WoW als Strafe

Oder: Wie chinesische Sträflinge Drachen töten!

Was für viele ein spaßiges Hobby ist, wurde für chinesische Sträflinge zur Folter: Ihre Wärter zwangen sie, neben normaler Strafarbeit wie zum Beispiel der Arbeit in Steinbrüchen der Herstellung von Sitzbezügen für westliche Firmen stundenlang „World of Warcraft“, kurz „WoW“, zu spielen. Das Erspielte wurde dann via Internet in die ganze Welt verkauft.

China und die virtuelle Währung

China gilt als der größte und wichtigste Lieferant virtuellen Kleinods. Der „Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung“ zufolge waren bereits 2006 über 200.000 schlecht bezahlte Lohnarbeiter in der „Gold Farming“-Branche tätig. Augenzeugenberichten zufolge wird im Zweischichtbetrieb gearbeitet, weiters soll Essen oder Schlafen möglichst auf dem Firmengelände verrichtet werden, da dadurch der Weg zur lukrativen Arbeit kurz bleibt. Nun, das ist sie zumindest für die Unternehmer. Dass dieser unterbezahlte und eintönige Job dennoch recht beliebt ist, liegt daran, dass andere Arbeiten in China von der Bezahlung her noch weit schlechter gestellt sind. So verdient ein einfacher Bandarbeiter in der Regel deutlich weniger als ein „Goldfarmer“. Richtig ergiebig wird dieses Geschäft natürlich, wenn die Arbeiter gar kein Gehalt verlangen – oder verlangen können. Und genau das wurde im folgenden Beispiel umgesetzt.

Tagsüber schuften, nachts zocken

Wie ein chinesischer Ex-Sträfling dem „Guardian“ unlängst berichtete, wurden er und seine rund 300 Mitgefangenen zum „WoW“-Spielen gezwungen. Tausende Rollenspielfans würden sich allein bei der Vorstellung, dass diese Tätigkeit in den Augen der Häftlinge einer Art Folter gleichkommt, an den Kopf fassen, doch für die Insassen dieser Strafanstalten war das die harte Realität. Tagsüber schufteten sie hart und nachts wurden sie dann für etliche Stunden vor einen Rechner gesetzt um virtuellen Reichtum anzuhäufen, den ihre Wärter dann weiterverkauften.

Der Ex-Sträfling, mit dessen Hilfe die Geschichte aufgedeckt wurde, war vor seiner Inhaftierung übrigens selbst Wärter eines solchen Gefängnisses. In den Knast kam er, weil er sich in seinem Heimatort über Korruption beschwerte und darauf von einem Gericht zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Der Vorwurf: Er habe „illegale Anträge“ gestellt.

„World of Warcraft“ als lukrative Geldquelle

Schon allein durch das obige Beispiel wird deutlich, welches Potenzial in MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role – Play Game) wie „WoW“ steckt – nicht nur hinsichtlich ihrer Ausbaufähigkeit, sondern auch im finanziellen Sinne: Laut der Quelle des „Guardian“ hätten die Wächter an den Verkäufen 540 bis 650 Euro täglich verdient. Ermöglicht wurde dies durch die Vielzahl an Nebengeschäften, die sich rund um das populäre Onlinegame entwickelt haben. Müssten die Spieler sich in der Hierarchie des Spiels eigentlich mühsam hocharbeiten, so gibt es für die Faulen unter ihnen die Möglichkeit, sich den Aufstieg zu erkaufen. Was in vielen Spielstunden erkämpft werden sollte, wird in Sekundenschnelle mit wenigen Mausklicks eingekauft. Kunden scheint es genügend zu geben, sowohl für den offiziellen als auch für den inoffiziellen Markt.

War dieses Geschäftsfeld anfangs noch unprofessionell aufgebaut, findet man heute einen gut strukturierten, professionellen Wirtschaftszweig vor. Jahrelang betrieben Hobbyspieler den Verkauf virtueller Güter über EBay oder ähnlichen Plattformen. Nun gibt es Portale wie IGE.com, die beispielsweise Spielwährungen zum Festpreis und Sofortkauf anbieten. Je nach dem Server, über den der Käufer spielen will, kostet ihn das dort derzeit zwischen 20 und 70 Euro. Jedoch werden nicht nur virtuelle Währungen verkauft. Vom einfachen Item bis hin zum fertig gelevelten Charakter ist auf diesen Märkten alles zu haben. Der betuchte Zocker kann sich also relativ einfach den Aufstieg in der virtuellen Nahrungskette erkaufen.

Noch aktuell?

Aktuell ist das Thema auf jeden Fall durch das immense wirtschaftliche Potenzial, das in dieser Szene steckt, denn dieser Markt wird in Zukunft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weiter florieren. Nicht zuletzt, da diese Art von Spielen immer populärer wird, was die Nachfrage in Zukunft noch weiter in die Höhe treiben wird. Ob das Goldfarmen in chinesischen Gefängnissen, wie im obigen Beispiel beschrieben, noch immer praktiziert wird, kann die Quelle nicht sagen. Er hat seine Haftstrafe im Jahr 2007 abgesessen. 2009 führte die chinesische Regierung ein Gesetz ein, das nur staatlich lizenzierten Firmen den Vertrieb virtueller Waren erlaubt. Dass schwarze Schafe dadurch abgeschreckt werden, ist jedoch eher unwahrscheinlich, da sie dadurch an einem Tag mehr Geld verdienen, als sie sonst in mehreren Monaten durch ihren normalen Job erarbeiten könnten.

Quellen: Guardian.co | Spiegel.de

Bilder:
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