Das #Musik Filmreview: I Heart Huckabees

Lange hat es gedauert, doch nun kommen auch Kinofans auf ihre Kosten. InZusammenarbeit mit FilmSzene.de präsentiert Euch RauteMusik nun jeden Donnerstag brandneu das Film-Review der Woche. Ob Kassenschlageroder Totalausfall, hier erfahrt ihr es als Erstes.

Einer der wohl vielversprechendsten Filme 2005, erreicht am heutigen Tag die deutschen Kinos. Gespickt mit schauspielerischer Höchstleistung in Person von Jude Law, besticht der Streifen nichtzuletzt durch seinen gelungenen Sarkasmus.

Umweltaktivist Albert Markovski (Jason Schwartzman,“Rushmore“) macht sich Gedanken über die Bedeutung eines Zufalls, der ihm widerfahren ist, und heuert deshalb die existentiellen Detektive Bernard und Vivian (Dustin Hoffman und Lily Tomlin) an,damit sie ihm helfen, Ordnung und Sinn in sein Dasein zu bringen. Größter aktueller Unruheherd in diesem Dasein ist der Marketing-Manager Brad Stand (Jude Law) von der KaufhausketteHuckabees, der sich gerade in Alberts Umweltschutzgruppe einschleicht, um ein bisschen kostenlose Pro-Natur-PR für sein Unternehmen zu generieren. Dessen blendend gepflegtes Leben mit Huckabees’Werbeikone Dawn (Naomi Watts) als Vorzeigefreundin gerät jedoch auch bald aus den Fugen, als er selbst Bernard und Vivian anheuert – und mit existentiellen Fragen konfrontiert wird, die er sichgar nicht stellen wollte. Feuerwehrmann Tommy (Mark Wahlberg) – seit „dieser September-Sache“ sinnsuchender Klient des Schnüffler-Duos – ist da schon eine ganze Ecke weiter, der positiven „Wirsind alle miteinander verbunden“-Philosophie seiner Mentoren inzwischen abtrünnig geworden und stattdessen ein Anhänger der französischen Nihilistin Caterine Vauban (Isabelle Huppert).Und die mischt sich denn auch alsbald in den Kampf um Alberts existentialistische Grundeinstellung ein.

Alles klar? Oder gar nichts? Zugegeben: Ganz leichtzu durchschauen ist das neue Werk von Regisseur und Autor David O. Russell ganz sicher nicht. Der hat sich immerhin fünf Jahre Zeit gelassen mit dem Nachfolger seines brillanten Golfkriegsfilms“Three Kings“, und treibt mit seinem neuen Werk nicht nur seine Hauptcharaktere (auf der Suche nach sich selbst), sondern auch das Publikum halb in den Wahnsinn. Denn die waghalsige Achterbahnfahrtvon „I Heart Huckabees“ durch existenzphilosophische Grundsatzdebatten, das Beziehungsgeflecht seiner Hauptfiguren und eine Vielzahl von absurden, skurrilen oder einfach nur völligdurchgeknallten Szenen ist ebenso temporeich wie schwer zu verstehen. Zum einen, weil der Film seine stringente Dramaturgie – sofern er denn überhaupt eine hat – hoffnungslos verschüttetunter all den Diskussionen zwischen Sinnstiftern und Sinnsuchern; zum zweiten, weil nicht so recht klar wird, wo der Film eigentlich hin will.
Was genau genommen nur konsequent ist, denn wenn man sich anschaut, mit welch treffendem satirischen Biss Russell hier jegliche Aspekte der Selbstfindung und Sinnsuche aufs Korn nimmt, und sich soaugenzwinkernd über eine Suche lustig macht, die jeder irgendwie oder irgendwann durchläuft, die aber nie zu einer wirklichen Lösung oder endgültig befriedigenden Antwortführen kann – dann ist es eben nur konsequent, dass der Film das auch nicht tut.

Um brillant zu unterhalten, braucht er das auch nicht: Von der ersten Sekunde an feuert Russell mit ungebändigter Energie und Geschwindigkeit aus allen Rohren, lässt seine Star-Besetzungein wortgewitztes Stakkato herunterbeten und macht sich augenzwinkernd über so viele Sachen gleichzeitig lustig, dass die Hälfte schon wieder unter den Tisch zu fallen droht. Allein dieIdee, dass man sich im Zeitalter des Outsourcing und des spezialisierten Dienstleistungsgewerbes sogar jemanden finden kann, der die existenzielle Selbstfindung für einen übernimmt, istgenial – doch auch nur der Anfangspunkt für eine Farce, in der beinahe jeder populärpsychologische Ansatz zur Ergründung der eigenen Persönlichkeit und zur Festigung des Selbstmal kurz sein Fett abbekommt und als Mumpitz entlarvt wird. „I Heart Huckabees“ trägt die überdeutliche Handschrift eines Zynikers, der genau diesen Suchprozess durchlaufen hat und genausoahnungslos daraus hervorging, wie er davor schon gewesen ist. Was dann auch erklären würde, warum Russell für diesen Film fünf Jahre gebraucht hat.

Wie ein Sinnsuchender selbst torkelt „I HeartHuckabees“ aber auch mehr, als dass er sich zielstrebig in eine Richtung bewegt: Fortlaufend flitzt der Film auf der Tangente eines Subplots davon, ist David O. Russell mehr daran gelegen, noch einblitzgescheites Wortgefecht unter zu bringen als seinen Film irgendwie kohärent zu halten. Dass er gleichzeitig zahlreiche Szenen mit absurder Komik auflädt, ist ein gelungenes Hilfsmittel,um das Publikum bei Laune und bei der Stange zu halten – ansonsten wäre man von „I Heart Huckabees“ wohl schon nach weniger als einer Stunde komplett erledigt. Der Witz ist es, der einen im Sitzhält – und auch erfolgreich lang genug davon abhält, sich darüber Gedanken zu machen, was der Film eigentlich will. Wenn es je einen Streifen ohne klar ersichtliche Zielgruppe gegebenhat – bitte schön, hier ist er. Russell hat hier so kompromisslos den Film gedreht, der sich in seinem Kopf abgespielt hat, dass er so ziemlich alle anderen darüber vergessen hat. Was nichtheißt, dass man sich „I Heart Huckabees“ nicht ansehen sollte. Nur, dass er in Thema und Machart (und vor allem mit diesem Titel) schlichtweg ein Alptraum für jede Marketing-Abteilung ist.Da wundert es dann auch nicht weiter, dass der deutsche Starttermin ein halbes Jahr lang immer weiter nach hinten verschoben wurde.
Wenn es auch schwer sein dürfte, dem Publikum eine parodistische Komödie über Selbstsuche schmackhaft zu machen: Die A-Riege Hollywoods scheint dafür gleich Feuer und Flamme zusein. Independents mit einem Staraufkommen wie diesem sind stets eine Garantie für ein famos geschriebenes Drehbuch mit derart ausgefallenen Charakteren, dass die großen Namen sich mitHandkuss dafür zur Verfügung stellen – einfach, weil es solchen Spaß macht. Dementsprechend brillant aufgelegt sind denn hier auch durch die Bank alle: Von Dustin Hoffman mit einemunglaublichen Toupé bis hin zu Naomi Watts, die als hirnfreie Werbe-Blondine ihr bäuerliches Ich und die harte Wahrheit für sich entdeckt.

Durchgeknallt, blitzgescheit und ebenso schnell von der ersten bis zur letzten Minute ist „I Heart Huckabees“ sicherlich oftmals verwirrend und mindestens so sinnbedürftig wie seineProtagonisten, aber alles andere als auch nur ansatzweise langweilig. Stattdessen darf man teilhaben an einer derart enthusiastisch vorgetragenen und umgesetzten Tour de Force, dass man sich selbstliebend gerne mitreißen lässt, selbst wenn es nirgendwo hinführt. Wenn die Suche nach Antworten in sich selbst schon ein Witz ist, und unterbelichtete Ahnungslosigkeit fast schon alsSegen erscheint, dann kann man zumindest mit dem leicht erhebenden Gefühl aus dem Kino gehen, dass die Welt wirklich keinen Sinn ergibt. Und man mit dieser Erkenntnis bei weitem nicht alleineist.

Quelle: Filmszene.de

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