Nach „Dragon Age: Origins“ muss die PC-Version von „Dragon Age 2“ in große Fußstapfen treten – und füllt sie leider nicht. Das heißt aber nicht direkt, dass BioWare ein mieses Spiel abgeliefert hat. „Dragon Age 2“ weist nur eben Schwächen auf, die so nicht hätten sein müssen und die die an sich gute Atmosphäre stören.
Atmosphäre ist auch genau das, was in „Dragon Age 2“ am meisten überzeugt. Ein großer Pluspunkt, denn die wichtigste Zutat für ein packendes Rollenspiel ist bis heute nicht eine möglichst große Zahl an Kämpfen, die genauso schnell actiongeladen und explosiv enden, wie sie Sekunden vorher begonnen haben. Auch wenn die Story etwas träge beginnt und ihr euch ab und an weniger wie in einem Spiel und mehr wie beim Verrichten harter Arbeit fühlt – kein Wunder, geht es in Akt 1 doch vor allem darum, durch Dienstleistungen Gold zu sammeln -, nehmen die verschiedenen Konflikte danach angenehm Fahrt auf. Und so abzusehen manche Entwicklung ist, so spannend ist es, sie zu verfolgen.
Dabei geht es nicht wie in Origins um eine große Bedrohung, die ganze Länder verschlingen könnte und nur von einem selbstlosen Helden aufgehalten werden kann. Die Konflikte und Gefahren sind hier viel kleiner und trotz des Fantasy-Szenarios nachvollziehbarer. Das Spiel thematisiert kritische Themen wie Glaubenskonflikte und die allgegenwärtige Diskussion, ob Freiheit und Gleichberechtigung gegen die Illusion von Sicherheit und Frieden getauscht werden sollten. „Dragon Age 2“ zeigt, dass es keinen großen dämonischen Feind braucht – auch wenn diese natürlich ebenfalls vorkommen -, wenn das Leben auch so viele realistische Szenarien bietet, die sich mehr oder minder direkt auf eine Fantasy-Welt übertragen lassen. Schade ist nur, dass sich die meisten Probleme im Endeffekt dann doch wieder in einen Kampf auflösen. Dabei beeinflussen Entscheidungen oftmals nicht, ob ihr einen Kampf tatsächlich führen müsst, sondern nur, wie die gegnerische Partei aussieht.
In einer Fantasy-Welt voller Elfen, Zwerge und Drachen spielt ihr Hawke – nach Belieben männlicher oder weiblicher Mensch -, der aus seinem Heimatort Lothering flüchtet, kurz bevor dieser von der dunklen Brut zerstört wird. Ort und Gegner sind bereits aus Origins bekannt, aber während sich die Spiele im Prolog noch zeitlich halbwegs decken, nehmt ihr im weiteren Verlauf von „Dragon Age 2“ keinen Einfluss mehr darauf und springt mit jedem Akt ein paar Jahre in die Zukunft. Bereits sehr früh wird davon berichtet, dass und wie der Held von Ferelden den Arch-Dämon besiegt und die Brut zurück in den Untergrund vertrieben hat. So und in anderen kleinen Events könnt ihr eure eigenen Taten aus Origins in „Dragon Age 2“ wiederfinden. Das ist nett, hat aber aufgrund der Distanz zum Vorgänger nicht das Gewicht, das ein importierter Spielstand haben kann. Eure Welt dreht sich nun nämlich nahezu gänzlich um die Stadt Kirkwall, gewürzt mit kleinen Abstechern in die umliegende Wildnis. Im Laufe der drei Akte arbeitet ihr euch vom Flüchtling hoch zum Champion der Stadt und beeinflusst ihre Entwicklung, indem ihr teils sehr tiefgreifende Entscheidungen fällt.
Immer für einen witzigen Spruch zu haben: eure Party
Für die Atmosphäre seit „Dragon Age: Origins“ nicht mehr wegzudenken sind die Unterhaltungen zwischen euren Party-Mitgliedern. Schon damals gab es gewisse Trigger-Punkte, an denen sich zwei eurer Kollegen in kurze, aber charakterstarke Unterhaltungen über Glauben, Differenzen und Eigenheiten vertieften – je länger ihr dann zwei Charaktere dabei hattet, desto weiter wurden diese Gespräche mit der Zeit vertieft. Auch „Dragon Age 2“ bietet dieses Feature wieder und lässt es nicht nur häufiger auftreten, sondern hat es auch ausgebaut. Zwar unterhalten sich noch immer standardmäßig nur zwei eurer drei Compagnons, allerdings mischt sich auch gerne mal das dritte Gesicht mit ein, wenn es Charakter und Situation zulassen. Zwar sind auch hier schnell die Punkte erkannt, an denen so ein Gespräch beginnt, trotzdem trägt das Feature sehr angenehm zur Lebendigkeit von „Dragon Age 2“ bei. Auch das Schwanken zwischen Freundschaft und Rivalität und die interessanten Hintergrundgeschichten zu den Quests eurer Party-Mitglieder zeichnen schön vielschichtige Bilder. Dass BioWare aber tatsächlich noch immer die Notwendigkeit sieht, weibliche Charaktere teilweise mit extrem ausgeprägten Brüsten à la Körbchengröße F auszustatten, fällt bei aller Leidenschaft für den weiblichen Körper fast nervig auf. Und auch dass die Charaktermodels scheinbar nicht altern können und selbst 100-Jährige häufig aussehen, als wären sie 30, trägt nicht zur Immersion bei.
Was Miranda für „Mass Effect 2“ ist, ist Isabella für „Dragon Age 2“
Wenn die Geschichte und die Charaktere die eine Seite der Quests – worum sonst dreht es sich im Rollenspiel – sind, sind Kämpfe die andere. Und auch, wenn „Dragon Age 2“ hier nicht völlig versagt, werden einige Änderungen Fans von Origins und den „Baldur’s Gate“-Spielen doch schmerzen. Allem voran ist aus grafischen Gründen die Kamera nun stark beschränkt und eine Draufsicht auf das Kampfgeschehen daher nun nicht mehr möglich. Wer so aus leicht schrägem Sichtwinkel einen Flächenzauber bewusst perfekt platzieren will, hat leider gelitten. Auch dass erst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad Verbündete durch eigene Flächenangriffe verwundet werden, ist eine Erleichterung, die Veteranen stören dürfte, wenn sie „nur“ schwer spielen möchten. Allerdings ist diese Änderung notwendig, denn „Dragon Age 2“ stellt euch nicht mehr überschaubare Feindgruppen gegenüber, sondern überschwemmt euch förmlich mit Kanonenfutter, das sich eben nur mit Flächenangriffen gut kontrollieren lässt.
Bitte eine Nummer ziehen und warten: Angriffe in Wellen
Gleichzeitig läuft aber jeder Kampf nahezu gleich ab, indem nach der ersten Welle eine zweite und vielleicht sogar dritte, vierte und fünfte folgt. Dieses Schema nervt ab der ersten Minute, besonders da die Feinde teilweise aus dem Nichts auftauchen. Gekämpft wird so schon sehr viel, aber dann hätte man die Gegnerzahl auch einfach verringern und die Einheiten dafür schwerer machen, mehr kleine Kämpfe verteilen oder einfach grundsätzlich das ganze Geschlachte reduzieren können. Dass aus unverständlichen Gründen euer Inventar mit den immer selben Junk-Items vollgemüllt wird, die ihr sowieso nur braucht, um sie zu Gold zu machen, dass ihr nur eure eigene Rüstung wechseln könnt und euren Partymitgliedern nur Ringe, Ketten und Gürtel anstecken dürft, und dass das Balancing von „Dragon Age 2“ extrem schwankt, geht im Vergleich zu diesem verdammten Wellen-Schema schon in einem Nebensatz unter. All das lässt sich immerhin irgendwie mit Rollenspielgedanken erklären, dass aber der zweite Trupp der Orc-ähnliche Hurlocs brav wartet, bis ihr die erste Welle erledigt habt, um dann Star-Trek-mäßig ins Bild gebeamt zu werden, scheint nicht nur unlogisch, sondern macht einen Kampf auch nicht gerade spannender, wenn es dauernd passiert. In Maßen und überraschend eingesetzt – und dann so, dass das Spawnen neuer Einheiten nicht im Blickfeld passiert – wäre das effektiver und schöner gewesen.
Was wäre „Dragon Age“ ohne Drachen
Kämpfe sind in „Dragon Age 2“ aber nicht nur schlecht. Das Skill-System ist für manchen Geschmack sicher ein wenig zu vereinfacht und trotz vieler Fähigkeiten zu reich an passiven Verbesserungen, bietet aber gleichzeitig Zugänglichkeit für Anfänger und Tuning-Möglichkeiten für Profis. Auch das Strategie-Menü wurde optimiert, sodass ihr euren Gefährten noch einfacher dauerhafte Anweisungen geben könnt, wie sie sich in bestimmten wiederkehrenden Situationen verhalten sollen. Und dankenswerterweise ist die taktische Pause erhalten geblieben, durch die ihr selbst in der unübersichtlichsten Situation noch alle Zeit der Welt habt, um zu analysieren und zu reagieren. Dass euch dabei die Vogelperspektive fehlt, ist ärgerlich, wichtig bleibt die Pause aber trotzdem.
„DA2″s größtes Manko: Schlampiges Copy & Paste
Gegner aus dem Nichts sind sicherlich ein Atmosphärekiller, aber noch viel schlimmer ist es, wenn ihr zig Lagerhallen, Höhlen und Strände erforscht und die sich alle ähneln wie ein Ei dem anderen. Recycling in allen Ehren, aber was BioWare hier beim Dungeon-Design abgeliefert hat, ist unter aller Sau. Das muss man wahrscheinlich erst sehen, um es wirklich zu verstehen, aber im Grunde schlagt ihr – mit wenigen Ausnahmen – alle eure Kämpfe in Gebieten, die ihr bereits gesehen habt oder noch mehrfach wiedersehen werdet – dann allerdings unter einem anderen Namen. Die verschiedenen Areal-Vorlagen kann man gefühlt an einer Hand abzählen. Für verschiedene Quests betretet ihr beispielsweise in den Docks von Kirkwall Gebäude, die alle aussehen wie ein und dieselbe Lagerhalle mit Anlegestelle. Mal kommt ihr durch die östliche Tür, mal durch die nördliche, aber geschnitten ist sie gleich. Teilweise liegen sogar die Fallen an den gleichen Orten. Und selbst wenn mal ein Teil des Gebäudes in einer Version nicht zugänglich ist, ist das für die Entwickler kein Grund, den Raum hinter einer verriegelten Tür von der Karte zu entfernen. Das ist nicht nur verwirrend, sondern wie schon erwähnt einfach faul. Zurückzuführen ist das wahrscheinlich auf den extrem kurzen Entwicklungszeitraum von nur knapp einem Jahr. Allerdings ist das nur ein Grund, keine Entschuldigung. Atmosphärisch ist das nämlich ein Schlag direkt ins Gesicht – ganz besonders für Fans von BioWare, die sich von „Dragon Age 2“ mehr erhofft hatten als nur einen Versuch von EA, möglichst schnell die Marke weiter zu melken.
Glaubt man der Karte, geht es hier weiter
Fazit
Wenn euch eine gute Story und schön gezeichnete Charaktere alleine genügen, um euer BioWare-Fan-Dasein zu begründen, ist „Dragon Age 2“ schon jetzt alles andere als ein Fehlkauf. Wenn euch aber die teils sehr nervigen Änderungen am Kampfsystem, Monsterwellen und vor allem Dungeon-Recycling auf den Senkel gehen, solltet ihr nach der Demo dagegen entweder die Finger komplett von „Dragon Age 2“ lassen oder warten bis ihr es günstig im Angebot seht. Ein zwingender Sofortkauf ist BioWares Jüngstes leider nicht.
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