Tierversuche zum Wohle der Menschheit?

Millionen Tiere sterben jährlich hinter verschlossenen Labortüren. Tierschützer gehen auf die Barrikaden, doch Regierung und Konzerne beteuern, dass Tierversuche unverzichtbar für die Wissenschaft und die Allgemeinheit seien. Der Verbraucher ist gespalten.

Schon seit mehreren Jahrzehnten setzen sich Tierschutzorganisationen gegen Tierversuche ein. Früher mussten viele Tiere im Rahmen der Kosmetik-Herstellung leiden und auch sterben. Der deutsche Tierbund untersagt deshalb seit 1998 die Durchführung von Tierversuchen im Rahmen der Entwicklung für Kosmetikprodukte. Die EU schloss sich 2004 an und verbot Tierexperimente für bereits fertiggestellte Kosmetika. Im März 2009 folgte das Verbot, neue Inhaltsstoffe mit Hilfe von Tieren zu testen. Zusätzlich durften Kosmetikartikel, die in Drittländern solchen Tests unterzogen wurden, nicht mehr eingeführt werden. Im Jahr 2013 ist ein endgültiges Verbot des Verkaufs von an Tieren getesteten Kosmetika geplant.

Tierversuche lebensrettend

Tierexperimente können in anderen Gebieten aber auch Leben retten. Hier spielt die Grundlagenforschung eine entscheidende Rolle. Mit ihr erweitert sich das Allgemeinwissen in der Medizin und der Erprobung neuer Therapiemöglichkeiten. Auch Ursachen und Entstehungen von Krankheiten beim Menschen werden so erforscht.

Die Anzahl der Tierversuche in Deutschland steigt deshalb seit zehn Jahren um etwa 100.000 Tiere im Jahr. Rund 2,9 Millionen Nager, Hunde, Katzen und Affen setzte man 2010 für Tests und andere wissenschaftliche Zwecke ein – Tendenz steigend. Vor allem im Gentechnikbereich steigt die Zahl stark an: 115.000 zusätzliche Mäuse, Ratten, Kaninchen, Schweine und Fische wurden gentechnisch verändert und in Versuchen eingesetzt. Bei der Gentechnik pflanzt man den Tieren menschliche Gene in die Erbanlagen, um so ihre Reaktionen und Funktionen noch besser dem Menschen anzupassen.

Kontinuierlicher Anstieg

Für den kontinuierlichen Anstieg von Tierexperimenten sind außerdem der Ausbau der Forschungsstandorte in Deutschland sowie der verstärkte Einsatz von transgenen Tieren – eigens gezüchtete und gentechnisch veränderte Tiere – verantwortlich. Gleichzeitig steigen auch die Profite der Pharmakonzerne – immerhin hat beispielsweise der Konzern GlaxoSmithKline 2010 bei Ausgaben von etwa 4,5 Milliarden Euro Medikamente im Wert von 32,9 Milliarden Euro verkauft.

Gibt es Alternativen?

GlaxoSmithKline ist ein weltweit führendes, forschungsorientiertes Gesundheitsunternehmen, das sich der Entwicklung innovativer Arzneimittel verschrieben hat. Der Konzern wählt die besten Versuchsmethoden für eine artgerechte Behandlung von Versuchstieren aus und setzt diese nur ein, wenn es keine anderen Alternativen gibt. Alternative Methoden sind Versuche an „schmerzfreier Materie“, die außerhalb von Tieren erfolgen – laut GlaxoSmithKline werden sie immer mehr entwickelt. Diese Methoden können nur dann eingesetzt werden, wenn sie wissenschaftlich auf ihre Aussagekraft überprüft und international anerkannt werden. Ist dies nicht der Fall, müssten die Tierversuche, die man in einem Land für die Zulassung einsparen konnte, in einem anderen Land durchgeführt werden. Die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) erfasst und bewertet Methoden, die Tierversuche ersetzen oder ergänzen können, und wirkt gegebenenfalls auf ihre Anerkennung hin. Leider ist das Ganze bisher nur selten möglich, da oft viele Jahre ins Land gehen, bevor Arzneimittelzulassungsstellen Alternativmethoden anerkennen.

Eine alte und bewährte Ersatzmethode ist der „Ames-Test“: Er testet Erbgut-verändernde Wirkungen neuer Substanzen in Bakterienkulturen anstatt in Tierversuchen. Eine andere ist der „Draize-Augenreizungstest“, ein seit 1944 angewandter Tierversuch in der Toxizitätsbestimmung (Feststellung der Giftigkeit oder Schädlichkeit eines Stoffes). Mit ihm überprüfte man, ob Substanzen Augen oder Haut reizen. Wissenschaftler träufelten Kaninchen dabei hohe Konzentration ins Auge, um die oft verheerenden Reaktionen zu beobachten. Diese Methode war sehr umstritten und konnte mittlerweile weitgehend durch den HET-CAM-Test (Hen’s Eggs Test at the Chorion Allantoic Membrane) ersetzt werden. Bei dieser Erprobung liegt die Testfläche unterhalb der Eischale – die zarte Choicon-Allatois-Membran – und ist ebenso empfindlich wie das Auge.

Gesetzliche Zulassung ohne Tiertests nicht möglich

Auf Rückfrage erklärt Claudia Kubacki, Senior Managerin Unternehmenskommunikation von GlaxoSmithKline, dass das Unternehmen durch intensive Forschungen versuche, Tierversuche mit Alternativmethoden wie Computersimulation oder isolierte Zell- und Gewebekulturen zu minimieren. Allerdings könne diese noch nicht zur Simulation der komplexen Vorgänge in lebenden Organismen, wie sie sich bei Krankheitsverläufen abspielen, verwendet werden. Wissenschaftlern sei es nicht möglich, festzustellen, ob das Prüfmedikament in den richtigen Teil des Körpers in der richtigen Konzentration und über die richtige Zeitdauer gelange, die gewünschte Wirkung erziele oder die Verträglichkeit für den Patienten gewährleiste. Solche Fragen könnten nur bei der Durchführung von gut geplanten Untersuchungen an lebenden Tieren beantwortet werden. Aus diesem Grunde würden nationale Gesundheitsbehörden Tierversuche zur Erfüllung der rechtlichen Anforderungen an wirksame und verträgliche Arzneimittel fordern. Es sei nicht möglich, die gesetzliche Zulassung für neue Medikamente ohne deren vorherigen Einsatz an Tieren zu erlangen.“

Weiterhin führt Kubacki zum Einsatz von Tieren auf: „Bei GlaxoSmithKline werden die von den Zulassungsbehörden geforderten Versuchsreihen überwiegend (über 97 Prozent) mit Ratten und Mäusen durchgeführt. Nur in sehr wenigen Untersuchungen werden Hunde, Katzen oder Kaninchen eingesetzt. Sämtliche in der Forschung und Entwicklung eingesetzten Tiere werden speziell für Forschungszwecke gezüchtet und wurden nicht zuvor als Haustier gehalten. Die Zahl der für Forschungszwecke gezüchteten Tiere auf das Mindestmaß zu beschränken, hat für uns hohe Priorität.“

Was können wir ändern?

Verbraucher können helfen, indem sie auf Kosmetika ohne Tierversuche umsteigen. Mittlerweile gibt es eine breit gefächerte Auswahl an Naturkosmetik, die in Reformhäusern und auch in Drogerien zu finden ist. Diese Produkte bieten sogar den Vorteil, nicht mit Konservierungs-, Farb- und Duftstoffen vollgepumpt zu sein, sind daher hautverträglicher und lösen weniger Allergien aus. Nicht immer müssen Kosmetik- oder Reinigungsprodukte zum Einsatz kommen, manchmal reicht auch einfach reines Wasser, welches die Haut sowieso am besten verträgt.  Produkte von den Herstellern Weleda und Alverde sind den meisten sicher schon bekannt. Nach der Aufklärung von Claudia Kubacki ist klar geworden, dass es in der Medizin weitaus schwerer sein wird, ganz ohne Tierversuche auszukommen. Wichtig ist, dass sich Wissenschaftler an die gesetzlichen Bestimmungen für Tierstudien halten und notwendige Maßnahmen ergriffen werden, um Schmerz und Leid der Tiere während und nach den Experimenten zu vermeiden oder zu minimieren. Außerdem sollte immer weiter daran gearbeitet werden, Alternativen zu entwickeln, bei denen keine Tiere mehr eingesetzt werden müssen.

Quellen: Tierschutzbund | Probanden Online | PHarmexec | GlaxoSmithKline [1] [2] [3] | Incantator [1] [2] | Focus Online | Welt Online

Bild:
(c) Rolf Handke / Pixelio.de
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