3D ist der Technik-Trend unserer Zeit. Jeder will es, hat es und zahlt Unmengen an Geld für mehr davon. Ein Narr, wer nicht auf diesen Zug aufspringt. Nintendo will da natürlich ebenfalls mitschwimmen und hat mit dem 3DS ein Produkt geschaffen, das keiner braucht.
Der 3DS ist gelandet und bringt uns alle endlich in die nächste Dimension. Das Gerät ist die fünfte Version von Nintendos DS, dem 2005 erschienenen Handheld, der damals mit zwei Bildschirmen (Dual Screen) und Touch-Steuerung eine kleine Revolution war. Mit dem 3DS ist Nintendo nun die erste Firma, die 3D-Bilder ohne zusätzliche Brille darstellen kann. Da das Gerät gleichzeitig auch die bisherigen Funktionen der DS-Reihe behalten sollte, ist allerdings nur der obere Bildschirm 3D-fähig, während der untere weiterhin auf Berührung reagiert. Und der 3DS kann natürlich noch mehr. Das Gerät ist leistungsstärker als Wii und DSi, bringt Augmented-Reality-Features und Bewegungssteuerung mit und setzt stark auf soziales Gaming. Warum sitze ich dann eigentlich hier und schreibe über den 3DS, statt mich voll in seiner viel-dimensionalen Welt zu verlieren?
Viele Spiele, keine Pflichtkäufe
Zwei Wochen lang habe ich mich jetzt mit dem 3DS beschäftigt und seine Features getestet. Dafür hat mir die aqua-blaue Version so zur Verfügung gestanden, wie ihr sie mittlerweile im Laden kaufen könnt. Außerdem hatte ich die drei Spiele „Super Street Fighter IV“, „Pilotwings Ressort“ und „Nintendogs & Cats“. Das Fazit aus dieser Zeit in aller Kürze: Wer bereits einen DS Lite, DSi oder DSi XL besitzt, braucht das neue Nintendo-Gerät definitiv noch nicht und sollte auf Angebote oder die nächste Generation warten. Die technischen Spielereien sind nett, aber nichts dauerhaft Sinnvolles, manche Funktionen fehlen und der Spielekatalog ist zwar nicht schlecht, aber auch nicht so dermaßen gut, dass ihr den 3DS jetzt sofort braucht. Die echten Schwergewichte wie „Ocarina of Time“ und das neue „Super Mario“ haben noch nicht einmal ein Veröffentlichungsdatum und „Street Fighter IV“ mag den aktuellen Pool zwar anführen, ist aber auch auf jeder anderen Konsole zu haben.
Die 3D-Fähigkeit mag nicht das einzige neue Feature des 3DS sein, aber es führt die Parade für die meisten Menschen eindeutig an. Ich bin keiner dieser Menschen. Ich finde es beeindruckend, dass Nintendo es tatsächlich geschafft hat, die leidigen Brillen abzuschaffen, aber der Effekt ist nahezu reine Kosmetik, bringt entsprechend kaum Gewinn und sorgt im Gegenzug eher noch für Nachteile. Nur in Spielen wie „Pilotwings“, in denen Entfernungen in den Raum hinein eine Rolle spielen, kann die sichtbare Tiefe tatsächlich ein wenig helfen – „Street Fighter“ sieht dagegen einfach nur netter aus. Spiele, die den 3D-Effekt aber wirklich konsequent nutzen und sogar voraussetzen, gibt es bisher aber keine – nicht mal als Ankündigung.
Kleiner Winkel, kleiner Akku
Während die Vorteile gering ausfallen, sind die Nachteile dagegen drastisch: Allem voran sorgt der Blickwinkel immer wieder für Probleme. Der Effekt funktioniert nur gut, wenn ihr ein perfektes Mittel aus Kopfhaltung, Position des Geräts und Winkel des 3D-Bildschirms findet. Die Toleranz dahingehend variiert von Spiel zu Spiel und auch je nach eingestellter Stärke des 3D-Effekts. Verlasst ihr den mal größeren, mal extrem kleinen perfekten Bereich, verschwimmt das Bild und schon nach kurzer Zeit können Kopfschmerzen einsetzen – die anscheinend aber auch bei Personen auftreten, die es richtig machen. Und das Wissen um das Winkelproblem löst es nicht. Kaum ein Mensch sitzt stundenlang felsenfest auf seinem Sofa und hält den 3DS komplett fix an einer Position. Bewegt ihr euch auch nur minimal, müsst ihr eine Ausgleichbewegung durchführen. Das ist nervig, gleichzeitig durch immer wieder verschwommene Bilder auch noch unangenehm und im Endeffekt Grund dafür, dass ihr den 3D-Effekt früher oder später dauerhaft deaktivieren werdet. Erschwerend kommt beim 3D auch noch hinzu, dass es sich rasend schnell durch den Akku frisst. Zweieinhalb Stunden ist die durchschnittliche Zeit, die ihr mit vollem Akku und vollem 3D spielen dürft. Selbst ohne 3D gibt der Akku schon nach lächerlichen fünf Stunden auf, aber das ist immerhin ein Leistungsgewinn von 100 Prozent. Ein Grund mehr, ohne den 3D-Effekt zu spielen. Im Grunde mutiert 3D durch diese Schwächen in den meisten Spielen zu einer Spielerei, die wahrgenommen, ausprobiert und wieder ausgeschaltet wird. Dafür, dass diese Innovation für viele sicher einer der wichtigsten Punkte am 3DS ist, ein eher enttäuschendes Fazit.
Der 3DS (links) ist nur etwas höher als der DSi
Die Doppelkamera ist ebenfalls vor allem Spielerei. Durch die zwei Linsen könnt ihr 3D-Bilder machen und sie euch dann natürlich auch auf dem Bildschirm ansehen. Allerdings lässt die Auflösung extrem zu wünschen übrig und Spiele, die dieses Feature nutzen, gibt es bisher auch kaum. Nur die kleinen Augmented-Reality-Spiele, die auf dem 3DS vorinstalliert sind, greifen auf die Kamera zurück. Allerdings habt ihr diese Spiele schnell alle zur Genüge gespielt und immer die Karten dabei haben, die ihr braucht, damit ihr überhaupt spielen könnt, ist eher unpraktisch.
Bewegung ist zweidimensional
Die Bewegungssteuerung konnte ich mangels anderer Spiele nur mit dem an sich witzigen „Face Raiders“ testen. Wie die anderen AR-Spiele ist es nichts, was ihr auf Dauer spielen werdet, aber es ist einen Blick wert und zeigt gleichzeitig, dass der 3DS gut auf Bewegungen reagiert. Allerdings ist es auch eins der typischen Beispiele dafür, dass Bewegungssteuerung nur begrenzt cool ist. Da ihr euch um 360 Grad drehen können müsst, ist dieses Spiel nämlich weder für die Fahrt im Bus noch für den entspannten Nachmittag auf dem Sofa und ganz besonders nicht für die Überbrückung der Toilettenpause geeignet. Fragwürdig ist bei der Bewegungssteuerung auch die Kombination mit dem 3D-Effekt. „Super Monkey Ball 3D“ bietet euch beispielsweise an, eure Kugeln nicht per D-Pad oder Schiebepad zu steuern, sondern eben durch Bewegung des 3DS. Gleichzeitig wird das Spiel aber nicht müde, Werbung für seinen tollen 3D-Effekt zu machen, für den ihr dann die ganze Zeit mit der Steuerung der Kugel mitwackeln müsstet, damit das Bild sauber bleibt. Keine sinnvolle Kombination, aber hier ist dann einmal mehr der 3D-Regler sehr nützlich, über den ihr den Effekt auch ausstellen könnt.
Final gibt es dann noch die ganzen sozialen Komponenten, die euch motivieren sollen, den 3DS im Standby immer in der Tasche zu haben. Da Nintendos größter Konkurrent die Smartphones sind, die eben tatsächlich immer dabei sind und durch ihre vielen kleinen Spiele die „echten“ Handhelds verdrängen, ist das ein logischer Schritt. Vor allem, weil man nicht unbedingt mit und gegen andere spielen wollen muss, um (kleine) Vorteile daraus zu ziehen. Dabei stechen zwei Funktionen heraus: der Activity Log und StreetPass. Der Activity Log ist im Grunde – unter anderem – ein Pedometer. Er notiert die Schritte, die ihr mit dem 3DS in der Tasche zurücklegt – Standby- oder Normal-Betrieb vorausgesetzt -, und belohnt euch mit Münzen, die ihr dann in Spielen und Programmen für optionale Inhalte einsetzen dürft. Während das eine Funktion für Einzelgänger ist, ist sie auch Grundlage für StreetPass. Aktiviert ihr dieses Feature, stellt euer 3DS automatisch eine Wi-Fi-Verbindung zu anderen Geräten her, wenn diese sich in der Nähe befinden. So werden dann nicht nur Avatare und Kontaktdaten getauscht, damit ihr später miteinander spielen könnt, sondern häufig auch kleine Events aktiviert. Habt ihr beide beispielsweise Street Fighter, kämpfen eure Geräte gegeneinander. Und in der Mii-Lobby habt ihr sogar zwei Spiele, für die ihr möglichst viele Avatare sammeln müsst. Bisher sind das nur Spielereien, aber wenn ihr beispielsweise im nächsten Pokémon-Teil automatisch Pokémon tauschen könntet, wäre das eine sinnige Erweiterung.
Warum hat Nintendo es nicht so gemacht?
Während es bisher nur um vorhandene Funktionen ging, die nett, aber unnötig sind, bleiben noch technische Mängel. Der eShop, also die Plattform für Download-Spiele, und der Browser sind noch nicht aktiviert. Derzeit ist das Firmware-Update, das die beiden mitbringen soll, für Ende Mai angedacht. Der Grund ist zwar nachvollziehbar – sie befinden sich angeblich noch nicht auf dem qualitativen Stand, den Nintendo sich wünscht -, trotzdem ist das nicht gerade ein zusätzlicher Kaufgrund. Außerdem ist extrem schade, dass der 3DS nicht, wie es sich bei Controllern und der PSP bewährt hat, zwei Analog-„Sticks“ hat, sondern nur das eine Schiebepad links. Nintendo hat lange genug gebraucht, um diese Technologie bei ihren Handhelds umzusetzen, macht es dann aber entgegen aller bewährter Standards nur halb. Sicher haben sie sich etwas dabei gedacht, für mich ist nur nicht erkennbar, was das gewesen sein könnte.
Fazit:
Wenn ihr keine hardcore Nintendo-Fans seid – was sowieso bedeuten würde, dass ihr den 3DS schon besitzt -, gibt es für euch keinen Grund, jetzt einen Handheld zu kaufen, der so viel kostet wie ein kleines Netbook. Es gibt zum Launch ein vielseitiges Angebot an Spielen, aber darunter sind trotzdem keine Pflichtkäufe und nur ein oder zwei Spiele rechtfertigen die 220 Euro für die Konsole nicht. All die Funktionen des 3DS sind zwar sehr nett, aber bisher noch nicht wirklich nötig oder ohne Langzeitmotivation. Diese Features sind also eher Bonus als ein eigener Kaufgrund. Bis die wirklich beeindruckenden Spiele und alle Funktionen verfügbar sind, solltet ihr auf jeden Fall warten. Und ab davon hat Nintendo in etwas über sechs Jahren jetzt fünf verschiedene DS-Versionen auf den Markt gebracht. Es liegt daher nahe, dass in etwas über einem Jahr die zweite 3DS-Generation erscheinen wird – dann hoffentlich mit einem besseren Akku, einem dickeren Spiele-Portfolio und einem zweiten Schiebepad. Bis dahin komme ich auch gut ohne einen 3DS aus.