Review: Dark Souls (Xbox 360)

Nur sterben ist schöner

Selten geht man mit so viel Respekt an jeden noch so kleinen Kampf, jedes neue Gebiet, jede unbekannte Ecke heran wie in „Dark Souls“. Aber auch nur selten hat man so viel Angst um das virtuelle Leben wie in diesem düsteren Rollenspiel. Was zu schwer für viele Gelegenheits- und sogar Dauerzocker ist, ist für andere die Perfektion des Genres.

Vom ersten Schritt an ist klar, dass wir trotz unserer untoten Natur nicht in der Welt von „Dark Souls“ willkommen sind. Düstere Atmosphäre, grausige Monster an jeder Ecke und die wenigen „Normalen“ lassen ihren angehenden Wahnsinn schon durchklingen. Kein Wunder, kann hier doch jeder Schritt der letzte sein. Die einzigen halbwegs sicheren und freundlichen Orte sind die Leuchtfeuer, an denen sich erschöpfte Helden erholen und wieder aufstehen können, sollten sie im Kampf fallen. Und das werden sie.

„Dark Souls“ ist der spirituelle Nachfolger des mittlerweile legendären „Demon’s Souls“, welches Rollenspieler seit 2009 daran erinnert, dass Erfolg nur dann wirklich süß ist, wenn man ihn sich mit Blut und Schweiß erkämpfen muss. Soll heißen, es ist überdurchschnittlich schwer – dabei aber nur selten unfair. „Dark Souls“ knüpft hier nahtlos an und ist nur deshalb kein offizieller zweiter Teil, weil die Geschichten nicht verknüpft sind. Ansonsten finden Fans von „Demon’s Souls“ hier die Herausforderung, die sie lieben, in einer noch etwas feiner geschliffenen und sogar ein wenig knackigeren Form.

Prepare to die

Während andere Spiele euch zu Beginn eine Horde harmloser Ratten jagen lassen, um euch die ersten Erfahrungspunkte hinterher zu werfen und euch in das Spiel einzuführen, ist „Dark Souls“ sehr viel grober. Wenn ihr nicht schnell lernt, dass euer Schild euer bester Freund und die Ausweichrolle oft sinnvoller als wildes Schwertgefuchtel ist, werdet ihr sehr früh euren ersten Bildschirmtod erleben. Auch die unscheinbarsten Skelette wollen vor einer Attacke ausgiebig analysiert und Gruppenkämpfe möglichst vermieden werden. Hier ist jeder Feind ein ernstzunehmender Gegner und euer Held sehr viel fragiler als in modernen Spielen üblich. Nicht ohne Grund wirbt „Dark Souls“ mit dem Slogan „Prepare to die“.

Dark Souls Fire

Leuchtfeuer sind Checkpunkt und Heilungsort – Zum Vergrößern anklicken

Wenn ihr einen engen Raum betretet, ein vergleichsweise großer Ziegendämon direkt auf euch zu springt und weder Schild noch Ausweichrolle eine Hilfe sind, kann das schon mal unfair wirken. Aber das war dann nicht unschaffbar, sondern ihr wart schlicht unvorbereitet und zu langsam. So manche Hürde wird euch aus diesem Grund beim ersten Anlauf böse und meist tödlich überraschen, aber „Dark Souls“ will auch kein entspannter Strandspaziergang sein. Wie sein Vorgänger steht das Spiel für eine gnadenlose Welt und den damit verbundenen Lernprozess – oder zumindest das Akzeptieren des ständigen Ablebens. Lange bevor ihr beispielsweise den Ziegendämon trefft, attackiert euch ein anderes Monster auf ähnliche Weise. Auch diesem Angriff weicht ihr beim ersten Mal wahrscheinlich nicht aus, aber vielleicht merkt ihr euch das Schema ja und seid in Zukunft jederzeit auf solche Attacken vorbereitet – dann klappts auch mit der Ziege.

Erkunden ist ungesund

Aber nicht nur die Gegner machen die Welt gefährlich. Ohne große Anleitung werdet ihr hier ausgesetzt und sollt nun selbst euren Weg finden. Und weil ihr prinzipiell von Anfang an überall hin könnt und Rollenspieler bekanntermaßen einen stark ausgeprägten Forscherdrang haben, wird eine Großzahl von euch sicher weit früher als taktisch sinnvoll auf dem Friedhof landen. Der befindet sich nämlich ganz in der Nähe eures Startortes und lädt mit zahlreichen Schätzen auch zum Erforschen ein, aber die Gegner, die ihr hier trefft, bekommt ihr zu Beginn nur mit viel Mühe klein – selbst wenn ihr sie perfekt analysiert habt. Bis das stolze Abenteuerherz einsieht, dass das wohl nicht der richtige Weg für den aktuellen Auftrag ist, vergeht einige Zeit und das ein oder andere Leben. Wählt ihr dann einen anderen Weg und trefft auf Feinde eures Levels, kommen die euch so leicht vor, dass das dritte große Übel von „Dark Souls“ zuschlägt: Überheblichkeit.

Dark Souls Combat

Jeder Angriff muss gut getimet sein – Zum Vergrößern anklicken

Es ist ein unglaublich gutes Gefühl, einen oder gar mehrere Gegner niederzuringen, die euch wahrlich Blut, Schweiß und vielleicht sogar einen Controller gekostet haben. Aber seid ihr erst mal auf diesem Endorphinlevel angekommen, kommen euch plötzlich auch alle anderen Feinde ganz leicht vor. Auch ausgiebiges Investieren in Level-Ups kann diesen Effekt haben, wenn plötzlich schon ein einzelner Zauber reicht, um das gemeine Skelett zu pulverisieren. Auf einmal fühlt ihr euch doch wie der Held, der alles aus dem Weg räumen und vor nichts Angst haben muss. Langsam vergesst ihr, dass der Schild konsequent vor den Körper gehalten werden sollte und niemand in dieser Welt euch liebt. Langsam, bis plötzlich ein Geist aus seinem Versteck in einer Wand heraus euren Schädel einschlägt und euch zurück auf den Boden holt, ach was, reißt. Da liegen dann in einer grün leuchtenden Lache ein paar tausend Seelen – vergleichbar mit Erfahrungspunkten – und geben euch eine einzige Chance, sie wieder einzusammeln, wenn ihr sie mit eurem nächsten Leben erreicht. Dass auf dem Weg zwischen dem letzten Checkpunkt und euren Seelen aber wieder alle Monster auf euch warten, macht die Rettungsaktion sehr viel schwieriger und furchteinflößender. Da ist das Ego plötzlich wieder ganz klein und der Schild dafür umso größer.

Dark Souls Boss Giant
Bei dem müsst ihr nicht nur auf die dicke Axt achten – Zum Vergrößen anklicken

Zusammen ist man weniger allein

Hilfreich ist bei solchen Fallen der einzigartige Mehrspielermodus von „Demon’s Souls“ und „Dark Souls“. Entdeckt ihr etwas, das ihr gern mit anderen Spielern teilen wollt – einen gut versteckten Schatz, einen Hinterhalt oder vielleicht einen Schwachpunkt eines Bossgegners – schreibt ihr einfach einen Hinweis auf den Boden, der dann in anderen Spielen auftaucht. Außerdem findet ihr immer mal wieder Blutlachen, die euch die letzten Sekunden vor dem Tod eines anderen Spielers erleben lassen. Wäre so einer beispielsweise von besagtem Geist in besagter Wand zerrissen worden, wärt ihr nun gewarnt und hoffentlich vorsichtiger. Abgesehen von diesen nützlichen und allgegenwärtigen Funktionen könnt ihr auch in fremde Spiele eindringen, um den dortigen Helden entweder zu helfen oder sie als schwarzes Phantom zu jagen – und umgekehrt genauso. Das bringt Belohnungen und – im Falle des weißen Phantoms – reduziert Frust bei verzweifelten Drachentötern.

Dark Souls Gaping Dragon

Dieser Drache beißt ordentlich zu – Zum Vergrößern anklicken

Bei einem derart starken – wenn auch berechtigen – Fokus auf dem Zirkel Erforschen, Sterben, Lernen könnten andere Aspekte in Vergessenheit geraten. Nicht so bei „Dark Souls“. Allgemein besticht der düstere Mix aus Wahnsinn und Horror schon durch seine Ästhetik, aber die ansprechende Grafik und der stimmige Soundtrack geben der Welt den letzten Schliff. Individuelle Charakterentwicklung erlaubt „Dark Souls“ nicht nur durch die zahlreichen Ausrüstungsgegenstände, sondern auch das mittelmäßig anspruchsvolle Charaktersystem – welches euch das Spiel natürlich nicht erklärt, sich aber mit der Zeit von selbst erschließt. Wie alles meistert ihr auch die Nuancen eures Helden vor allem durch Ausprobieren, Scheitern und Wikis im Web.

Fazit

„Dark Souls“ perfektioniert die Dreifaltigkeit der Angst vor jedem einzelnen Gegner, vor der Welt und vor der eigenen Überheblichkeit und bettet sie in eine wunderbar stimmig düstere Welt ein, die es zu erforschen gilt. Jeder Kampf kostet euren Charakter und euch gleichermaßen Schweiß und Blut und lässt euch voll in eurer Rolle als todgeweihter Held aufgehen. Worum es in der Story genau geht, ist dabei gar nicht so wichtig. „Dark Souls“ ist ein Rollenspiel, bei dem zentrales Element des Charakters der Kampf um Leben und Tod ist. Jeder neue Feind, jedes neues Gebiet ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Und erst durch seinen steinigen Weg wird jedes Teilziel erstrebenswert. Wer sich in dieser Mentalität wiederfindet, landet hier einen frohlockend-schmerzhaften Volltreffer.

Bilder:
Presseserver © Namco Bandai

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