Mit West nichts Neues
Frank West ist zurück! In der Neuauflage von Capcoms Zombie-Blockbuster „Dead Rising 2“ muss er erneut wahren Heerscharen der untoten Gesellen trotzen. Aber was macht „Off the Record“ anders, besser oder schlechter als das Original?
Frank West hatte es geschafft: Nachdem er aus der zombieverseuchten Kleinstadt Willamette entkommen war, ging es für ihn nur noch bergauf. Durch seine Berichterstattung über die Hintergründe der Tragödie wurde er weltberühmt. Kurz darauf schrieb er ein Buch, das zum Bestseller avancierte. Er hatte alles – Luxus, Geld, Frauen. Doch das schöne Leben stieg ihm zu Kopf und sein Stern begann zu fallen. Erst, als Frank in einer billigen Absteige saß, eine Flasche Whiskey in der Hand und eine flüchtige Eroberung in seinem Bett, realisierte er, dass sein einstiger Glanz längst verblasst war. Doch er wäre nicht soweit gekommen, hätte er bei Rückschlägen einfach die Flinte ins Korn geworfen. Im Fernsehen stößt er auf eine Werbung für die Game-Show „Terror is Reality“, in der Zombies zur Belustigung und Unterhaltung möglichst kreativ um die Ecke gebracht werden, und erkannte seine Chance. Wenig später reist er in die Glücksspielmetropole Fortune City, der Nachfolge-Stadt von Las Vegas, das vor ein paar Jahren einem weiteren Ausbruch der Zombie-Seuche zum Opfer gefallen war, um als Special Guest von „Terror is Reality“ zurück ins Rampenlicht zu kommen.
Natürlich laufen die Dinge nicht wie geplant. Unmittelbar nach Franks Auftritt gibt es eine Explosion und die Zombies, die für „Terror is Reality“ gefangen gehalten wurden, strömen plötzlich in die Stadt. Die durch das Chaos verwirrten Einwohner und Besucher sind eine leichte Beute, weshalb bereits wenige Stunden später kaum noch jemand am Leben ist. In einem Schutzbunker trifft Frank auf Stacy, die Sprecherin von C.U.R.E., einer Aktivistengruppe für die Rechte von „Infizierten“. Ihrer Organisation wird von den Medien die Schuld an dem Zwischenfall gegeben, sie beteuert allerdings, dass C.U.R.E. mit der Sache nichts zu tun hat und bittet Frank, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Der abgehärtete Kriegsberichterstatter lässt sich natürlich nicht zweimal bitten und stürzt sich sogleich ins Getümmel – wortwörtlich.
53.594? Nein, sechsstellig!
Wer dachte, die Anzahl der Zombies im ersten „Dead Rising“ sei unglaublich, hat das ursprüngliche „Dead Rising 2“ nie gespielt. Dank neuer Game-Engine traf Chuck Greene dort auf deutlich mehr faulige Feinde, und „Dead Rising 2: Off the Record“ steht dem in nichts nach. Die Untoten sind überall und spawnen immer neu, sobald ihr ein Gebiet verlasst und in ein anderes wechselt.
Was für die Zombies gilt, muss in Folge selbstverständlich auch für die Bewaffnung gelten. Der überwiegende Teil der Alltagsgegenstände, die in der Umgebung aufgelesen werden können, lässt sich nämlich zur Selbstverteidigung verwenden – mit ziemlich abstrusen Ergebnissen. Natürlich stehen auch „Klassiker“ wie Kettensägen, Rasenmäher oder diverse Schusswaffen bereit, um die wandelnden Leichen endgültig ins Jenseits zu befördern. Wolltet ihr euch schon immer einmal dem lebenden Tod mit Dildos, Wasserpistolen oder durch Bewerfen mit CDs trotzen? Hier habt ihr dazu Gelegenheit.
Auch das „Crafting“-Feature aus dem ursprünglichen „Dead Rising 2“ ist wieder mit an Bord, welches euch ermöglicht, aus den unscheinbarsten Items – wie einem Rechen und einer Batterie – wahre Massenvernichtungswaffen zu basteln – MacGyver wäre stolz. Durch das Finden von Bauplänen, so genannten „Combo Cards“, lässt sich die Effektivität der Zombie-Töter Marke Eigenbau noch vergrößern. Zwar sind die Pläne nicht zwingend zum Bau der Waffen erforderlich, allerdings erhöhen sie ihre Schlagkraft und die Anzahl der Prestige Points, die ihr für ihren Einsatz bekommt – doch dazu später mehr.
Neben den aus Teil zwei bekannten Waffen bietet „Off the Record“ fünf neue, exklusive Combo Cards, die sich hauptsächlich Gegenstände aus dem neuen Areal zunutze machen, das Fortune City in Franks neuem Abenteuer spendiert wurde: der Uranus Zone. Dabei handelt es sich um einen Vergnügungspark mit Science-Fiction-Thema, dessen Attraktionen sich hervorragend als „Killzone“ für Zombies eignen.
Die Zeit drängt
Allerdings bietet „Dead Rising 2: Off the Record“ wesentlich mehr als die Vernichtung der untoten Fleischfresser. In Fortune City verstecken sich noch eine Menge anderer Überlebender, die von euch gerettet werden können. Doch nicht alle von ihnen sind euch freundlich gesonnen. Manche nutzen die Katastrophe, um ihrer Gier oder ihren sadistischen Neigungen in einer Welt ohne Recht und Gesetz freien Lauf zu lassen, andere erlitten einen psychischen Zusammenbruch und betrachten euch aus irrationalen Gründen als Feind. Diese „Psychopathen“ fungieren im Spiel als makabere Zwischenbosse.
Doch auch ohne Gewaltanwendung lässt sich in Fortune City wunderbar Zeit totschlagen. Zum einen feiert das Fotografie-Feature des ersten Serienteils sein Comeback. Mit seiner Kamera kann Frank denkwürdige Momente jederzeit für die Ewigkeit festhalten. Zum anderen könnt ihr euer Geld beim Glücksspiel einsetzen. Bares findet ihr in Fortune City an jeder Ecke, ebenso Möglichkeiten, es wieder zu verjubeln. Wer nichts Besseres zu tun hat, kann auch einfach durch die Stadt streifen und die Speisen sämtlicher Restaurants und Läden ausprobieren, sich ein neues, möglichst schräges Outfit zusammenstellen oder nach Safe-Schlüsseln Ausschau halten, mit denen ihr Schließfächer in der Uranus Zone öffnen könnt, die ein hübsches Taschengeld oder manch seltenes Item enthalten.
Es gibt viel zu tun und zu sehen – vorausgesetzt, ihr habt Zeit dazu. Denn Frank hat immer noch eine Mission zu erfüllen. Euch bleiben drei (Spiel-)Tage, ehe ihr vom Militär gerettet werdet – bis dahin müsst ihr eure Story im Kasten und die Wahrheit hinter dem Zwischenfall gelüftet haben. Dazu müsst ihr allerdings bestimmte Schlüsselereignisse durchleben – so genannte „Case Files“. Diese erzählen zugleich die Hauptstory. Seid ihr nicht zur rechten Zeit am rechten Ort, werdet ihr die Hintergründe niemals aufklären können. Dies kommt aber keinem „Game Over“ gleich – weiterspielen könnt ihr trotzdem, ihr bekommt aber nach den drei Tagen ein alternatives, nicht das „echte“ Ende. Die Uhr wird zu eurem ärgsten Feind – zumindest, wenn ihr nebenbei auch die zahlreichen Nebenmissionen spielen wollt. Und, glaubt mir: Ihr wollt es.
Für Aktionen wie der Rettung von Überlebenden, der Bezwingung von Psychopathen, der Liquidierung von Zombies oder das Knipsen gelungener Fotos erhaltet ihr obendrein Prestige Points, die „Dead Rising 2: Off the Record“ ein kleines Rollenspiel-Element verleihen. Sie fungieren als Erfahrungspunkte und erlauben es Frank, hochzuleveln und dadurch neue Moves, Combo Cards, Inventarslots oder Lebensbalken freizuschalten. Die meisten PP erhaltet ihr für das Absolvieren von Nebenmissionen – je mehr davon ihr in der Zeit zwischen den Case Files schafft, desto besser.
Da Frank im ersten „Dead Rising“ mit dem Zombie-Virus infiziert wurde, ist er gezwungen, sich alle 24 Stunden eine Dosis „Zombrex“ zu spritzen, das seine Transformation aufhält. Ihr seid daher gezwungen, ständig die Augen nach dem Präparat offen zu halten – sonst sehr ihr irgendwann doch noch den „Game Over“-Screen. Um euch das Leben zu erleichtern, kommt hier euer gesammeltes Vermögen ins Spiel, da Zombrex auch von Plünderern gekauft werden kann – für einen sehr hohen Preis.
Viele haben sich in der Vergangenheit über den für „Dead Rising“-typischen Zeitdruck beklagt, da sie sich dadurch in ihrem Erkundungsdrang eingeschränkt fühlten, ich jedoch finde ihn großartig, da er die Spieler dazu zwingt, zu denken, ehe sie handeln. Effektives Zeitmanagement und klar gesetzte Prioritäten sind der Schlüssel zum Erfolg. Die Entwickler bei Capcom haben jedoch berücksichtigt, dass nicht jeder auf Stress steht. Wer Fortune City lieber gemächlich erkunden möchte, sollte den neuen Sandbox-Modus ausprobieren – hier gibt es kein Zeitlimit oder sonstigen Beschränkungen.
Das Beste an „Dead Rising 2“ ist aber sein Humor, denn das Spiel nimmt sich keine Sekunde lang ernst. Nicht genug, dass jedes nur denkbare Zombiefilm-Klischee aufgegriffen wird; selbst die krasse Gewaltdarstellung ist völlig überzogen und purer Slapstick in der Tradition von Filmklassikern wie „Braindead“. Wer an schwarzem Humor und bewusst schlechten Gags seine Freunde hat, kommt hier voll auf seine Kosten.
Déjà-vu?
Ja, „Off the Record“ macht Spaß. Sehr sogar. Das wundert mich allerdings nicht, da „Dead Rising 2“ schon viel Spaß gemacht hat und „Off the Record“ am Ende des Tages nichts anderes ist als dessen Aufguss. Man durchlebt die selbe Story (mit ein paar Änderungen) und findet sich in der gleichen Spielwelt wieder. Sicher, die paar neuen Missionen, Combo Cards und Waffen sind nett und auch die Uranus Zone ist in Ordnung, doch die Erweiterungen sind derart irrelevant, dass ich mich frage, womit Capcom den Preis von 40 Euro zu rechtfertigen gedenkt. Wenn wenigstens auf Kritikpunkte des ursprünglichen zweiten Teils eingegangen worden wäre, aber nein, stattdessen wurde das eine oder andere sogar verschlimmert!
Plünderer oder Söldner – menschliche, euch feindlich gesinnte NPCs, die ihr an etlichen Orten antrefft und die, wie die Zombies, ständig respawnen – verfolgen euch nun ohne Unterlass, bis ihr sie entweder tötet oder in ein anderes Gebiet wechselt. Dies ist vor allem deshalb prekär, weil sie, wenn sie euch nicht erreichen, auf die Überlebenden losgehen, die ihr im Schlepptau habt. Es ist mir mehrmals passiert, dass die Plünderer, die im Gebiet vor dem Security Room spawnen, einen oder mehrere meiner Schützlinge mit ihren Molotow-Cocktails gegrillt haben – das erzeugt Frust, wenn man einfach nur schnell durchlaufen wollte, ohne sich mit unnötigen Scharmützeln aufzuhalten.
Was mich ebenfalls irritiert: Frank scheint sich etwas langsamer als Chuck Greene, Protagonist von „Dead Rising 2“, zu bewegen, was ihn in Kämpfen weniger effektiv macht. Dass Frank dafür mit seiner Kamera PP verdienen kann ist relativ sinnlos, da ihr euch meist in große Gefahr begeben müsst, wollt ihr wirklich gute Bilder schießen. Immerhin müsst ihr diesmal nicht ständig die Batterien der Kamera aufladen gehen, sondern könnt unbegrenzt knipsen – eure jeweils ältesten Bilder werden einfach ersetzt. Foto-Challenges wie in Teil eins scheint es keine mehr zu geben – ich bin nicht sicher, ob das als Vor- oder Nachteil zu werten ist.
Ebenfalls unschlüssig bin ich, ob die Streichung des kompetitiven Multiplayer-Modus einen valider Kritikpunkt darstellt. „Terror is Reality“ war kurzweiliger Spaß, aber mehr nicht, weshalb es für mich persönlich kein Verlust ist. Immerhin ist der aus „Dead Rising 2“ bekannte Coop-Modus wieder vorhanden und funktioniert so gut wie eh und je.
Fazit:
Ich liebe „Dead Rising“ – dies erwies sich beim Spielen von „Dead Rising 2: Off the Record“ jedoch als Problem. Ich habe „Dead Rising 2“ letztes Jahr auf allen drei Plattformen alleine oder kooperativ sprichwörtlich (un-)totgespielt. „Off the Record“ ist im Grunde genommen das gleiche Spiel – die Änderungen sind so minimal, dass sie in vielen Fällen selbst Kennern des Originals nicht sofort auffallen dürften. Wer „Dead Rising 2“ noch nie auf seiner PS3 genossen hat, darf durchaus einen Blick riskieren, Fans hingegen sollten nur dann zugreifen, wenn sie von Fortune City immer noch nicht genug haben.
Bilder:
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Schlagworte: Action, Braindead, capcom, Comedy, Dead Rising 2, Fortune City, Frank West, Off the Record, Parodie, Playstation 3, PS3, Shooter, Slapstick, Untot, Virus, Zombie