Errungenschaften der Videospielgeschichte, Teil 1
Die Videospielgeschichte ist geprägt von positiven und negativen Entwicklungen. Was sich seit den Anfängen getan hat und was sich teilweise bis heute erfolgreich durchsetzt, seht ihr im ersten Teil unserer neuen Games-Kolumne „Game0ver“.
Ihr habt gedacht, der 3DS revolutioniert die Spielewelt oder Online-Games sind eine Erfindung aus den 1990ern? Weit gefehlt! Prägnante Konzepte wurden überraschenderweise sehr viel früher präsentiert als so mancher zu glauben vermag und noch heute bauen aktuelle Entwicklungen darauf auf, wie man nicht zuletzt am 3DS sieht. Auch an Spielautomaten war die Pointer-Funktion, welche die Wii-Mote ins heimische Wohnzimmer brachte, lange nichts Neues mehr und selbst die gute, alte Dreamcast von SEGA hat – nur leider zu früh – versucht, Online-Gaming zur Marktreife zu führen. Funktioniert hat’s aber schon einige Jahre vorher.
Erste Heimkonsole: Magnavox Odyssey
Die Magnavox Odyssey war die erste TV-gebundene Heimkonsole. Sie erschien im Jahr 1972 und wurde von der gleichnamigen Firma Magnavox entwickelt. In den USA betrug der Startpreis 100 US-Dollar. Für heutige Verhältnisse unschlagbar, wenn man bedenkt, dass die PlayStation 3 hierzulande mit 599 Euro in der damals größten Ausführung mit 60 Gigabyte Speicherkapazität erschien. Der erste Prototyp der Odyssey wurde bereits im Jahr 1968 gefertigt.
Der Vater der ersten Heimkonsole ist Ralpf H. Baer. Er entwickelte die Odyssey. Im Gegensatz zu heutigen Spielekonsolen verfügte die Magnavox Odyssey weder über einen Arbeitsspeicher noch über eine CPU, sondern nur analoge Schaltkreise.
Aus Kostengründen wurden daher für das Gerät nur 40 Transistoren verwendet. Auf dem Fernseher konnten lediglich wenige weiße Punkte oder Blöcke auf einem schwarzen Hintergrund dargestellt werden. Hierzu musste man vor dem Spielbeginn zunächst eine einfarbige Plastikauflage auf dem Bildschirm anbringen.
Erhältlich war die Magnavox Odyssey übrigens nicht nur in den USA. Sie verkaufte sich insgesamt rund 350.000 Mal, wovon etwa 10.000 auf den deutschen Markt entfielen. Insgesamt erschienen 16 Spiele, darunter auch „Shootout“, das damals schon eine Lightgun zur Interaktion verwendete. Verdammt revolutionär – und das schon in den 1970ern! Das erkannte auch Philips und so wurde Magnavox ab dem Odyssey 2 ein Tochterunternehmen des niederländischen Konzerns.
Das erste Handheld: Microvision
Portables Spielen entstammt auch nicht unbedingt der Neuzeit der Videospielgeschichte. Bereits 1979 kannte man ein System, das für unterwegs gedacht war und keiner der heute bekannten Konsolenhersteller trug die Verantwortung für das Ding. Es trug den klangvollen Namen Microvision.
Microvision war der erste Handheld, das auf einem LCD-Display basierte und kommerziell vertrieben wurde. Veröffentlicht wurde das erste portable Spielgerät – mit auswechselbaren (sperrigen) Modulen – von der Firma Milton Bradley. Die Spielmodule bestanden jeweils aus einem Intel 8021/TI TMS 1100 Prozessor. Unterstützt wurde dieser von einem integrierten Prozessor mit 100 kHz. Der Arbeitsspeicher umfasste satte 32 Nibbles (entspricht 16 8-bit Bytes), der im Prozessor integriert war. Die höchste Auflösung des LCD-Displays betrug damals noch 16 x 16 Pixel. Zurecht kann man also sagen, dass Microvision der erste Handheld war. Besonders mau war jedoch die Auswahl an Spielen: Lediglich 14 Titel erschienen im Zeitraum zwischen 1979 und 1982.
Online Games
Die Online-Funktionalität in Spielen – sei es Multiplayer, Highscores, Datenaustausch und so weiter – sind heute aus dem Alltag kaum noch wegzudenken. 1983 verlieh ein kleines amerikanisches Unternehmen namens SuperSet Software dem ersten Spiel die notwendigen Features, um damit auch in einem Netzwerk spielen zu können. Das textbasierte Spiel „Snipes“ wurde an unterschiedlichen IBM-Computern gespielt, um damit zu demonstrieren, welche Möglichkeiten die neuesten Computer boten. Auch, wenn das damalige System – im Vergleich zu heutigen Online-Funktionen – simpel war: Es legte den Grundstein für das, was wir heute „Online-Gaming“ nennen.
Einen ersten Anlauf, Online-Funktionen auch auf Heimkonsolen zu etablieren, startete SEGA mit der Dreamcast im Jahr 1998 (Europa und USA 1999). Die Dreamcast war die erste Heimkonsole, die ab Werk über ein 56 kbit/s-Modem verfügte (Europa und USA lediglich ein 33 kbit/s-Modem). Das Modem war einfach abnehmbar, um es im Defekt-Fall austauschen zu können oder optional mit einem Breitbandadapter zu ersetzen. Letzterer, der Breitbandadapter, wurde leider nur in geringen Stückzahlen hergestellt, ermöglichte aber das Spielen von Online-Games in DSL-Geschwindigkeit. Mit der Dreamarena und SEGANet bot die Dreamcast außerdem noch lange vor Xbox Live und PlayStation Network einen vollwertigen Online-Dienst. Bedauerlicherweise war die Dreamcast damals ihrer Zeit weit voraus (wer hatte 1999 schon halbwegs schnelles Internet?) und musste aufgrund schlechter Absatzzahlen eingestellt werden. Dies besiegelte 2001 auch das Ende von SEGA im Konsolengeschäft. Das japanische Unternehmen stellt heute als Entwickler und Publisher nur noch Software für andere Konsolenhersteller bereit.
„Mario“ begründet das Jump’N’Run-Genre
Große Helden haben wir zwischenzeitlich auf so ziemlich allen Systemen kennengelernt und gefeiert. Ganz gleich ob Solid Snake, Mario, Link, Prinzessin Zelda oder Sonic – sie alle sind Charaktere aus unterschiedlichen Franchises, die Spielen nicht nur ein Gesicht, sondern auch eine Geschichte verleihen. Dass das nicht immer so war, zeigt die Historie der Videospiele, denn früher gab es keine Protagonisten.
Mario feierte sein Debüt zu einer Zeit, in der – man glaubt es kaum – die Videospielszene in einer großen Krise steckte. Spiele verkauften sich nicht mehr gut, viele Unternehmen waren nahe der Pleite. Und dann kam da ein Klempner, der in die Rolle des Retters schlüpfte: Jumpman (heute Mario)! In „Donkey Kong“ musste Jumpman seine entführte Freundin Pauline (heute Prinzessin Peach) retten. Er wich dabei in vier Leveln Fässern und anderen Objekten aus, um schließlich an Leitern hoch zu klettern und seine Freundin aus den Fängen von Donkey Kong zu retten. Gespielt wurde ursprünglich am Spielautomaten. Es fand jedoch bis heute in verschiedenen Remakes immer wieder den Weg zurück auf heimische Konsolen und Handhelds.
Nintendo Virtual Boy
Wer gedacht hat, Nintendo schreibt mit dem 3DS Spielgeschichte, der hat weit gefehlt. Sicherlich: Dass für das dreidimensionale Spielerlebnis kein Zubehör wie 3D-Brillen benötigt wird, ist prima. Doch die Vision, Spiele „zum Greifen nah“ zu machen, ist nicht ganz neu und wurde von Nintendo bereits im Jahr 1995 mit dem Virtual Boy aufgegriffen. Die Steuerung bestand aus sechs Knöpfen und zwei Steuerkreuzen mit zwei Griffen und einen Anschluss an das futuristische Gerät. Futuristisch deshalb, weil man – um überhaupt spielen zu können – durch eine Art „Taucherbrille“ schauen musste.
Besonders beliebt war der Virtual Boy jedoch nicht. Zu unpraktisch war die Anwendung. Denn auch wenn das Gerät einer Taucherbrille sehr ähnlich sieht, so musste man es auf einem Tisch abstellen, um dann den Kopf anzulegen und auf die integrierten LCD-Displays zu schauen.
Technisch war der Virtual Boy mit einem 32-Bit NEC V810 RISC CPU ausgestattet (etwa 20 Mhz). In Farbe wurden die Spiele damals noch nicht dargestellt, da die grünen und blauen LEDs leider nicht effizient genug arbeiteten. Der Virtual Boy wurde rund 770.000 Mal verkauft und schaffte es nicht über amerikanische und japanische Grenzen hinaus – er geriet schnell in Vergessenheit.
Vorschau auf Teil 2:
Viele Errungenschaften, die für uns heute selbstverständlich sind, haben oft einen holprigen Weg hinter sich bringen müssen. Am 7. Juli zeigen wir euch im zweiten Teil unserer Reihe wilde Verfolgungsjagden auf Go-Karts, die erste 64-bit-Heimkonsole sowie die ersten Ansätze interaktiver Spielekonzepte!
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