Das Ur-„Stronghold“ ist für viele PC-Spieler ein Klassiker des Strategiegenres. Leider konnte bis auf „Stronghold Crusader“ kein Teil an diesen Erfolg anknüpfen, weshalb die Serie noch heute gern an ihrer Mutter gemessen wird. Kann „Stronghold 3“ endlich der würdige 3D-Nachfolger werden, nach dem sich Burgherren so lange gesehnt haben?
Nostalgische Gefühle
Willkommen Sire! So lässt der geneigte „Stronghold“-Spieler sich gern von seinem Burgensimulator begrüßen. Es geht schließlich um die Verwaltung seiner eigenen Festung, um das Befehligen der königlichen Truppen und das Zufriedenstellen der ansässigen Bewohner. Bei einer solch umfangreichen Aufgabe gehört sich eine höfische Begrüßung, welche auch „Stronghold 3“ in altbekannter Stimme verlauten lässt. Gleich fühlt man sich wieder zurückversetzt in die Zeiten der ersten eigenen Burg, die man in mühsamer Arbeit in das damals zweidimensionale Land erbaute. Zurück zu den Wurzeln der Serie zu gehen, haben sich die Entwickler für diesen Teil vorgenommen. Der erste Eindruck weckt genau dieses Gefühl mit eben dem grüßenden Sprecher, der Auswahlmöglichkeit zwischen der Militär- und Wirtschaftskampagne und dem Auftreten der bekannten Gegner Schwein, Ratte, Schakal und Wolf.
Auch beim Gameplay scheint man sich zunächst komplett an dem ersten Teil orientiert zu haben. „Stronghold“ startet ihr mit einem Bergfried und der wichtigen Entscheidung, wo euer Lagerplatz für Werksmaterialien und Lebensmittel sein soll. Je nach dessen Standort müsst ihr eure Produktionswege anpassen und verteidigen. Bei Fireflys Burgbausimulation war es schon immer gang und gäbe, dass alle Details in der Produktionskette durch nachvollziehbare Arbeitswege schnell offensichtlich wurden. Beispielsweise wird das abgebaute Getreide zunächst zu den Werksmaterialien gebracht, wo es vom Müller abgeholt und verarbeitet wird. Dieser bringt das Mehl zurück zu den Werksmaterialien, wo es schon vom Bäcker sehnlichst erwartet wird, um daraus Brötchen zu machen und diese anschließend in den Kornspeicher zu bringen. Da jedes einzelne Brötchen im Speicher sichtbar ist, könnt ihr anhand des Schwunds direkt beobachten, wie der Bestand allmählich sinkt, und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Das ist nicht nur hilfreich, sondern gibt „Stronghold“ schon seit je her einen großen Atmosphärepunkt.
Wie schon in „Stronghold 2“ gibt es auch jetzt wieder das Ehre-System. Damit könnt ihr mittels spezieller Gebäude Ehre gewinnen, die euch spezielle Einheiten und Gebäude ermöglicht. Ehrengebäude brauchen keinen Zugang zu einem speziellen Ort oder Rohstoff, sondern generieren Serien-untypisch ihre Materialen selbst und stellen aus diesen das angestrebte Gut her. Das vereinfacht das Spiel etwas und lässt das System nicht ganz so überladen wirken wie noch in „Stronghold 2“ – allerdings natürlich auf Kosten von Realismus und Atmosphäre. Ehregebäude bewirken nicht nur Ehrenanstieg, sondern heben durch ihre Produkte unter anderem auch die Stimmung der Bevölkerung.
Neben dieser Neuerung gilt aber die klassische Formel: Desto mehr euch euer Volk schätzt, desto mehr Bürger siedeln sich bei euch an – solange ihr für genügend Wohnraum und Nahrung sorgt. Diesen Neuzugängen könnt ihr dann eine Arbeit zuweisen oder sie zu Kriegern machen. Rüstungen, Schwerter und Bögen müsst ihr dafür in separaten Werkstätten aber erst selbst herstellen. Fehlen euch die Rohstoffe, können euch immer noch Fallen aus so manch misslicher Situation retten. Zum Beispiel habt ihr die Wahl aus Burggräben, heißem Öl oder im Boden versteckten Speeren. Damit ihr wiederum dem Gegner gefährlich werden könnt, braucht ihr Katapulte, Belagerungstürme und Leitern. Das alles will jedoch hergestellt und verwaltet werden. „Stronghold“ bietet damit nach wie vor eine Vielzahl an Möglichkeiten, mit denen sich die Serie schon vor über einer Dekade einen Namen in der Strategieszene gemacht.
Von Wölfen und Ratten
Die Story von „Stronghold 3“ beginnt zehn Jahre nach dem ersten Teil. Der Wolf ist zurückgekehrt und will Rache. Er verschwendet keine Zeit mit komplizierten Komplotten und schickt sofort seine Schergen aus, um euch zu töten. Über seine Motive und Pläne erfahrt ihr mehr in den etwas minimalistisch gehaltenen Zwischensequenzen. Die bestehen aus gezeichneten Bildern, die mit ihrem einzigartigen Zeichenstil zweifelsohne an mittelalterliche Momentaufnahmen erinnern sollen. Während die Kamera über die Zeichnungen schwebt und der Wolf seine blutdürstenden Monologe hält, kommt zum ersten Mal Enttäuschung auf. Die Präsentation kommt nicht an die Vorgänger heran. Es fehlen die Dialoge zwischen den herrlich überzeichneten Gegnern wie eben Wolf und Ratte und die Streitereien eurer Berater, während die Monologe emotionslos und abwechslungsarm wirken. Es ist schade, dass die Entwickler den besonderen Humor und Charme der alten Teile gegen eine düsterere, charakterlosere Erzählweise eingetauscht haben. Immerhin ist einer der königlichen Berater so geblieben wie es war. Er informiert euch auch hier mit überspitzten Bemerkungen im Stil englischen Humors über die Zufriedenheit der Bevölkerung und bringt Missionsupdates.
Seid ihr also über den ersten Enttäuschungen hinweg, befindet ihr euch in der Kampagne schon inmitten einer Belagerung eurer Hauptburg. Ohne eine Chance, eure alte Heimat zu verteidigen, müsst ihr in der ersten Mission um euer Leben rennen. Ihr wagt euch durch die Trümmer eurer einst als Zuflucht dienenden Burg und versucht, aus diesem Alptraumszenario zu entfliehen. Mit euren letzten Männern erwehrt ihr euch den verstreuten Truppen des Schakals, um ein paar Pferde auf der anderen Seite der Burg zu erreichen. Ein spannendes Szenario und ultimativ ein toller Einstieg zu einer Geschichte, die reich an Verschwörungen und Heldentaten sein soll. Doch tatsächlich hat Firefly es geschafft, diese erste und fast jede weitere Mission so langweilig zu präsentieren, dass sie sich anscheinend mit den Zwischensequenzen messen möchte. Die Flucht ist beispielsweise undurchsichtig und zieht sich dadurch endlos. Dass außerdem passende Effekte wie angreifende Belagerungsmaschinen fehlen und die Steuerung gerne hakt, trägt nur negativ zur Stimmung bei.
Wenn der Burgenbau zum Kampf wird
Doch nicht nur bei der Truppensteuerung, auch beim Burgenbau tauchen immer wieder Probleme auf, die den Spielspaß im Keim zu ersticken drohen. Treppen lassen sich beispielsweise nur mit viel Fummelarbeit und Kompromissen an Wänden positionieren. Das ist besonders frustrierend, wenn ihr beispielsweise aufgrund von Höhenunterschieden mehrere Treppen bauen müsst. Häufig müsst ihr Mauern abzureißen, um die Treppen ungefähr da anbringen zu können, wo ihr sie haben möchtet. Aber da hört der Baufrust nicht auf. Zusätzliche Befestigungen an den Burgwänden lassen sich nur mit Glück an der richtigen Seite befestigen und, der schlimmste von allen Steuerungsfehlern, zerstörte Wände lassen sich oft nicht mehr reparieren. Es gibt ein Reperaturtool, doch das verweigert immer wieder den Dienst. Meist ist eure einzige Möglichkeit, die teure Wand komplett abzureißen und erneut zu bauen. Da ihr dafür keine Ressourcen zurückerstattet bekommt, ist das ein erheblicher Nachteil. Es gibt leider auch nicht mal die Garantie, dass danach alles so ist wie es sein soll. Manchmal bleiben Bruchstücke des alten Walls in der Szenerie stecken und lassen sich weder entfernen noch überbauen. Somit müsst ihr euren Wall anpassen und neu planen. Passiert das an derselben Mauer einige Male, ist es kaum mehr möglich den Wall anständig zu ersetzen. Dass „Stronghold 3“ gerade bei diesem zentralen Feature so scheitert, ist nicht nur ärgerlich, es ist regelrecht traurig.
Nur für Veteranen
Dabei sind Instandhaltungen in den Kampagnen euer täglich Brot, denn die meisten Missionen sind so knüppelschwer, dass ihr euer Management schon für die zweite Mission perfektioniert haben müsst – verstellbare Schwierigkeitsgrade gibt es nicht. Nachhaltiges, optisch ansprechendes Bauen wird in den Kampagnen rigoros bestraft. Auch wenn eure kleine Burg nach Chaos aussieht, die Wege so kurz wie möglich zu halten und euch an einen strikten Ablaufplan zu halten, ist der einzige Weg, wie ihr die Ziele erreichen könnt. Doch selbst dann steht euch Frust und Stress pur bevor, denn schon in der dritten Mission der doch eigentlich etwas gemächlicheren Managementkampagne steht ihr einem nicht enden wollenden Wolfsangriff gegenüber. Innerhalb kürzester Zeit müsst ihr viel Holz, Waffen und Nahrung sammeln, um nicht von den Wölfen überrannt zu werden. Eine Sekunde zu viel gezögert, ein Gebäude etwas falsch gesetzt und ihr habt verloren.
Wer keine Lust hat, die lieblose und unbalancierte Kampagne zu spielen, dem bleibt lediglich das Verteidigen oder Belagern von fünf nachgebauten Burgen oder dem freien Spiel übrig. Ein Scharmützel Modus gegen die KI ist nicht existent! Eure einzige Möglichkeit besteht also im Spielen gegen menschliche Burgherren Online. Nur spielt aufgrund der ganzen Macken fast niemand „Stronghold 3“. Diejenigen die es tun, sind erfahrene Spieler, die aus ihrem Kauf alles herausholen wollen und sich von daher durch Macken durchgebissen haben. Dementsprechend spielen diese auch gut. Fangt ihr also erst an, sei euch ein Mix aus dem ersten Teil, einer Anleitung und dem freien Bau Modus ans Herz gelegt.
Trist, grau und verwaschen
Grafisch führt „Stronghold 3“ die Lieblosigkeit des Gameplays fort und bringt sogar seine eigenen Macken mit. Zunächst einmal sind die Farben trist und verwaschen. Es wirkt so, als ob die ganze Szenerie in tiefen Nebel getaucht ist. Selbst bei angeblich Sonnenschein, der eure Gebäude anstrahlen soll, kommt kein Gefühl von Schönheit und Freude auf. Der Look mag zwar dadurch düsterer und auch ein wenig echter daherkommen, doch auf Dauer wirkt Spiel nur traurig und öde. Die geringe Qualität senkt dazu noch die Toleranz gegenüber Fehlern wie falsch gesetztes Terrain, verschwindende Soldaten und allgemeinere Bugs umso mehr. Da hilft auch die tolle Physik beim Einstürzen von Mauern oder dem Fallen von Einheiten nicht. Schlimmer noch, auch diese beinhaltet eine Menge Fehler.
Wenigstens ist neben den eintönigen vertonten Zwischensequenzen soundtechnisch bei „Stronghold 3“ alles in Ordnung. Zu angenehm seichten, teilweise aus dem Ur-„Stronghold“ bekannten mittelalterlichen Melodien gesellen sich je nach Situation passende orchestrale Einlagen. Diese reichen von beruhigend sanft, bis zu actiongeladen und pompös. Euer Berater ist sympathisch und unterhaltsam verton und wenn ihr nah an eure arbeitenden Untergebenen heranzoomt, hört ihr diese sogar die Hauptmelodie des Spiels pfeifen. Zu schade, dass alle anderen Bereiche nicht dieselbe charmante Stimmung erzeugen können.
Fazit:
„Stronghold 3“ hätte so toll werden können. Die Anzeichen wiesen auf eine Rückbesinnung auf alter Werte hin, welche den ersten Teil zu einem solchen Klassiker gemacht haben. Das Ergebnis ist jedoch ein frustrierendes, ödes und fehlerhaftes Spiel, dessen verschenkten Charme man in anderen Teilen erlebt haben muss, um ihn jetzt überhaupt entdecken zu können. Die Faszination, die das Ur-„Stronghold“ ausübte, ist jedoch auch hier zu finden. Eine Burg auszuheben und Angreifer an ihr abprallen zu sehen, ist immer noch so motivierend wie damals. Es gibt nur so viele Fehler und Ungereimtheiten, dass der Weg dahin mehr zu einer Geduldsprobe als einer spaßigen Beschäftigung wird. Die Kampagne ist außerdem völlig unbalanciert und langweilig präsentiert. Kein Vergleich zu den tollen Missionen des ersten Teils. Veteranen können jedoch zu dem Spiel greifen, wenn einige Patches das Schlimmste behoben haben und der Wunsch nach einem Nachfolger zu groß ist. Alle anderen sollten sich den ersten Teil schnappen und sich nicht von der 2D-Optik abschrecken lassen oder auf ein Remake hoffen.
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