Gute Laune in der Hand
Montag, 8 Uhr, eine U-Bahn in Köln. Miesgelaunte Schlipsträger und unmotivierte Studenten mischen sich mit allerlei anderen deprimierten Gestalten und saugen jedes bisschen Freude und Farbe aus der Welt. Jedes bisschen? Nein, ein Spiel leistet Widerstand und weckt mit Bonbon-Musik und viel Charme das Kind in mir.
Während Mario und Link als Nintendos Aushängeschilder und Fan-Lieblinge die immergleichen Spielkonzepte (mit dem ein oder anderem Schliff) präsentieren, darf sich der rosa Allesfresser Kirby gerade in modernen Spielen immer wieder neu austoben. Zuletzt begeisterte er in „Epic Yarn“ auf der Wii wollig seine Fangemeinde, jetzt tobt er sich einmal mehr auf Nintendos DS, DSi und 3DS aus. Und getobt wird in „Mass Attack“ wirklich massenweise, denn Nekrodeus, der Anführer der Schädli-Bande greift Kirbys Heimatplaneten Pop an und macht aus dem untypischen Helden zehn schwächere Kopien, die nun gemeinsam losziehen, um seinen Fluch zu brechen und ihn zu vertreiben.
Allerdings startet ihr euer Abenteuer nur mit einem kleinen Kirby. Um eure Mini-Armee aufzustocken, müsst ihr Früchte sammeln.Für jeweils 100 gibt es dann einen weiteren Kämpfer. Wird ein Kirby verwundet, färbt er sich blau und wartet nur noch auf den Gnadenstoß, trifft dann ein weiterer Schlag, flattern er gen Himmel – wobei ihr auch dann noch die Chance habt, ihn zu retten. Was für einen Unterschied es macht, ob ihr allein oder zu zehnt unterwegs seid, merkt ihr schon recht früh. Größere Kirby-Gruppen räumen auch dicke Feinde in Windeseile aus dem Weg, während euer kleiner Startkämpfer selbst mit den ersten Pflanzenköpfen eine Weile rangeln muss. Bestimmte Objekte lassen sich außerdem nur bewegen, wenn euer Team vollständig ist und jeder Level der vier Welten setzt eine Mindestanzahl an Kirbys voraus. Auch wenn es hier nicht so aufopferungsvoll wie in Nintendos eigenem „Pikmin“ ist – wo sich ganze Pikmin-Gruppen für das Überleben der Gesamtheit opfern mussten -, fällt direkt positiv auf, wie sich das Suchen nach versteckten Früchten auszahlt.
Staubsauger ade
Dieses veränderte Grundkonzept und die erwähnten Rangeleien bedeuten gleichzeitig das Aus für Kirbys legendäre Staubsauger-Fähigkeit. Er mampft sich zwar lustig durch die Level, reduziert das aber auf Obst. Jeden Gegner und dessen spezielle Fähigkeit einsaugen zu können, wäre zwar sicher eine vielseitige Ergänzung gewesen, hätte das Spiel aber auch überladen. Variationsreich ist es mit dem neuen Schema ohnehin auch so und da die Zielgruppe merklich recht jung ist – sowohl Schwierigkeitsgrad als auch Inszenierung sind da sehr deutlich -, hätte so ein Strategieelement die Kids vielleicht auch überfordert.
Die Steuerung geht dafür lockerleicht von der Hand. Während frühe DS-Titel noch das Problem hatten, dass sie zwanghaft klassische Steuerung mit dem neuen Touchscreen kombinieren wollten, ist Kirby da ganz klar weiser. Ihr spielt konsequent mit Touch-Steuerung und müsst so nicht nervig hin und her wechseln. Sollen eure Kirbys laufen oder angreifen, tippt ihr aufs Ziel, sollen sie springen, flippt ihr sie mit einer schnellen Bewegung. Das wars, mehr braucht es nicht für ein klassisches Zehn-Kirbys-Jump’n’Run.
Vielseitig durch die Bonbon-Welt
Langweilig wird das aber trotzdem nie, denn nahezu jeder Level bietet etwas Neues. Sei das klassisch der Wechsel zu Schwimmleveln, bei denen ihr auf euren Luftvorrat achten müsst, eine Art Riesenschildkröte, die auf einen Abgrund zurennt oder ein Heißluftballon, den ihr steuert, indem ihr eure Kirbys im Korb richtig positioniert. „Kirby Mass Attack“ holt unglaublich viel aus diesem recht simplen Konzept raus und kann allein durch die regulären Level stundenlang begeistern. Dass dann auch noch der Anspruch dazu kommt, überall goldene Sterne zu erhalten, indem man die Episoden schafft, ohne dass euer Team auch nur angekratzt wird, macht es zusätzlich knackig – ganz zu schweigen von den Auszeichnungen, für die ihr Level teilweise sehr ausgiebig erforschen müsst. Und wer zwischendurch doch etwas Abwechslung braucht, hat hoffentlich fleißig goldene Münzen gesammelt, denn mit denen schaltet ihr zahlreiche Minispiele frei.
Diese Spiele sind teilweise alles andere als klein, sorgen aber in jedem Fall für gute Unterhaltung. Mit dem vertikalen Shoot’em Up „Strato Patrol EOS“ etwa könnt ihr Stunden verbringen. Da trefft ihr dann bekannte Gegner wieder und dürft sogar weiterhin Kirbys sammeln, mit deren vereinter Macht ihr alles niederballert, was auch entgegen schwebt. Habt ihr nur Zeit für eine kürzere Einlage, finden sich auch dafür nette Minispiele; etwa „Kirby Quest“, eine Quick Time Event-lastige Hommage an die „Final Fantasy“-Spiele früherer Tage. Langweilig wird es mit „Kirby Mass Attack“ auf jeden Fall nur dann, wenn ihr euch in Perfektion verrennt und einen Level zum zehnten Mal wiederholt, um den Goldstern zu bekommen – aber das ist selten.
Viel besser als das eigentliche Spiel ist aber dieser zuckersüße Flair, der es dank der wunderbar bunten Grafik, der positiv energiereichen Musik und zahlreicher süßer Details umgibt. Jede Umgebung ist stimmig cartoonig, dabei aber auch immer treu dem eigentlichen Schema. Ein düsterer Wald ist eben düster, dabei aber gleichzeitig süß und witzig. Der Soundtrack ganz genauso. Allerdings ist das beides auch Grund dafür, weshalb ihr „Mass Attack“ nur spielen solltet, wenn ihr wirklich Lust auf diese Bonbon-Welt habt. So süß Kirby auch winken und „Hallo“ sagen mag, wenn er sich durch Türen bewegt, wenn man mehr auf harte Action steht, wird einem das schnell auf den Geist gehen. Aber dann ist man wahrscheinlich auch nicht Teil der Zielgruppe.
Fazit:
Anderen ist das zu süß, für mich persönlich ist Kirby aber der perfekte Gegenpol in einer viel zu oft viel zu deprimierten Welt. Als wäre diese riesen Portion gute Laune nicht schon Geschenk genug, punkten die Entwickler Hal Laboratory auch noch mit einfach zu erlernenden, aber vielseitig umgesetzten Spielinhalten, sinnvollen Herausforderungen und Sammlitems sowie zahlreichen Minispielen für die zwei Minuten zwischendurch. Während Nintendo größtenteils auf den 3DS umsattelt, ist das noch einmal ein zuckersüßer Leckerbissen, der auch auf der alten DS-Generation noch funktioniert. Zugreifen!
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Schlagworte: 3DS, DS, DSi, HAL Laboratory, Jump'n'Run, kirby, Nintendo, Review