„Das Internet wird immer schlimmer“

Innenminister: Vorratsdatenspeicherung soll es richten

Wenn man den Ausführungen unseres Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU) Glauben schenken mag, so lässt die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2010 nur einen Schluss zu: Da muss was getan werden. Und dazu muss ein Abbau der Privatsphäre her!

Egal, welche renommierte Zeitschrift man derzeit aufschlägt, eine Horrorzahl geistert durch alle Überschriften: 84.377 Fälle von Computerkriminalität – alleine im Jahr 2010. Die Betonung liegt bei dieser Zahl ganz bewusst auf „Computer“, denn nur eine Zeile unterhalb des Hauptbegriffs ist in der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2010 die sogenannte „IuK-Kriminalität“ zu finden, also jene Verbrechen, die tatsächlich mit dem Tatbestandsmerkmal der Informations- und Telekommunikationstechnik zu tun haben – andere nennen es auch Cyberkriminalität.

25.000 Fälle weniger

Schaut man sich diese Teilmenge der Straftaten aus dem Bereich Computerkriminalität etwas genauer an, so wird dem geneigten Leser auffallen, dass die Cyberkriminalität in Deutschland mit rund 25.000 Fällen weniger deutlich unter den Horrorzahlen liegt, wie sie beispielsweise von hoch angesehenen Blättern wie dem Spiegel oder der Süddeutschen Zeitung kommuniziert wurden. Ein Zeichen schlechter Recherche? Vielleicht.

Unter die 59.839 Delikte, welche der Internetkriminalität zuordenbar sind, fallen 11.491 Fälle, die den Bereich „Ausspähen und Abfangen von Daten“ betreffen. Und tatsächlich: Dieser Bereich hatte mit 32,2 Prozent mehr Fällen als im Jahr 2009 einen erschreckend hohen Anstieg zu verzeichnen – auch im Vergleich zu allen anderen erfassten Deliktbereichen. Hier wird allerdings nur eines deutlich: Die Bedeutung von Sicherheits- und Verschlüsselungstechnologien wird in Deutschland immer noch zu sehr unterschätzt.

Die zweitstärkste Veränderung, dieses Mal zur Freude der Unterhaltungsindustrie, fand im Jahr 2010 im Bereich der Urheberrechtsverletzungen im Internet statt. Diese gingen im Vergleich zum Jahr 2009 um rund 29,9 Prozent zurück.

Online-Betrug kaum von Bedeutung

In den Medienberichten hoch angesehener Zeitschriften in Deutschland werden auch die Fälle von Online-Betrug besonders stark „betont“. 27.292 Fälle gab es davon alleine im Jahr 2010 – dem gegenüber stehen rund eine Million Fälle von Offline-Betrug. Im Verhältnis zu den Fällen, die im richtigen Leben stattfinden, spielt der Online-Betrug in Deutschland also tatsächlich keine übergeordnete Rolle – zumindest nicht in der Form, wie man uns Glauben machen möchte.

Innenminister Hans-Peter Friedrich ist sich allerdings sicher: Dieser Entwicklung kann man nur Einhalt gebieten, indem unsere Privatsphäre eingeschränkt wird. Die Vorratsdatenspeicherung – also die Erfassung sämtlicher Telekommunikationsdaten jedes einzelnen Bürgers – ist wieder im Gespräch und soll es richten. Doch wir müssen uns in diesem Zusammenhang alle fragen: Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Stehen diese Überlegungen in Verhältnismäßigkeit zu den Tatsachen? Sicher nicht, wenn man selbst einen Blick in die Kriminalitätsstatistik wirft.

Quelle: Netzpolitik.org

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