Total War: Shogun 2 (PC)

Shogun 2

Review: Creative feilt weiter, erfindet aber nicht neu

Japan, 1550: Das Ashikaga-Shogunat wankt und die Daimyos streben nach der Macht über das zerstrittene Land. In diesem Szenario findet die „Total War“-Serie zurück zu ihren Wurzeln, feilt viele bekannte Konzepte weiter und ergänzt Rollenspiel-Elemente. Reicht das für Fans?

In den Geschichtsbüchern steht geschrieben, dass das Haus Ashigaka noch bis 1597 an der Macht war und mit dem Shogun den wahren Herrscher Japans stellte, während der Tenno (halbwegs vergleichbar mit unserer Vorstellung eines Kaisers) nur zum Schein im Amt saß. Doch mit Creative Assemblys jüngst veröffentlichtem „Total War: Shogun 2“ könnt ihr diese Bücher zumindest virtuell neu schreiben. Ihr fangt als kleiner Daimyo an und seid damit Fürst einer der Provinzen des zerstrittenen Japans. Über die Jahre baut ihr eure Armeen und Infrastrukturen aus, nehmt andere Provinzen ein und führt eure Truppen schließlich gen Kyoto. Hier sitzt der amtierende Shogun und wartet nur darauf, von euch gewaltsam abgelöst zu werden.

Bevor ihr euch aber ins eigentliche Gameplay stürzt, beeindruckt schon die Präsentation. Das Flair von Shogun 2 ist wahnsinnig gut gelungen. Allein schon der Soundtrack haut ordentlich rein – und das wörtlich, denn Japan-typisch ist er immer wieder sehr Trommel-lastig. Wer Japan kennt und liebt, wird in der Musik von Shogun 2 vor Glück aufgehen. Und auch fürs Auge bietet das neue Total War einiges. Allem voran sind da die sehr stimmigen Videos, wenn etwa ein Clan zerstört wird oder ein Ninja sich in ein feindliches Lager schleicht. Und auch die Reden eurer Generäle wirken dank der japanischen Sprachausgabe äußerst authentisch. Aber auch über das Flair von Musik und Videos hinaus ist Shogun 2 hübsch anzusehen und detailverliebt designt: Während erforschte Gebiete der Weltkarte je nach Jahreszeit etwa bunt und belebt oder düster und kalt sind, sind unentdeckte Provinzen durch kalligraphische Linienführung und Leinenfasern authentisch im Stil einer alten Karte gehalten. Und auch eure Truppen haben viel Liebe erfahren. Ihr werdet wahrscheinlich nur selten so nah an sie heranzoomen, dass ihr das sehen könnt, aber die einzelnen Einheiten sind nicht nur schick gestaltet, sondern auch kleine Individuen, was sich aufgrund der recht uniformen Rüstung vor allem in Gesicht und Kopfschmuck zeigt. Bei all den Details fällt dann aber leider auch recht stark auf, wenn diese eben mal fehlen. Gerade, wenn ihr massenweise Verhandlungen führt, ist es schon komisch, dass alle anderen Parteien nicht nur immer wieder dieselben Sprüche ablassen, sondern auch mit derselben Stimme sprechen. Wenn es schon keine Dialekte gibt, wären zumindest zwei oder drei Sprecher eine Option gewesen.

Dank diverser Details führt ihr keine Klon-Armeen an

Grundsätzlich funktioniert „Shogun 2“ wie jedes andere Total War. Rundenbasiert plant ihr eure Truppenbewegungen und organisiert auf sehr einfachem Niveau eure Provinzen, während ihr Schlachten entweder in Echtzeit schlagt oder vom Computer durchrechnen lasst. Die einzelnen Clans unterscheiden sich dabei nur marginal durch leichte Schwerpunkte, aber neben den typischen Kriegern mit Schwert, Bogen oder Speer stehen euch noch einige andere historische Einheiten zur Verfügung. Das ist zwar noch nicht auf dem Level von „StarCraft 2“, bei dem jede noch so kleine Einheit individuell heraussticht, aber gerade in Großschlachten unter Einbezug all der anderen Faktoren wie Moral, Terrain und Fähigkeiten mehr als genügend, um ungeübte Strategen komplett zu überfordern. Wer dagegen schon Erfahrung mit Total War hat, findet sich schnell zurecht und erkennt bekannte Schemata wieder. Für diese Spieler ist „Shogun 2“ vor allem ein stimmiger neuer Anstrich eines alten Konzepts. Schade ist hier vor allem, dass die künstliche Intelligenz nicht immer dieses Namens würdig ist, sondern sich immer wieder dumm verhält – obwohl Creative Assembly sich für diese Schöpfung natürlich im Vorfeld selbst beweihräuchert hat. Immerhin könnt ihr das ausgleichen, indem ihr andere Spieler die Rolle des Computers übernehmen lasst. Das macht den Schwierigkeitsgrad der Kampagne natürlich unvorhersehbar, verhindert aber nervige Aussetzer.

Mehr Authentizität dank pathetischer Reden

Total War: Shogun 2 reduziert sich aber nicht auf reguläre Kämpfe. Allem voran müsst ihr auch eure Provinzen organisieren. Das steht zwar nicht im Fokus des Spiels und ist entsprechend auch nicht mit den gigantischen Ausbaumöglichkeiten eines „Civilization“ vergleichbar, darf aber trotzdem nicht vernachlässigt werden. Steuern und religiöse Schwankungen etwa sorgen schnell für Aufstände und Rebellen können sich teilweise in recht großen – und damit für den Daimyo nervigen – Armeen organisieren. Ab davon ist aber auch Politik ein wichtiges Feature. Handel bringt Geld und gute Beziehungen, Allianzen Sicherheit und Verpflichtungen – und entsprechend den Verlust von Ehre, wenn ihr diesen nicht nachkommt. Und natürlich ist für die traditionsbewussten Japaner auch Familie nicht unwichtig. Generäle könnt ihr etwa in eure Familie adoptieren und die Kinder von Alliierten mit euren eigenen vermählen, um Loyalität zu sichern. Allerdings zeigt die Geschichte, dass auch Verwandtschaft nicht vor Verrat schützt. Zieht ihr in Diplomatie und offenen Schlachten den Kürzeren, habt ihr außerdem immer noch die Möglichkeit, Spezialisten anzuheuern, die euren Gegnern gegen Geld das Leben zur Hölle machen. Ninja und Geisha etwa, indem sie wichtige Persönlichkeiten ermorden, Armeen sabotieren oder Tore öffnen. Genug zu tun habt ihr als Shogun in Arbeit auf jeden Fall.

Links das eigene Reich, rechts die unbekannte Fremde

Allerdings sind diese Features im Großen und Ganzen ein alter Hut. „Shogun 2“ ist an sich ein sehr gutes Spiel, aber was sollte Fans des Franchises – ab von ihrem Faible für Japan – motivieren, sich schon wieder einen Ableger von Total War zu kaufen? Erst 2010 ist doch Napoleon erschienen, 2009 Empire und davor seit 2000 Shogun, Medieval, Rome und Medieval II – alle mit Erweiterungen. Total War hat damit schon fast den Rhythmus eines Sportspiels erreicht. Aber im Gegensatz zu diesen bringt „Shogun 2“ trotz des bekannten Schemas doch noch einige auffällige Neuerungen und Verfeinerungen mit. So zeigt sich auch hier wieder, dass Spieleentwickler derzeit klar denken, dass alles mit Rollenspielelementen besser wird. Ein solches Element ist die Möglichkeit, eure Charaktere zu trainieren und ihnen nach Erreichen neuer Stufen neue Fähigkeiten zu verpassen. So sammelt jede spezielle Einheit Erfahrung, wenn sie Aktionen durchführt. Euer Daimyo und andere Generäle etwa, wenn sie Schlachten führen oder selbst Einheiten besiegen, Ninjas, wenn sie sich erfolgreich Zutritt zu einem Lager verschaffen, und Mönche, während sie sich fröhlich zum Buddhismus bekehren. Durch neue Fähigkeiten und Boni, die die Einheiten auch so abhängig von ihren Taten erhalten, könnt ihr einzelne Spezialisten oder Allrounder ausbilden. Etwa einen Ninja, der sich so sehr auf Attentate konzentriert, dass sogar der Shogun selbst ihn fürchten muss, oder einen General, dessen Bogenschützen das linke Auge einer Fliege treffen, während die Konkurrenz Probleme hat, geradeaus zu zielen. Das ist nicht nur nützlich, sondern motiviert auch, solche Einheiten häufig einzusetzen. Und über die Fähigkeiten einzelner Einheiten hinaus gibt es auch Künste, die ihr erforschen dürft und solltet. Dabei dürft ihr zwei unterschiedliche Bäume ausbauen – Bushido und Chi. Der eine ist konzentriert auf den „Weg des Kriegers „, also den offenen Konflikt, der andere dagegen auf Kultur und List. Technologien schalten neue Gebäude, Fähigkeiten und Boni frei und prägen so dann deutlich euren Spielstil.

Befestigungen überrennen kostet viele Leben

Habt ihr irgendwann genug von der KI, der Kampagne und den historischen Szenarien gesehen, bleibt immer noch der Mehrspielermodus. Und hier kommt ein weiterer Brummer auf euch zu, der euch endlos beschäftigen kann. Einerseits gibt es die Mehrspielerkampagne, die ihr kooperativ mit oder kompetitiv gegen einen Freund spielen könnt. Darüber hinaus gibt es auch noch Avatar Conquest. Auch hier habt ihr die Karte Japans vor euch, nutzt sie aber simpler als in der Kampagne. Ihr verschiebt eure Figuren – eine für Land- und eine für Seestreitkräfte – auf einen Sektor, um den ihr kämpfen wollt, und bekommt diesen nach einem Sieg zu eurem Reich dazu. Da jeder Sektor Boni oder neue Einheiten bringt, wollt ihr also gerade zu Beginn das ganze Land erobern. Im simplen Mehrspielermodus, bei dem es nur um euch und euren Gegner geht, konkurriert ihr dabei nicht um die Länder. Geht es jedoch auf Clan-Ebene sind die Provinzen Maßeinheit für die Besten der Besten, durch die entschieden wird, wer einen Rang aufsteigt. Gerade wenn ihr euch also in Clans organisiert, bietet der Mehrspielermodus noch mal sehr viel mehr Inhalte. Dann allerdings mit noch stärker reduziertem wirtschaftlichen Teil und sehr viel größerem Fokus auf den eigentlichen Kämpfen.

Fazit:

Für sich allein betrachtet ist Total War: Shogun 2 schon ein extrem gutes Spiel und im Vergleich zum Rest der Serie ist es wohl das beste. Es nimmt bekannte Elemente, poliert sowohl das Gameplay als auch die Präsentation weiter auf und ergänzt ein paar neue Elemente. Allerdings lässt deren geringe Zahl den Vorwurf von Fans zu, dass der Serie nach zehn Jahren die Innovation ausgegangen ist. Und da etwa Napoleon und Empire noch recht jung und ebenfalls sehr gut sind, sind sie akzeptable Alternativen, wenn euch Shogun 2 zurzeit noch zu teuer ist. Trotz kleiner Mankos wie ab und an auftretenden Aussetzern der künstlichen Intelligenz (die hoffentlich demnächst gepatcht werden), sollten Strategiefans mit Japan-Faible aber auf jeden Fall früher oder später zuschlagen – und Anfänger sich die Zeit nehmen, die umfangreiche Enzyklopädie des Spiels zu lesen.

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