Review: Conduit 2 (Wii)

Verkannter Geniestreich oder „Crysis 2“ für Arme?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass es der Wii an guten Spielen abseits des großflächigen Casual-Segments mangelt. Nun eilt High Voltage Software zur Rettung und präsentiert ihr Sequel zu „The Conduit“ – diesmal zwar ohne ein „The“ im Titel, dafür mit zahlreichen Verbesserungen gegenüber dem Erstling im Gepäck. Doch reicht das aus, um verprellte Core-Gamer anzusprechen?

Stargate? Conduit!

In „Conduit 2“ schlüpft der Spieler erneut in die Rolle von Michael Ford, einem ehemaligen Agenten von „The Trust“, einer US-Geheimorganisation, welche die Erde vor außerirdischen Bedrohungen schützt. Im Zuge einer Alien-Invasion fand er heraus, dass deren angeblicher Drahtzieher, ein Wesen namens Prometheus, nicht Befehlshaber der extraterrestrischen Aggressoren, sondern selbst Opfer eines Komplotts ist. Der wahre Schurke ist Fords Commander bei „The Trust“, John Adams, welcher eigentlich kein Mensch, sondern ein außerirdischer Progenitor mit dem Namen Enlil ist. Seit Jahrhunderten träumt er von der Weltherrschaft und nun soll sein Wunsch mit Hilfe einer aus Prometheus‘ DNS geschaffenen Invasionsarmee verwirklicht werden. Um Adams zu schwächen, zerstört Ford den Körper des ihm freundlich gesonnenen Außerirdischen, während dieser sein Bewusstsein in das All-Seeing Eye (oder kurz ASE), ein hoch entwickeltes Chiffriergerät, transferiert. Anschließend hilft das ungewöhnliche Duo bei der Alien-Abwehr in Washington und ballert sich bis in das Trust-Hauptquartier – nur, um möglichst schnell wieder zu fliehen, da dessen Selbstzerstörung eingeleitet wurde.

Ford und Prometheus folgen Adams durch das Conduit – ein interkontinentales Wurmloch, ähnlich den Stargates aus der gleichnamigen Sci-Fi-Serie – und finden sich zu Beginn von „Conduit 2“ auf einer Bohrinsel inmitten eines gewaltigen Sturms wieder. Schnell erkennen sie, dass der Feind bereits vor Ort ist. Ford entwaffnet einen Techniker und nimmt die Verfolgung von Adams auf – um kurz darauf von den tausenden Opfern, darunter wahrscheinlich auch seine Familie, zu erfahren, die bei der (nuklearen) Detonation des Trust-Hauptquartiers umgekommen sind. Von diesem Moment an ist es sein einziges Ziel, Adams umzubringen – keine leichte Aufgabe, denn die Invasion ist schließlich auch noch nicht ausgestanden.

Irdische Grafik…

Die meisten Third-Party-Entwickler haben es auf der Wii schwer. Middleware wie die Source- oder Unreal-Engine gibt es nicht und einen eigenen potenten Grafikmotor zu entwickeln ist, verglichen mit den gewohnt geringen Erfolgsaussichten eines Core-Titels, der nicht von Nintendo selbst stammt, unrentabel. Hier wollte High Voltage Software 2009 Abhilfe schaffen und in „The Conduit“ eine überarbeitete Version ihrer hauseigenen Quantum 3-Engine zur Schau stellen, die bisher ungekannte visuelle Effekte auf die Wii zaubern sollte. Das Resultat war eher ernüchternd: Zwar bot das Spiel eine zweifellos überdurchschnittliche Optik, trotzdem unterlag es aufgrund der äußerst instabilen Framerate und schwankenden Qualität seines Leveldesigns selbst älteren Konkurrenztiteln wie „Metroid Prime 3: Corruption“ oder „Call of Duty: World at War“.

Wie in vielen anderen Bereichen gelobten die Entwickler für den Nachfolger Besserung. Jetzt, wo das Spiel fertig ist und sich in meiner Wii dreht, ist es beinahe schockierend, wie wenig sich technisch gegenüber dem ersten „Conduit“ geändert hat. Gut, das Leveldesign ist deutlich abwechslungsreicher, da Michael Ford nun rund um den Globus geschickt wird und sich unter anderem im zerstörten Washington, der versunkenen Stadt Atlantis, chinesischen Tempeln oder der Eiswüste Sibiriens Aliens und Trust-Agenten erwehren muss, es fehlt aber immer noch die Liebe zum Detail. Daran ist auch die Schwäche der Wii-Hardware unschuldig, denn vielen anderen Studios gelang es schließlich auch, eintönige Räume und Gänge durch kleine Gimmicks (wie unterschiedliche Tapete oder umherliegende Gerätschaften) aufzuwerten und so zu zeigen, dass sie sich nicht trotz, sondern gerade wegen der vorhandenen technischen Limitierung Gedanken um die Gestaltung gemacht haben.

Auch die instabile Framerate des Erstlings „feiert“ ein Comeback. Befinden sich mehrere Gegner gleichzeitig auf dem Schirm, kann es besonders beim Einsatz effektvoller Waffen wie den diversen Laserkanonen sehr rasch zu Geschwindigkeitseinbußen kommen, worunter die Präzision leidet – sofern davon in „Conduit 2“ überhaupt noch die Rede sein kann.

… unterirdische Steuerung

Einer der Gründe, weshalb ich Ego-Shooter auf der Wii eher meide, ist, dass es in den vergangenen fünf Jahren kaum ein Entwickler geschafft hat, ein intuitives Kontrollschema für die vorhandenen Motion Controls zu schaffen, was entweder auf das bizarre Button-Layout der Wii-Mote oder ihrem Mangel an Präzision zurückzuführen war. „The Conduit“ scheiterte seinerzeit ein bisschen an beidem – die Steuerung war fummelig und unpräzise, Classic oder GameCube-Controller wurden nicht unterstützt und MotionPlus war damals noch nicht auf dem Markt. Das ist beim Sequel glücklicherweise anders – wenigstens teilweise.

Neu ist: Sowohl Classic Controller als auch MotionPlus werden unterstützt, was sich verglichen mit der normalen Steuerung als Segen erweist. Alt ist: Das Kontrollschema entspricht dem des ersten Teils, ist also nach wie vor fummelig und bedarf ausgiebigem Herumprobieren mit den Optionen, ehe es sich halbwegs bequem anfühlt. Ich schloss daher nach kurzer Zeit den Classic Controller an und genoss einen Komfort, den man mit der Wii-Mote niemals erlangen könnte. Das wirft allerdings die Frage auf, worin der Reiz eines Wii-Spiels besteht, wenn die Motion Controls nicht funktionieren. Da könnte man sich gleich einen technisch und inhaltlich besseren Ego-Shooter auf einer der HD-Konsolen genehmigen. Steuerung: Nicht genügend.

Eintöniges Gameplay

Ungeachtet der bisherigen Kritikpunkte ist mir das Gameplay von „Conduit 2“ kaum negativ aufgefallen, was aber mit Sicherheit nicht an seiner hohen Qualität liegt. Vielmehr spielt sich SEGAs neuer „Shooter-Star“ so generisch und ist inhaltlich so unauffällig, dass man ihn von vielen anderen Sci-Fi-Shootern nur bedingt unterscheiden kann. Weitläufig sind vor allem die Parallelen zum im März erschienenen „Crysis 2“ (Review): Der Held kämpft ebenfalls in zerstörten Städten gegen eine extraterrestrische Gefahr und bekommt ziemlich früh im Spiel Zugriff auf einen Anzug (hier nicht Nanosuit, sondern Destroyer Armor genannt), der ihm übermenschliche Fähigkeiten verleiht, upgradebar ist und – zum Glück – nicht spricht. Verbale Interventionen gibt es dafür zur Genüge von Fords Partner Prometheus, der entweder das Geschehen kommentiert (was in platten Dialogen resultiert, die direkt aus „Duke Nukem Forever“ stammen könnten – „Come get some!“) oder daran erinnert, dass es in „Conduit 2“ nicht immer ums Befrieden unfreundlicher Aliens geht, sondern auch das ASE ab und zu eingesetzt werden möchte. Für letzteres bin ich ihm dankbar, da das ASE den Großteil der Kampagne über herzlich nutzlos ist, sofern man nicht unbedingt 100 Prozent des Spiels sehen möchte und die Umgebung fanatisch nach Geheimdokumenten absucht, durch die Löcher in der Hintergrundgeschichte ergänzt werden.

Apropos Löcher: Die Handlung von „Conduit 2“ kann nur als unfreiwillig komisch bezeichnet werden. Schamlos bedienten sich die Entwickler jedes größeren Sci-Fi-Klischees, darunter die bereits angesprochenen namensgebenden Conduits, die obligatorische außerirdische und doch menschliche Schönheit (die natürlich, obwohl sie Jahrhunderte in Stase lag, perfekt Englisch spricht) und den machtgierigen Unhold, der versucht, die Weltherrschaft an sich zu reißen (und den Planeten, im Zuge des Krieges, teilweise komplett zerstört). Soll „Conduit 2“ überhaupt ernst genommen werden? Ich habe starke Zweifel. Zudem ist das Abenteuer nach gut fünf Stunden wieder vorbei, einen Wiederspielwert gibt es höchstens für hartgesottene Fans, die auch wirklich jeden Krümel der bizarren Verschwörungstheorie entdecken möchten.

Deutlich gelungener als die maue Kampagne präsentiert sich der Multiplayer-Part. Bis zu zwölf Spieler können sich gleichzeitig in Shooter-typischen Modi wie „Deathmatch“, „Capture the ASE“ (Capture the Flag), „Annexation“ und „VIP“ (King of the Hill), aber auch neue Herausforderungen wie „Bounty Hunter“ (man bekommt einen bestimmten Gegner als Ziel und darf nur ihn töten, jedes andere Opfer kostet Punkte) oder „Balloon Battle“ (man verliert einen Ballon, wenn man getötet wird und bekomme welche für Kills zurück; der letzte Überlebende gewinnt), die zwar auch wenig spektakulär sind, aber immerhin eine der wenigen Innovationen des Spiels darstellen. Alle Mehrspieler-Variationen können wahlweise online oder im Splitscreen für bis zu vier Teilnehmer bestritten werden. Dank Unterstützung des Headbanger-Headsets funktionieren die kooperativen Spielmodi online für Wii-Verhältnisse besonders gut.

Leider ist auch der Multiplayer nicht unproblematisch. Offline rasselt die Framerate bei vier Kontrahenten (und ebenso vielen Bildschirmteilen) gerne in den Keller, sobald es zur Sache geht, während es online nicht selten ein Glücksspiel ist, eine Verbindung zu anderen Spielern zu bekommen. Ob „Conduit 2“ wirklich das Zeug zum Multiplayer-Dauerbrenner auf der Wii hat, bleibt folglich abzuwarten.

Fazit, Sebastian Meinke

„Conduit 2“ ist mit Sicherheit kein schlechtes Spiel. Sein größtes Manko ist seine Insignifikanz, da es, wie sein Vorgänger, in keiner Weise aus dem Shooter-Einheitsbrei hervorsticht. Es hat gute Grafik, aber nicht die beste und taugt somit nicht als neue Referenz. Es kombiniert einen viel zu kurzen Singleplayer- mit einem soliden, aber unspektakulären Multiplayer-Modus. Und es bietet eine inhaltsleere Sci-Fi-Story voller Klischees, dafür ohne richtige Höhepunkte. Vor allem aber haben die Entwickler an der völlig falschen Stelle angesetzt: Die Wii war schon zum Zeitpunkt ihres Erscheinens technisch veraltet, weshalb ein „Crysis“-Nachahmer das Letzte ist, was diese Konsole braucht. Hier geht es nicht um Grafik-Power, sondern um innovative Spielkonzepte, und dabei versagt „Conduit 2“ auf ganzer Linie. Wer unbedingt einen guten Ego-Shooter für seine Wii braucht, ist mit dem grandiosen „GoldenEye 007“ oder Nintendos hauseigener „Metroid Prime“-Trilogie deutlich besser beraten.

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