Review: No More Heroes: Heroes‘ Paradise (PS3)

Der Wii-Geheimtipp, endlich auch in HD!

Hardcore-Gamer haben es auf der Wii nicht leicht. Ging Nintendo anfangs noch auf ihre Bedürfnisse ein, wurden sie schon bald zugunsten der weniger anspruchsvollen Casual-Gamer fallen gelassen. Eines der wenigen Spiele, um die Nintendo-Jünger dennoch beneidet wurden, war zweifellos „No More Heroes“. Zurecht.

Travis Touchdown hat im Leben nicht gerade das große Los gezogen. Er, ein 27-jähriger Otaku, ist arbeitslos, lebt in einem abgehalfterten Hotelzimmer und hat mit Ausnahme des einen oder anderen Pornos kein Sexualleben. Seine einzigen Freunde sind seine Katze Jeane und Bishop, der Besitzer seiner Stamm-Videothek. Als er sich nach einer durchzechten Nacht neue Videospiele ausleihen wollte, erkannte er an der Kasse, dass er vollkommen pleite ist. Doch das ist kein Problem.

Travis ist nämlich Assassine aus Leidenschaft, was ihn finanziell über Wasser hält. Um an Geld zu kommen, nimmt er den erst besten Mordauftrag an. Sein Ziel: Ein Mann namens Helter-Skelter, auch bekannt als „The Drifter“. Nachdem er aus dem kurzen, aber intensiven Duell als Sieger hervor gegangen war, wird er von Silvia Christel, einer Agentin der United Assassins Association, darüber aufgeklärt, dass er den elftbesten Assassinen der USA getötet hat und damit in die nationale Topliste aufgenommen wurde. Von nun an wird er von anderen Aufsteigern gejagt werden, ob er will oder nicht. Da beschließt Travis, dass er, wenn er aus der Sache ohnehin nicht herauskommt, ebenso gut die Nummer eins werden könnte – und macht sich auf, die zehn Killer über ihm zu einem Kampf auf Leben und Tod herauszufordern.

„No More Heroes“ ist das Werk von Goichi Suda alias Suda 51, dem exzentrischen CEO des japanischen Entwicklers Grasshopper Manufacture, der 2005 durch das psychodelische Action-Adventure „Killer 7“ weltweite Bekanntheit erlangte, und erschien ursprünglich 2008 für Nintendo Wii. Dort fiel es nicht nur dadurch auf, dass es ein Stück Software unter gefühlten Millionen war, das die Bewegungssteuerung annähernd sinnvoll einsetzt, sondern vor allem durch seine höchst eigenwillige Präsentation. Es ist schrill, es ist schräg, … – doch halt: Von was für einer Art Spiel sprechen wir eigentlich?

Enter the Garden of Madness!

Eine Antwort darauf zu finden ist nicht einfach. Prinzipiell ist „No More Heroes“ ein Slasher mit Sandbox-Elementen und „Mario Party“-gearteten Minispielen, gewürzt mit japanischem Flair und einem starken popkulturellen Einschlag, präsentiert in Goichi Sudas eigenwilligem Stil. Wer „Killer 7“ gespielt hat, weiß, was das bedeutet: Selbstironische Charaktere, ein skurriles Setting und eine völlig übertriebene Inszenierung samt „Over The Top“-Gewaltdarstellung.

Was darf man sich darunter vorstellen? Als Travis bewegt sich der Spieler durch die Straßen der fiktiven US-Metropole Santa Destroy, einer offenen Spielwelt, die er auf seinem gewaltigen Motorrad erkunden kann. Da für Ranglistenkämpfe eine Teilnahmegebühr verlangt wird, ist die oberste Maxime, Geld zu verdienen. Glücklicherweise bietet das schwarze Brett des lokalen Job Centers verschiedenste Erwerbsmöglichkeiten – wie das Ernten von Kokosnüssen, das Bewerben einer Burger-Bude oder das Einsammeln von herumliegendem Abfall. Dabei handelt es sich um verschiedene Minispiele, die vor allem Schnelligkeit voraussetzen. Am Ende erfolgt eine Bewertung in den Kategorien Bronze, Silber und Gold, für die es einen zusätzlichen Bonus gibt.

Wurden einige „minderwertige“ Jobs gemeistert, erhält man Aufgaben, die schon eher Travis‘ Kragenweite sind: Attentate. Eine absolut logische Entwicklung – wer mit dem Müll auf den Straßen von Santa Destroy fertig wird, kann es auch mit dem menschlichen Abfall aufnehmen! Andererseits ist man mit diesem Spiel generell falsch beraten, wenn man auf der Suche nach einer logischen Handlung ist.

„No More Heroes“ soll zu keinem Zeitpunkt ernst genommen werden, da es sich nicht einmal selbst ernst nimmt und ständig darauf hingewiesen wird, dass man vor einem Videospiel sitzt. Ein Beispiel: Ein NPC möchte seine tragische Geschichte nicht erzählen, weil sie so schrecklich ist, dass sie die Altersfreigabe für das Spiel erhöhen würde. Travis erwidert, dass sich eh niemand um das Rating kümmert, woraufhin sie bemerkt: „Was, wenn sich der Release dadurch verschiebt? Du willst doch nicht, dass dieses Spiel ‚No More Heroes Forever‘ wird, oder?“. Der gesamte Story-Modus ist eine einzige Persiflage auf die japanische und westliche Popkultur, nicht nur in Sachen Handlung, sondern vor allem, was die zahlreichen Boss-Gegner anbelangt. Vom Schulmädchen mit blonden Zöpfen und einem Laserschwert mit zwei Klingen über einen unfair kämpfenden Möchtegern-Superhelden bis zum Technik-Freak samt gigantischem Roboter ist alles vorhanden, was nur irgendein Klischee aus Actionfilmen und anderen Videospielen bedient.

Generell sei gesagt, dass man Sudas Vorstellung von Humor, die, soweit ich das beurteilen kann, möglicherweise drogeninduziert ist, mögen kann, aber nicht mögen muss. „No More Heroes“ ist definitiv nicht an den Mainstream gerichtet. Ich fand die verrückt-komische Umsetzung jedenfalls genial, da es nur wenig Vergleichbares auf dem Markt gibt. Der Titel sticht allerdings durch eine weitere Besonderheit hervor, die ich hinsichtlich der Wii-Version bereits angesprochen habe: Die Integration der Bewegungssteuerung.

Motion Controls, einmal sinnvoll!

Es gibt sie wirklich: Spiele, bei denen man nicht das Gefühl hat, dass Motion Controls alleine deshalb implementiert wurden, weil dieses Feature gerade im Trend ist, sondern, dass sich die Entwickler etwas dabei gedacht haben. Der Einsatz von PlayStation Move kann im Fall von „No More Heroes“ nur als vorbildlich bezeichnet werden.

Eines der wichtigsten Gameplay-Elemente ist das Kampfsystem, was schlicht und ergreifend daran liegt, dass in diesem Spiel sehr, sehr oft die Waffen sprechen. Mit seinem Laser-Katana säbelt sich Travis auf seinem Weg an die Spitze durch Tausende von Gegnern. Hier war eine sinnvolle Integration von Motion Controls wichtig, die glücklicherweise auch geliefert wurde. Durch horizontales oder vertikales Schwingen des Controllers können Finishing Moves und Würfe durchgeführt, durch Schütteln die Batterien des Laser-Katana aufgeladen werden, damit Travis in der Hitze des Gefechts nicht plötzlich der Saft ausgeht.

Besonders vielseitig gestaltet sich die Anwendung von Move bei den Job-Minispielen. Ob Schütteln, Schwingen oder Kreisen – faul auf der Couch herumlungern ist nicht. Die Bewegungsbefehle sind sinnvoll eingesetzt, dominieren das Spielgeschehen aber nicht, sondern wirken wie ein angenehmer Zusatz. Ihre Umsetzung ist mindestens intuitiv und gelungen, wie es bereits auf der Wii der Fall war – dies ist wichtig, da die normale Steuerung via Gamepad nicht immer ganz zufrieden stellt. Wer allerdings denkt, dass eine Move-Einheit für „Heroes‘ Paradise“ Pflicht ist, den kann ich beruhigen – es lässt sich auch mit dem DualShock- bzw. Sixaxis-Controller problemlos, wenn auch weniger präzise steuern.

SD vs. HD

Ich habe „No More Heroes“ für dieses Review extra noch einmal auf der Wii gespielt, um sicher zu gehen, dass meine Erinnerung mich nicht täuscht. Fazit: Die grafischen Unterschiede zwischen den beiden Versionen halten sich stark in Grenzen. Die Farben sind auf der PS3 deutlich heller und kräftiger, die Texturen detaillierter und höher aufgelöst, außerdem läuft das Spiel insgesamt merklich flüssiger. Dafür wird die knallige Optik durch ein grauenvolles Screen-Tearing gestört, das es in dieser Form nicht einmal auf der Wii gab. Zudem wurden Slowdowns, die bereits auf der Nintendo-Konsole existierten, durch die Portierung nicht beseitigt, weshalb die Framerate in heftigen Kämpfen gerne in den Keller geht.

Besonders lästig sind allerdings zahlreiche Bugs, die ein rasches Fortkommen deutlich erschweren. Ein Beispiel: Vor dem Ranglistenkampf gegen #6 entschied ich, etwas Geld zu verdienen, indem ich Schiffen vom Ufer aus Signale gebe. Nach Beendigung der Mission stellte ich jedoch fest, dass ich nun am Strand gefangen war. Alle Wege zurück in die Stadt waren plötzlich blockiert, weshalb ich meinen Spielstand neu laden und die zuvor ergatterten drei Gold-Medaillen und mehr als 200.000 Cash verloren habe. Auch das Fahren mit dem Motorrad ist eine Risikoangelegenheit, da man gerne an oder zwischen Objekten hängen bleibt und oftmals nicht mehr absteigen kann – wieder hilft nur ein Reload. Das hätte wirklich nicht sein müssen!

Die Offenheit der Stadt ist zudem trügerisch, da es, mit Ausnahme von Collectibles wie T-Shirts oder Lovikov-Bällen, kaum etwas zu entdecken oder zu tun gibt und ihr einziger Zweck die Streckung der Spielzeit zu sein scheint, da man immer erst von A nach B fahren muss, ehe es weitergeht, weshalb das Konzept im Sequel „Desperate Struggle“ wieder verworfen wurde. Hier hätte man sich für die PS3-Portierung ins Zeug legen und zusätzliche Shops oder Minigames schaffen können, damit sich Santa Destroy nicht so trist anfühlt. Das ist nicht geschehen, weshalb mir eines umso unverständlicher ist: Der empfohlene Verkaufspreis in Relation zum gebotenen Spielumfang.

Hätte Konami „Heroes‘ Paradise“ als Budget-Release im 30-Euro-Segment veröffentlicht, gäbe es aus meiner Sicht keinen Grund zur Kritik. Knapp am üblichen 60-Euro-Vollpreis vorbeizuschrammen, obwohl die HD-Version kaum mehr Umfang als das Wii-Original bietet, finde ich einfach dreist. Lässt man die Suche nach Collectibles und die Gold-Herausforderungen beiseite, ist „No More Heroes“ nämlich irrsinnig schnell durchgespielt. Sobald man die ersten 50.000- bis 70.000-LB-Jobs freigespielt hat, ist es sinnlos, sich noch an irgendwelchen anderen Minispiele zu versuchen. Stattdessen wiederholt man diese lukrativen Aufträge so lange, bis genug Geld für den nächsten Ranglistenkampf auf dem Konto ist – je nach Können und Schwierigkeitsgrad ist man in ungefähr sechs bis zehn Stunden schließlich Nummer eins und die Credits laufen über den Schirm. Wieso sollten sich PS3-Besitzer damit zufrieden geben, während für ihre Konsole richtige Open-World-Titel wie „The Elder Scrolls IV: Oblivion“, „Grand Theft Auto IV“ oder „Fallout: New Vegas“ erhältlich sind, die riesige, großteils interaktive Gebiete und hunderte Stunden Spielspaß zu bieten haben?

Im Unterschied zur Wii-Version kam „Heroes‘ Paradise“ unzensiert nach Deutschland, was mich ziemlich überrascht hat, da meterhohe Blutfontänen, die aus Öffnungen spritzen, an deren Stelle noch vor wenigen Sekunden Arme, Beine oder Köpfe saßen, bei hiesigen Jugendschützern normalerweise gar nicht gern gesehen sind. Da die überzogenen Blut- und Splattereffekte meiner Ansicht nach deutlich besser als Rauch- und Staubwolken in das abgedrehte Gesamtbild des Spiels passen, ist die PS3-Version somit auch für Kenner und Besitzer des Originals einen Blick wert.

Fazit, Sebastian Meinke

Noch heute ist „No More Heroes“ eines der besten und witzigsten Wii-Spiele und hat auch durch die aus technischer Sicht mangelhafte Portierung nichts von seinem trashigen Charme verloren. Die „Over The Top“-Präsentation des Originals überzeugt durch den höheren und völlig überzogenen Gewaltgrad noch mehr und die zahlreichen Referenzen auf die japanische und westliche Popkultur sind äußerst gelungen. Für Besitzer von PlayStation Move, die dem schrillen, eigenwilligen Stil etwas abgewinnen und über einige Bugs hinwegsehen können, gilt: Uneingeschränkte Kaufempfehlung!

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