Review: Mehr, besser und kooperativ mit Portalen denken
„Portal 2“ ist in nahezu allen Bereichen eine bessere Version von Valves 2007er Instant-Klassiker. Statt nur mit zwei Löchern im Raum-Zeit-Gefüge, Würfeln und Schaltern löst ihr Rätsel jetzt mit noch mehr Gimmicks und Kooperation. Nur der Wiederspielwert überzeugt noch nicht.
Die Story vom ersten „Portal“ war relativ simpel: Ihr wacht in einer Forschungseinrichtung von Arperture Science auf und führt unter Anleitung der künstlichen Intelligenz GLaDOS Experimente rund um die Portal-Gun durch. Abgesehen davon, dass diese nicht selten äußerst gefährlich sind, macht GLaDOS irgendwann auch kein Geheimnis mehr daraus, dass am Ende dieser Tests nicht direkt die Freiheit auf euch wartet. Und das wiederum führt dazu, dass Protagonistin Chell GLaDOS röstet, abschaltet und dem Laden sogar fast entkommt. Aber eben nur fast.
Viele, viele Jahre später kommt ihr in „Portal 2“ zu euch und stellt fest, dass das Arperture Science Enrichment Center ziemlich verfallen ist. Mit dem Persönlichkeitskern Wheatley, einem kugelförmigen Roboter, der sich an Schienen durch die Einrichtung bewegt, versucht ihr erneut zu fliehen und weckt bei diesem Versuch GLaDOS wieder auf. Die hat euch nicht vergessen, will euch aber nicht einfach nur umbringen, sondern natürlich auch wieder testen bis zum Umfallen – und das wörtlich. Die Story ist vielschichtiger als im Vorgänger und damit einer der vielen Aspekte, die wunderbar ausgebaut wurden. GLaDOS entkommt ihrer – wenn auch sehr wirksamen und markanten – bösartigen Einseitigkeit etwas und der ein oder andere Twist lockern die Geschichte auf.
Das wird nicht zuletzt von den großartigen englischen Sprechern noch unterstützt. Den Einzelspielermodus dominiert dabei klar Wheatley, der durch seine überdrehte Witzigkeit immer wieder punkten kann, aber auch GLaDOS und Cave Johnson sind zwei Charaktere, die man immer wieder gerne hört. GLaDOS kommt dabei aber vor allem im Koop-Modus wieder an alte Größe heran, wenn sie durch Spitzen und mal unterschwellige, mal eindeutige Kommentare die beiden Spieler gegeneinander aufhetzen will. Dabei sind die Sprecher aber natürlich immer nur so gut wie ihre Texte. Kein Problem, die sind famos – und damit auch der Hauptgrund, „Portal 2“ mehrmals zu spielen. Denn die Rätsel kennt man nach einmaligem Lösen in der Regel, die Sprüche bleiben aber auch auf Dauer witzig.
Nicht nur die Portal-Gun kehrt in Portal 2 zurück
Das führt dann direkt zum wichtigsten Punkt an einem Rätsel-lastigen Spiel wie „Portal 2“: eben zu den Rätseln. Ihr arbeitet euch durch zahlreiche Testkammern und spielt dabei nun mit viel mehr Elementen als noch im ersten „Portal“. Lichtbrücken, diverse Gels und Laser gehören jetzt unter anderem zu euren neuen Hilfsmitteln, mit denen es durch das Enrichment Center geht. Und obwohl immer wieder neue Elemente hinzugefügt werden, ist gerade die Einzelspielerkampagne gut zu schaffen und gibt euch nie das Gefühl, ihr wärt zu doof dafür. Allerdings fühlt sich grade der geübte Spieler von „Portal“ schnell unterfordert. Hängen bleibt ihr hier maximal, wenn ihr aufgrund der ganzen Möglichkeiten die Basics vergesst, die ihr im ersten „Portal“ viel regelmäßiger eingesetzt habt – dass ihr durch Portale auch immer ganz normal durchgehen könnt etwa oder dass Geschwindigkeit erhalten bleibt, Portale euch also durch die Weltgeschichte katapultieren können. Trotzdem sind die Rätsel interessant, clever und Sport für den Kopf. Fieser wird es dann erst im Mehrspielermodus. Hier lässt sich zwar auch vieles noch recht entspannt lösen, aber gleichzeitig sind ein paar Aufgaben dabei, an denen ihr schon etwas nagen werdet. Und das macht selbst dann noch Spaß und funktioniert gut, wenn ihr euch einen zufälligen Forschungspartner von Steam zuteilen lasst. Dank sympathischer Roboter und dem sehr nützlichen Ping-Tool kommt ihr meist nämlich sogar vollkommen ohne Chat aus, um euch bei der Durchführung zu koordinieren. Valve stellt nicht nur gute Rätsel, sondern auch gute Werkzeuge, um diese gemeinschaftlich zu lösen. Das macht Spaß und bietet eine eigene kleine Story.
In späteren Rätseln müsst ihr Elemente immer wieder kombinieren
Sowohl vom Schwierigkeitsgrad als auch von der Spiellänge her ist es schade, dass es keinen Leveleditor gibt. Wie schon viele andere Spiele gezeigt haben, kommt bei so was nämlich immer besonders guter Content raus, der dann dem normalen Spieler wirklich das Hirn einfach nur noch zerfrisst. Da würde sich niemand mehr beschweren, dass „Portal“ zu einfach ist. Und auch an der Spielzeit würde nicht mehr herumgekrittelt werden. Mit sechs bis acht Stunden solo und nochmal um die vier Stunden kooperativ ist „Portal 2“ in der akzeptablen Mitte. Allerdings ist der große Unterschied zu anderen Spielen, die vergleichbar kurz sind, dass diese häufig einen stark ausgeprägten Mehrspielermodus oder einen viel geringeren Preis mitbringen. Da aber bei „Portal 2“ sowohl Single- als auch Multiplayer das Problem haben, dass man diese Rätsel im Grunde nur einmal lösen muss, ist der Wiederspielwert äußerst gering. Alle halbe Jahre freut man sich dann über die Story von GLaDOS, Chell und Co, aber wirklich arbeiten muss man dann für die Lösungen nicht mehr. „Portal“ 1 hatte zwar keinen Mehrspielermodus, dafür aber Advanced Maps und Challenges – zwei Möglichkeiten, die bereits bekannten Karten noch schwerer zu machen und damit die Herausforderung und den Wiederspielwert drastisch zu erhöhen. Da ist es nicht nachvollziehbar, wieso solche Features erst irgendwann per DLC nachgeliefert werden.
Für zwei Köpfe und vier Portale sind auch mehrere Wände kein Problem
Thema DLC: Der erste wurde bereits kostenfrei für den Sommer angekündigt, aber im Spiel selbst habt ihr auch schon jetzt direkt zum Release wahnsinnig viele Downloadinhalte zur Wahl. Allerdings kosten diese recht viel und bringen dafür eigentlich gar nichts. Ihr könnt euch etwa eine Sonnenbrille für eure Roboter im Koop-Modus kaufen – für schlappe 5 Euro. Sicher ganz witzig, sich so zu individualisieren, aber irgendwo wäre es schon nett gewesen, wenn ein Grundstock an diesen Artikel von vornherein für jeden Spieler gratis verfügbar gewesen wäre. So wie es nun ist, ist es kein Weltuntergang, aber großartig ist es auch nicht. In „Unreal Tournament“ wollt ihr ja auch nicht direkt zusätzlich dafür zahlen müssen, wenn ihr nicht mit dem einen vorhandenen Standardskin spielen möchtet.
Fazit:
„Portal 2“ ist ein herausragendes Spiel, dessen Story, Voice Acting und Gameplay das Gros der Konkurrenz in den Schatten stellt und sein Geld definitiv wert ist. Wer es aber lieber ein bisschen fordernder oder zumindest mehr Spielzeit für weniger Geld haben möchte, sollte auf die erste Preisreduktion oder den DLC im Sommer warten. Da der Wiederspielwert bisher nicht sonderlich groß ist, lohnt sich der sofortige Kauf von „Portal 2“ nur bedingt, zumal es an einem langen Samstag schnell durchgeknobelt ist. Wer dagegen gerne eine Extraportion Geld ausgibt, aber keine Lust auf neue Hüte in „Team Fortress 2“ hat, wird mit „Portal 2“ besonders glücklich. Auch hier dürft ihr wieder shoppen, bis das Portemonnaie brennt.
Schlagworte: Chell, EA, GlaDOS, Half-Life 2, PC, Portal, Portal 2, PS3, Review, Valve, Xbox360