Review: Uncharted 3: Drake’s Deception (PS3)

Der Grund, sich eine PS3 zuzulegen!

Der Schatzsucher Nathan Drake startete kürzlich in sein nunmehr drittes Abenteuer. Doch ist „Uncharted 3: Drake’s Deception“ mehr als ein Grafikblender? Und kann der aktuellste Franchise-Abkömmling auch Muffel wie mich begeistern?

Ich war niemals ein Fan der „Uncharted“-Reihe. Den Hype um Teil 1 verstehe ich bis heute nicht – eine überzeugende Tech-Demo, gewiss, aber komplett ohne spielerische Substanz. Die relativ kurze Singleplayer-Kampagne war gespickt mit unspektakulären, cover-basierten Feuergefechten und langweiligen Kletterpassagen. Spannung kam höchstens dann auf, wenn einen die unpräzise und reaktionsträge Steuerung wieder einmal an den Rand des Verderbens brachte. Außerdem waren Geschichte und Charaktere derart klischeehaft, dass ich mich, wenn ich versuche, mich an die Handlung des Spiels zu erinnern, anstrengen muss, es nicht mit einem beliebigen „Indiana Jones“-Film zu verwechseln. „Uncharted 2: Among Thieves“ war grafisch zwar eine Offenbarung, spielerisch allerdings aufgrund seiner platten Story und des völlig uninspirierten Multiplayer-Modus nicht wesentlich viel besser.

„Warum macht jemand, der genau weiß, dass er mit der Franchise nichts anfangen kann, das Review zu einem so wichtigen Spiel?“, mögt ihr euch nun fragen. Die Antwort ist simpel: Ich hatte Gelegenheit, „Uncharted 3“ auf der diesjährigen Game City anzuspielen, und meine anfängliche Skepsis war im Anschluss wie weggeblasen. Würde das fertige Spiel nur annähernd das Niveau der Messe-Demo halten können, dachte ich, steht uns ein potenzieller Megahit ins Haus. Ich sollte nicht enttäuscht werden. Aber alles der Reihe nach.

Die Wüste ruft

Zum Plot brauche ich nicht viel zu sagen. Wieder einmal begeben sich Nathan Drake und Victor Sullivan auf Schatzsuche. Diesmal wollen sie das „Atlantis des Sandes“, die verlorene Stadt Iram, inmitten der sengenden Hitze der Rub al-Chali, ihres Zeichens die größte Sandwüste der Welt, ausfindig machen. Natürlich sind sie nicht die einzigen mit diesem Ziel, denn die Stadt soll neben unermesslichem Reichtum auch jenes Unheil beherbergen, das die einst fruchtbare Oase vor tausend Jahren ihrem Ende zugeführt hat. Worum auch immer es sich dabei handelt, Katherine Marlowe, einer von Sullivans früheren Klienten, will es haben. Ein Rennen gegen die Zeit beginnt.

Uncharted 3: Drake's Deception
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An den inhaltlichen Grundsätzen von „Uncharted 3“ hat sich im Wesentlichen nichts geändert. Als Nathan Drake schlagt, schießt, klettert und feixt ihr euch durch ein turbulentes Abenteuer, in dem ihr allerlei aus der Saga bekannte Gesichter wiedertrefft. Der Teufel steckt in diesem Spiel ganz klar im Detail.

Die größte Stärke von „Uncharted 3“ ist, dass es sich nicht wie seine Vorgänger anfühlt. Ich hatte an der „Uncharted“-Reihe bisher wahrlich genug zu kritisieren. Die ersten beiden Teile waren an Vorhersehbarkeit und Abwechslungsarmut kaum zu überbieten – „Uncharted 3“ ist anders. Nicht genug, dass es überraschend unvorhersehbar ist und immer wieder Überraschungen hinter der nächsten Ecke warten, auch die spielerische Abwechslung abseits des eben genannten Kern-Gameplay ist groß wie nie. Über Langeweile wird man sich in den zehn bis zwölf Stunden der Einzelspieler-Kampagne jedenfalls zu keiner Zeit beklagen können.

Uncharted 3: Drake's Deception
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Hinzu kommt, dass die Gewichtung innerhalb der Story sichtlich verlagert wurde. Es gibt zwar immer noch viele Klischees und Sprüche mit hohem Fremdschamfaktor, allerdings liegt der Fokus der Einzelspielerkampagne klar auf dem Verhältnis zwischen den Charakteren, insbesondere zwischen Nathan Drake und seinem Mentor Sully. Durch Flashbacks in die Vergangenheit erfährt der Spieler beispielsweise, wie sich die beiden ursprünglich kennengelernt haben und auch Nates Obsession mit Sir Francis Drake wird näher beleuchtet. Ebenfalls neu: Die Geschichte von „Uncharted 3“ kommt gänzlich ohne übernatürliche Monster aus – man kann also wirklich von einer inhaltlichen Auffrischung gegenüber den Vorgängern sprechen.

Uncharted 3: Drake's Deception
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Evolution statt Stagnation

Besonders interessant fand ich das neue, kontextbezogene Nahkampfsystem. Spielten Faustkämpfe bislang eine untergeordnete Rolle, wurde ihnen in „Uncharted 3“ deutlich mehr Beachtung geschenkt. Je nach Objekten in der Umgebung und nach Anzahl der Gegner versucht das Spiel, Keilereien so dynamisch wie möglich in Szene zu setzen. Prügelt man sich beispielsweise in einer Bar, gibt es kein munteres Button-Mashing, sondern eine Vielzahl verschiedener umgebungsbezogener Möglichkeiten, seine Kontrahenten auszuknocken – ob man sie nun über den Tresen wirft, ihnen Flaschen über den Schädel zieht oder sie mit einem Stuhl bearbeitet. Außerdem ist es, wenn man von einem Kontrahenten gepackt wurde, möglich, dessen Kollegen wegzutreten, weshalb man deren Angriffen im Grunde niemals schutzlos ausgeliefert ist. Weiter lassen sich feindliche Angriffe durch rechtzeitigen Drücken von Dreieck kontern. Das System funktioniert meist sehr gut, manchmal überschneiden sich kontextbezogene Kommandos allerdings, weshalb man sich schon mal verdrücken und beispielsweise Dreieck statt Kreis bemüht, weil der Befehl zu schnell gewechselt hat. Dies ist aber leicht verschmerzbar.

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Den Entwicklern schien es generell ein großes Anliegen gewesen zu sein, an den Schwächen der Vorgänger zu arbeiten. Der Feinschliff, den „Uncharted 3“ dadurch bekam, ist an nahezu jeder Stelle sichtbar. Waren beispielsweise die Rätsel und Puzzles in den Vorgängern nicht immer absolut logisch (was mich gerade an „Uncharted 2: Among Thieves“ gestört hat), kommt man diesmal aufgrund entsprechender Schlüssigkeit mit etwas Nachdenken rasch zur Lösung. Ebenfalls positiv: Vorsprünge, die man erklettern kann, sind nun nicht mehr in den Hintergrund-Texturen versteckt, sondern stechen klar und deutlich daraus hervor – tödliche Fehlsprünge wie in den Vorgängern gehören somit der Vergangenheit an. Findet ihr euch jedoch einmal nicht zurecht oder braucht Hilfe bei der Lösung eines Puzzles, greift das Spiel ein und gibt euch die Möglichkeit, einen Tipp abzurufen – und zwar immer und in jeder Situation, während sie in den bisherigen Serienteilen höchst willkürlich verteilt waren. Allerdings wird euch die Inanspruchnahme dieses Features nicht aufgezwungen – seid ihr ehrgeizig genug, könnt ihr euch auch selbst durchbeißen. All das trägt dazu bei, Nathan Drakes jüngstes Abenteuer zu einer spaßigen und nahezu frustfreien, aber trotzdem herausfordernden Erfahrung zu machen.

Uncharted 3: Drake's Deception
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Die Optik von „Uncharted 3“ ist, mit einem Wort, atemberaubend. Niemand, mit Ausnahme von Sony selbst, beherrscht die Hardware-Architektur der PS3 so gut wie Naughty Dog. Models und Texturen sehen toll aus und strotzen vor Detailverliebtheit, weiche und hübsch animierte Feuer-, Wasser-, Rauch-, Licht- und Glow-Effekte geben der Grafik den letzten Schliff. Hänger oder Tearing gibt es nicht. Zudem kommt „Uncharted 3“ ohne Installation auf die Festplatte der PS3 aus. Der Clou dabei: Auch ohne Installation sind die Ladezeiten, abgesehen von einer rund 20-sekündigen Wartezeit beim Startup, wie durch ein Wunder verschwindend gering. Das sprichwörtliche i-Tüpfelchen wäre, würde das Spiel mit 60 statt 30 FPS laufen, allerdings ist das auf einer fünf Jahre alten Konsole wohl zu viel verlangt.Trotzdem: Hut ab und großen Respekt dafür, was Naughty Dog hier geschaffen hat – in meinen Augen ist „Uncharted 3“ zweifellos die neue PS3-Grafikreferenz.

So gut wie „Uncharted 3“ aussieht, so klingt es auch. Der Soundtrack ist durch die Bank exzellent und schafft es, die Stimmung des jeweiligen Augenblicks perfekt zu unterstreichen. Weiter haben die englischen Synchronsprecher durchweg gute Arbeit geleistet. Ihre deutschen Pedanten sind wenigstens akzeptabel, aber kein wirklicher Ersatz. Auch an dieser Stelle gibt es von mir also nichts als Lob.

Uncharted 3: Drake's Deception
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Genug des Lobes – wo bleibt die Kritik?

Ich kann an „Uncharted 3“ tatsächlich kaum etwas wirklich kritisieren. Das Spiel reagiert leicht verzögert auf Eingaben, allerdings ist der Inputlag wesentlich weniger spürbar, als es noch bei den Vorgängern der Fall war. Die Chasing-Szenen, in denen man wahlweise von irgendetwas oder -jemandem verfolgt wird und fliehen muss beziehungsweise selbst zum Jäger wird und einem Flüchtenden nachhetzen muss, lockern das Gameplay zwar auf, wiederholen sich im Endeffekt aber ein bisschen zu oft – doch das ist Haarspalterei.

Bis jetzt habe ich noch kein Wort zum Multiplayer-Modus verloren – aus gutem Grund. Nein, ich behaupte nicht, dass er schlecht gemacht ist, denn das ist er nicht. Wenn überhaupt, dann ist er generisch – und genau das macht ihn überflüssig. Naughty Dog versuchte sich an „Gears of War“ und der „Call of Duty“-Reihe zu orientieren, weshalb es jede Menge Unlockables gibt, von Waffen bis hin zu Kostümen, aber nichts davon treibt den Spieler an und motiviert ihn, da die einzelnen Spielmodi – ob man sie im Team oder alleine im Deathmatch bestreitet – zu belanglos sind, als dass irgendwer „Uncharted 3“ nur wegen seiner Multiplayer-Komponente spielen würde. Dieser Umstand scheint übrigens auch Publisher Sony bewusst zu sein, weshalb „Uncharted 3“ zwar ein Network Pass beigelegt wurde, dessen Aktivierung Voraussetzung für die Nutzung der Online-Modi ist, dieser aber momentan auch kostenlos aus dem PlayStation Store bezogen werden kann.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich betrachte die „Uncharted“-Saga als reine Einzelspieler-Erfahrung – wie viele andere Titel der letzten paar Jahre, wo Ressourcen von grundsätzlich soliden bis sehr guten Singleplayer-Kampagnen abgezogen und in einen halbgaren Mehrspieler-Part investiert wurden, da dieser heutzutage scheinbar per Gesetz vorhanden sein muss. Das verstehe, wer will. Glücklicherweise hat es dem Herzstück des Spiels – eben der Kampagne – in diesem Fall nicht geschadet.

Fazit, Sebastian Meinke

Kein Spiel hat mich dieses Jahr so überrascht wie „Uncharted 3“. Ursprünglich wollte ich es nur testen, um es „abzuhaken“ – entsprechend gering waren meine Erwartungen. Was ich bekam, war eines der intensivsten und hochwertigsten Action-Adventures, die ich je gespielt habe. Intelligente Puzzles und Kletterpassagen und eine witzige, unvorhersehbare Geschichte werden durch abwechslungsreiche Levels und eine bombastische Optik abgerundet. Lara Croft wird sich 2012 jedenfalls verdammt warm anziehen müssen, will sie auch nur den Funken einer Chance gegen Naughty Dogs Abenteuer-Epos haben.

Bilder:
Pressearchiv © Sony Computer Entertainment, Inc.

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