Review: Resident Evil 4 (PS3)

Alle Jahre wieder

Es geht wieder auf die Jagd nach Ganados! Mehr als sechs Jahre nach seiner Erstveröffentlichung wurde „Resident Evil 4“ im Zuge der aktuellen Welle an HD-Neuauflagen optisch restauriert und steht nun für Xbox 360 und PS3 zum Download bereit. Doch handelt es sich bei „Resident Evil 4 HD“ wirklich um die „ultimative Fassung“ des mit Auszeichnungen überhäuften Klassikers?

„Resident Evil 4“ erschien ursprünglich als Teil der „Capcom Five“ exklusiv für den GameCube, wurde aber noch im gleichen Jahr auf die PlayStation 2 portiert. In den nächsten Jahren folgten Umsetzungen für Wii und PC, außerdem wurde eine inhaltlich angepasste Version für iPhone, iPod Touch und iPad produziert. „Resident Evil 4“ gehört zu Capcoms größten Verkaufserfolgen – eine glückliche Fügung, war dessen Entwicklung im Grunde genommen doch ein gewagtes Experiment.

Ein Klassiker wird neu erfunden

Leon S. Kennedy hat einfach kein Glück bei der Arbeitssuche. An seinem ersten Tag als Polizeibeamter in der US-Kleinstadt Raccoon City musste er sein Leben gegen mordlustige Zombies – Produkte des mysteriösen T-Virus – verteidigen. Zusammen mit zwei weiteren Überlebenden schaffte er es, aus der Stadt zu entkommen, ehe diese mit einer Atombombe „dekontaminiert“ wurde. In seinem aktuellen Job läuft es nicht viel besser. Unter direkter Order des amerikanischen Präsidenten muss Leon dessen gekidnappte Tochter Ashley aus einem abgelegenen Dorf in Spanien befreien, dessen Bewohner einer Sekte namens „Los Illuminados“ angehören. Doch es kommt, wie es kommen muss: Kaum vor Ort, wird Leon angegriffen und die zwei Polizisten, die ihn begleitet haben, finden ein grauenvolles Ende. Auf sich alleine gestellt, muss er gegen die Übermacht von Los Illuminados bestehen und seinen Auftrag zu Ende führen.

Bereits in den ersten fünf Spielminuten werden Kenner der Vorgänger feststellen, dass „Resident Evil 4“ anders ist. Es gibt diesmal keine fixe Kameraposition und keine Seitenansicht des Geschehens, stattdessen verließ sich Capcom auf eine „Über die Schulter“-Perspektive mit nach links und rechts drehbarer Kamera. Die größte Neuerung jedoch erleben Spieler, wenn sie auf ihren ersten Gegner treffen. Das Kampfsystem wurde rundum erneuert: Wie in gängigen Third-Person-Shootern besitzen die Gegner nun Trefferzonen, auf die gezielt geschossen werden kann. Die Zeiten, in denen man „blind“ Blei in Zombies und andere Monster hineinpumpen musste, bis diese umfallen – ohne dabei zielen zu können – sind vorbei.

Eine weitere Serien-Premiere stellen die neuen Gegnertypen dar: Erstmals trachten in einem „Resident Evil“-Ableger keine Zombies nach dem Leben des Protagonisten, sondern eine Gruppe religiöser Hinterweltler, den Ganados. Da einfache Hinterweltler aber nicht „böse“ genug wären, haben ihnen die Autoren bei Capcom einen Parasiten namens „Las Plagas“ eingepflanzt, der die Kontrolle über ihre Körper übernimmt – und ihnen enorme Kräfte verleiht.

Resident Evil 4

Um mit der neuen Bedrohung entsprechend umgehen zu können, ist es wichtig, sich einer Sache bewusst zu sein: Die Gegend rund um das Dorf Pueblo ist definitiv kein zweites Raccoon City. Denn im Gegensatz zu Raccoon City gibt es in diesem Kaff Munition ohne Ende. Während man in den Vorgängern speziell auf höheren Schwierigkeitsstufen bei jedem Zombie hadern musste, ob man seine Kugeln vergeudet oder diese lieber aufspart und die Bedrohung möglichst umgeht, darf in „Resident Evil 4“ munter geballert werden. Geht dann doch einmal die Munition aus, lassen viele Gegner gnädigerweise ein Päckchen bei ihrem Ableben fallen. Man merkt also: Teil 4 bricht in Sachen Gameplay nahezu komplett mit seinen Vorgängern.

Die wichtigste Neuerung stand bereits als Werbetext auf der Packung des GameCube-Originals: „Neue ‚Survival Action‘ – Was ist schon Survival Horror?“. Im Klartext: Man nehme die klassische „Resident Evil“-Formel, subtrahiere Rätsel, Puzzles und Horror, addiere ein breit gefächertes Waffenarsenal und Quicktime-Events und multipliziere die Anzahl der Feinde mit zehn – möge das Schlachtfest beginnen!

Resident Evil 4

„Resident Evil“ für Schreckhafte

Moment, ganz langsam – kein Horror? Richtig gelesen: „Resident Evil 4“ verdient die Einordnung in das Horror-Genre meiner Ansicht nach nicht. Es dreht sich alles um die Action, wodurch das aus den Vorgängern bekannte Spielgefühl fast vollständig zerstört wird. Man ist nun nicht mehr das „kleine Menschlein“, das sich nur mit einem Messer und einer Pistole mit 15 Schuss bewaffnet gegen eine ganze Stadt voll untoter Monster behaupten muss, sondern hat eher den Eindruck, Jäger statt Gejagter zu sein.

Gegner sieht man meist schon aus gefühlten Kilometern Entfernung und zudem sind sie, mit Ausnahme der Plagas-Hunde (die nur an zwei Stellen im Spiel auftauchen), keine flinken Angreifer, sondern latschen behäbig auf den Helden zu. Manchmal beginnen die Ganados zwar zu laufen, bleiben jedoch rechtzeitig vor dem Spieler stehen, um von diesem bequem mittels Kopfschuss abserviert zu werden. Auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad geht es zwar etwas stressiger zu, Furcht kommt jedoch nur selten auf. Aber wie gruselig können ein paar spanisch sprechende, vor sich hin stolpernde und obendrein ziemlich hässliche Frauen und Männer, die von einem Kleinwüchsigen und einem Kuttenträger mit schrecklichem Pseudo-Akzent angeführt werden, überhaupt sein?

Resident Evil 4

Grusel weicht Frust: Manche Passagen des Spiels muten aufgrund des actionorientierten Gameplays in Kombination mit der unpraktischen Steuerung teilweise zu einer nervlichen Zerreißprobe an. Obwohl es sich bei „Resident Evil 4“ um einen Third Person-Shooter handelt, entspricht das Kontrollschema den Vorgängern. Sprich: Angreifen, während man sich bewegt, ist nicht möglich. Will man einen Feind beispielsweise im Nahkampf mit dem Messer beikommen, muss dieser genau vor einem stehen. Taumelt er ein paar Schritte zurück und ist damit außer Reichweite, muss man den Button zum Zielen loslassen, ihm folgen, wieder das Messer herausholen und erneut in den Zielmodus, was auf Dauer einfach nervt. Dieser Umstand ist auch eine Erklärung dafür, weshalb die Gegner so lahm unterwegs sind – schnellen Angreifer könnte man auf diese Art nämlich kaum beikommen. Hier wäre ein Kompromiss dringend notwendig gewesen. Die „Dead Space“-Reihe von Electronic Arts, deren Spielmechanik in die gleiche Kerbe wie „Resident Evil 4“ schlägt, zeigt, wie es geht.

In „Resident Evil 4“ ist nichts so gefährlich, dass ein Gewehr dessen Gefährdungspotenzial nicht neutralisieren könnte. Je größer die Spray-Wirkung einer Waffe, desto besser, denn es gilt, wahre Gegnerhorden niederzumähen. Großkaliberige Gewehre und Handgranaten übernehmen den größten Teil der „Arbeit“, Überlebende werden mit einer der zahlreichen Pistolen oder dem Messer erledigt. Hat eine Waffe nicht genügend Durchschlagskraft, lässt sie sich bei einem wandernden Händler gegen Bares aufrüsten. Auch neue, stärkere Schießeisen bekommt man dort, allerdings keine Munition – wohl aus Gründen der Spielbalance.

Resident Evil 4

Obwohl die regulären Widersacher selbst in größeren Gruppen keine große Herausforderung darstellen, ist schweres Gerät dringend notwendig, wenn man gegen die zahlreichen Bosse ins Feld zieht. Vor allem auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad können diese nicht nur ordentlich austeilen, sondern stecken auch gewaltig ein, was insbesondere durch die erhöhte Munitionsknappheit ein entscheidender Faktor für Sieg oder Niederlage sein kann.

In einem Punkt tat sich „Resident Evil 4“ bereits 2005 höchst positiv hervor: Die Optik war absolut traumhaft und zählt auf den meisten Plattformen, für die das Spiel bisher erschien, zu den grafischen Highlights. Auch der Soundtrack ist meist stimmig und trägt stark zum Gesamteindruck des Geschehens bei.

Ultimative Version gesucht!

Die wichtigste Frage ist aber noch ungeklärt geblieben: Ist die HD-Portierung von „Resident Evil 4“ tatsächlich die „ultimative Version“ des Spiels, wie es Mike Lunn, Product Marketing Manager bei Capcom U.S.A., auf der diesjährigen E3 behauptete?

Um darauf eine qualifizierte Antwort geben zu können, muss ich etwas weiter ausholen. Die Neuauflage ist allen bisher im Handel erhältlichen Fassungen aus technischer Sicht zweifellos überlegen. Bereits durch den Zugewinn an Schärfe und die höhere Auflösung aller Texturen kann HD den Kampf gegen SD souverän für sich entscheiden. Hinzu kommen verglichen mit allen anderen Fassungen (mit Ausnahme des PCs, da die Systemanforderungen von „Resident Evil 4“ für heutige Rechner ein Klacks sind und Level kaum mehr als eine oder zwei Sekunden zum Laden brauchen) wesentlich kürzeren Ladezeiten.

Resident Evil 4

Ein weiteres Plus: „Resident Evil 4 HD“ enthält alle Minispiele und Boni, die bei den diversen Portierungen hinzukamen – jedenfalls im Rest der Welt. In Deutschland fehlen, wie bei den Versionen für andere Systeme, die beiden Minispiele „Mercenaries“ und „Assignment Ada“. Aber es gibt noch andere Faktoren, die bei der Frage nach der „ultimativen Fassung“ berücksichtigt werden müssen.

Zum einen muss auf die Steuerung eingegangen werden. „Resident Evil 4 HD“ unterstützt weder PlayStation Move, noch Kinect und lässt sich somit ausschließlich über das Standard-Pad der jeweiligen Plattform steuern. Gerade die „Wii edition“ des Spiels erhielt vor vier Jahren allerdings großes Lob für die Anpassung seines Kontrollschemas an die Motion Controls der Nintendo-Konsole. Wer diese Art der Steuerung bevorzugt, ist trotz der schwächeren Technik mit der Wii-Version besser beraten.

Zum anderen möchte ich einiges zur Technik sagen. Seit der Veröffentlichung von „Resident Evil 4 HD“ in Asien (wo das Spiel auf Disc und nicht nur als Download erschien) habe ich Diskussionen im Internet verfolgt, in denen es darum geht, ob die PC-Version der HD-Variante überlegen ist oder nicht. Wer sich an die fragwürdige Qualität des PC-Spiels erinnert, mag sich vielleicht fragen, wieso eine solche Debatte überhaupt geführt wird. Es stimmt: Die PC-Portierung von „Resident Evil 4“ war, als sie 2007 auf den Markt kam, ein technisches Desaster, das die erweiterten Möglichkeiten der Plattform nicht annähernd ausreizte. Die Community ließ es jedoch nicht dabei bewenden und talentierte Modder bescherten der PC-Version einen ungeahnten optischen Höhenflug. Das Ergebnis ihrer gebündelten Anstrengungen ist der „Ultimate Community Patch“, der kostenlos im Internet verfügbar ist.

Resident Evil 4

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht bestreiten, dass Detailgrad und Auflösung der Texturen von „Resident Evil 4 HD“ nicht annähernd an die gemoddete PC-Version heranreichen und dass beispielsweise die „ENB Series“-Modifikation den Schauplätzen einen netten, schummrigen Touch gibt, der hier fehlt. Allerdings müssen sich auch die härtesten PC-Fürsprecher einer Sache bewusst sein: Es gibt einfach Elemente im Spiel, die so tief in der Engine verankert sind, dass sie nicht oder nur unter größtem Aufwand weggemoddet werden können, wie die statischen Lichtquellen (die auf der PS3 dynamisch sind, inklusive Schattenwurf) oder die platten Wasser-Effekte (die für „Resident Evil 4 HD“ komplett erneuert wurden und nun Effekte wie Reflektionen aufweisen).

Allerdings werden Grafik-Fetischisten von „Resident Evil 4 HD“ ohnehin enttäuscht sein: Es handelt sich um eine restaurierte Portierung, kein Remake, weshalb die Optik zwar scharf und hübsch anzusehen, aber mit Sicherheit nicht auf einer Stufe „Resident Evil 5“ oder anderen aktuellen Spielen ist. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich abschließend auf ein Video unserer amerikanischen Kollegen von Achievement Hunter verweisen, die alle Konsolen-Fassungen verglichen haben. Der PC ist leider nicht dabei, da es sich bei der PC-Version (ohne Community-Patch) allerdings um eine Direkt-Portierung von der PS2 handelt, könnt ihr euch an deren Erscheinungsbild orientieren.

Fazit, Sebastian Meinke

Trotz all meiner Kritik ist „Resident Evil 4“ keinesfalls ein schlechtes Spiel. Das neue Shooter-Gameplay funktioniert großteils und die Präsentation war seinerzeit besonders aus grafischer Sicht über jeden Zweifel erhaben. Ob man es mag, hängt jedoch stark von persönlichen Erwartungen ab. Als großer Fan des klassischen Survival-Horror fällt es mir auch sechs Jahre nach der Erstveröffentlichung von „Resident Evil 4“ schwer, die aus meiner Sicht nicht ganz geglückte Umwandlung zum Third-Person-Shooter zu akzeptieren. Hätte Capcom einen kompletten Neustart gewagt, statt dem Spiel den „Resident Evil“-Stempel aufzudrücken, wäre ich mit Sicherheit zufriedener gewesen. Gegen die HD-Neuauflage lässt sich aus meiner Sicht wenig vorbringen – die beste Version eines Megasellers, den die meisten ohnehin bereits kennen.

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