaß. Ein bisschen enttäuschend ist das schon.
Der Sound ist hingegen kernig und überzeugt. Imposant dröhnende Motoren und kräftig klirrendes Glas sorgen für die richtige Stimmung. Hinzu kommt ein sorgfältig ausgewählter Soundtrack, den man jedoch weder über Menü abrufen kann, noch werden Song und Künstler im Spiel eingeblendet. Gute Musik bleibt es trotzdem.
Fazit
Alles in allem ist „Need For Speed: The Run“ eine Enttäuschung. Ein fahrlässig schwacher Hauptteil und ein langweiliger Challenge-Modus können einen recht anständigen Multiplayer nicht mehr gut aussehen lassen. Hinzu kommen nervige und zum Teil abenteuerlich lange Ladezeiten, die eine gewaltige Spaßbremse sind. Bild und Ton sind okay, doch vor allem der magere Umfang lässt das Spiel seinen Vollpreis nicht wert sein.
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