Review: L.A. Noire – The Complete Edition (PC)

L.A. NoireDie Beweislast ist erdrückend. Es scheint so, als hätte die Rockstar-Games-Bande ein weiteres Mal zugeschlagen. Die Handschrift der Täter im Fall „L.A. Noire“ lässt keine anderen Schlüsse zu. Doch wie groß ist das Ding, das hier gedreht wurde? Haben wir hier womöglich einen dicken Fisch an der Angel?

Grips anstatt eines nervösen Fingers

Seit Mai schon durften sich Hobby-Detektive auf PS3 und XBox 360 austoben, nun können endlich auch PC-Spieler in den Genuss des lang erwarteten Polizei-Thrillers kommen. In „L.A. Noire“ schlüpft ihr in die Rolle des Polizisten und Kriegsveteranen Cole Phelps. Im Los Angeles der späten 40er-Jahre geht ihr auf Verbrecherjagd gegen alles, was die Stadt unsicher macht. Egal ob Wettbetrüger, Mörder oder Drogenschmuggler – ihr seid der Arm des Gesetzes und müsst dafür sorgen, die bösen Buben (und auch Mädels) wieder hinter Schloss und Riegel zu bringen.

Was in den Trailern ein wenig nach „Grand Theft Auto“ mit Mafia-Charme aussah, spielt sich in der Realität ganz anders und hat wenig mit seinem hocherfolgreichen Bruder zu tun. Stattdessen bedient Rockstar ein ganz anderes Genre. Schnelle Autos und scharfe Waffen findet ihr hier zwar auch, doch sind diese nur Mittel zum Zweck und spielen nur eine untergeordnete Rolle. Hauptwerkzeug ist in „L.A. Noire“ euer messerscharfer Verstand!

Eine Polizeikarriere

Doch nicht so schnell mit den jungen Pferden. Bevor ihr Mordserien auflösen oder Drogenschmuggler dingfest machen könnt, startet ihr euren Dienst erst einmal als gewöhnlicher Streifenpolizist und werdet zu eurem ersten Fall gerufen. Ziemlich schnell stellt sich dabei heraus, dass Cole Phelps, respektive ihr, zu Höherem berufen seid, als die gewöhnliche Straßenkriminalität zu bekämmen.

Bald steigt ihr auf und werdet im Laufe eurer Karriere mehrere Dezernate durchlaufen, bis ihr letztendlich im so genannten „Administrative Vice“ landet und euch um die großen Fische kümmern werdet. Dass die dortigen Fälle weitaus komplexer als ein „gewöhnlicher Mord“ sind, versteht sich von selbst.

Vom Schreibtisch auf die Straße

Euer Dienstalltag beginnt dabei immer gleich. Ihr startet in eurem Revier an eurem Schreibtisch. Euer Dezernatsleiter übergibt euch euren nächsten Fall und ihr macht euch mit eurem Partner, den ihr stets an eurer Seite habt und der je nach Dezernat wechselt, zum Tatort auf. Dort angekommen klärt ihr zuerst einmal die Lage. Bewaffnet mit einem Block und einem Stift – euren wichtigsten Werkzeugen – arbeitet ihr euch durch den Tatort. Ihr begutachtet möglicherweise ein Opfer, sprecht mit Augenzeugen und sammelt Beweise.

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Hier legt ihr den Grundstein für einen erfolgreichen Fall. Mit viel Gründlichkeit und Geduld müsst ihr die Umgebung und ihre Gegenstände absuchen. Das Spiel zeigt euch nicht an, welches ein wichtiges Indiz ist und wie viele es davon gibt! Allein durch Veränderungen in der Hintergrundmusik wisst ihr, ob ein wichtiges Objekt in der Nähe ist. Diese Töne richtig zu deuten, ist jedoch auch nach langer Spielzeit nicht einfach.

Den richtigen Ton treffen

Glaubt ihr, euch alles Wichtige notiert zu haben, geht ihr in der Regel zu euren Verhören über. Eure gesammelten Gegenstände sind eine wichtige Grundlage dafür. Anhand dieser könnt ihr euren Gesprächspartnern weitere Informationen oder in letzter Instanz Geständnisse entlocken – vorausgesetzt, ihr stellt euch clever genug an.

Das ist jedoch nicht immer einfach und in manchen Fällen gar ein wenig unfair. Denn die Antworten auf eure Fragen sind logischerweise nicht immer wahrheitsgemäß. Die Herausforderung und das Problem besteht darin, dies euren Gesprächspartnern zu beweisen. Ihr könnt nämlich auf jede Antwort auf drei verschiedene Arten reagieren: Ihr glaubt sie, ihr zweifelt sie an und setzt eure Person gleichzeitig unter Druck, oder ihr bezichtigt sie offen einer Lüge und werdet das sofort mit einem gesammelten Indiz beweisen müssen.

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Selbst wenn ihr oftmals an den Gesichtern erkennen könnt, dass euch etwas vorenthalten wird, macht es einem das Spiel häufig nicht leicht, angemessen zu reagieren. Setzt ihr euren Gegenüber fälschlicherweise unter Druck, wird er sich verschließen und nicht mehr auf eure Frage antworten – behauptet ihr, dass ihr angelogen werdet, müsst ihr den richtigen Beweis dafür aus eurer Liste finden. Der argumentative Spielraum für „gültige“ Indizien ist dabei leider oftmals groß. Zu oft reagiert ihr deshalb falsch und verliert unwiderruflich wichtige Informationen.

Motion Capturing

Allerdings jammern wir hierbei schon auf hohem Niveau. Denn, dass man in „L.A. Noire“ überhaupt anhand der Gesichter eine Lüge erkennen kann, ist definitiv ein Meilenstein in der Geschichte der Videospiele. Die Entwickler haben einen immensen Aufwand betrieben und die realistischsten Gesichtsanimationen aller Zeiten geschaffen. Mit mehr als 12 Kameras gleichzeitig wurden die Gesichter professioneller Schauspieler aufgenommen um einen nie dagewesenen Grad an Detailgenauigkeit darstellen zu können.

Als Resultat erlebt ihr 100-prozentige Lippensynchronisation und die Möglichkeit, jede Nuance an Emotionen aus den Gesichtern ablesen zu können – inklusive der Möglichkeit, eine Lüge zu bemerken. Ein Zittern der Unterlippe, Augen, die nervös zur Seite schauen – all dies ist in „L.A. Noire“ sichtbar. Jede verhasste Cutscene wird so zu einem absoluten Spektakel. Der Realismus der Gesichter wird nie langweilig und euch jedes Mal auf ein Neues faszinieren!

Die Aufmachung und das Gameplay

Das Motion Capturing ist definitiv revolutionär und wird dem Spiel einen Platz in den Geschichtsbüchern einbringen, der Rest hingegen ist milde gesagt „auf das Nötigste reduziert“. Grafisch bekommt ihr nichts Neues geboten und werdet eher mit unterem Durschnitt bedient. Zwar tut das der Atmosphäre keinen wirklichen Abbruch, den Eindruck, eine veraltete Grafikengine zu sehen, werdet ihr aber nicht los.

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Soundtechnisch sieht das Ganze aber schon wieder deutlich besser aus. Ein stimmiger Jazz-Soundtrack, gute Waffensounds und hervorragende Synchronsprecher lassen auf dem Gebiet keine Wünsche offen. Vor allen Dingen die Titelmusik lässt euch einige Minuten länger als gewöhnlich im Hauptmenü verharren.

Das Gameplay ist gewöhnungsbedürftig aber zweckmäßig. Auf der einen Seite wirkt die Steuerung von Phelps oftmals träge und behäbig, auf der anderen Seite müsst ihr in der Regel aber auch nicht mehr machen, als ihn gemütlich durch den Tatort spazieren zu lassen. Eine Sprinttaste gibt es für die actionreicheren Szenen und wenn es mal schneller gehen soll zwar, auf eine Sprungtaste wurde aber hingegen beispielsweise verzichtet. Ihr gebt eurem Charakter einfach die Richtung vor und er springt für euch, wenn es nötig ist. Auch die Fahrengine fühlt sich rudimentär an, spielt aber ebenfalls keine große Rolle in dem Spiel.

Fazit

„L.A. Noire“ ist anders – in gewisser Weise einzigartig. Es bedient eine ganz andere Sorte von Action. Auf große Stunteinlagen und Massenschießereien wird verzichtet, stattdessen müsst ihr oftmals im Stillen und mit einer ganz anderen Spannung die Bösewichte dieser Welt zur Strecke bringen. Die Atmosphäre und die cinematische Aufmachung ist dabei absolut hervorragend. Authentische Charaktere, gelungene Dialoge und fantastische Gesichtsanimation erschaffen gemeinsam ein spannendes und absolut glaubwürdiges Szenario. Und viel davon gibt es noch dazu: Mit einer Spielzeit von 20-30 Stunden bekommt ihr sehr sehr viel für euer Geld.

Nichtsdestotrotz tauchen hin und wieder technische Mängel auf. Die Steuerung wirkt manchmal ein wenig träge und die Grafik ist auf ihrem Gesamtniveau nicht sonderlich hoch. Störend sind zudem einige frustrierende Action-Einlagen, die aber Gott sei Dank nach einiger Zeit überspringbar sind. Ein weiteres Problem ist, dass die Gesamtstory ein wenig schwach ist. Das Spiel lebt viel mehr von der Arbeit an den einzelnen Fällen, die gelegentlich immerhin miteinander verbunden sind.

Alles in allem ist „L.A. Noire“ aber eine neuartige und spannende Erfahrung. Es sind Spiele wie diese, die einem dauerhaft in Erinnerung bleiben werden. Es reiht sich direkt ein neben „Fahrenheit“ und „Heavy Rain“ – ganz einfach, weil es anders als der Rest ist. Mutig, revolutionär und bringt Abwechslung in die oftmals immer gleiche Welt der Videospiele. Ich glaube, niemand, der „L.A. Noire“ gekauft hat, wird traurig oder enttäuscht auf dieses Spiel zurückblicken – und was kann man von einem Spiel mehr wollen?

Bilder:
© Take-Two Interactive

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