Jung tritt ab – von der Leyen kommt

Drei Monate nach dem umstrittenen Luftschlag inNordafghanistan hat der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) heute sein Handtuch geworfen. Nachfolgerin wird die bisherige Familienministerin Ursula von der Leyen (auch CDU).

Jung übernahm die Verantwortung für das Informationschaos, das nach dem von einem deutschen Offizier Anfang September in Afghanistan befohlenen Luftangriff entstanden war. Er wolle mitseinem Rücktritt einen «Beitrag dazu leisten, dass die Bundesregierung ihre erfolgreiche Arbeit uneingeschränkt fortsetzen kann und Schaden von der Bundeswehr abgewendet wird» Beidem Angriff am 4. September waren bis zu 142 Menschen ums Leben gekommen. Jung hatte anfänglich gesagt, nach seinen Informationen seien ausschließlich terroristische Taliban getötetworden. Doch hat es jüngsten Informationen zufolge auch in der Bundeswehr bereits früh Hinweise auf zivile Opfer gegeben. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)kündigte unterdessen an, dem Parlament auch die neuen Geheimakten zugänglich zu machen.

Am Donnerstag hatte Guttenberg Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert von ihren Ämtern enthoben. Er habe damit auf die Tatsachereagiert, dass ihm wichtige Informationen vorenthalten wurden, die für seine politische Bewertung und Einschätzung wichtig gewesen wären. «Das hat die Vertrauensbasis erheblichbeschädigt», sagte Guttenberg. Jung stellte sich mit seinem Schritt vor die beiden.

Die SPD warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schlechtes Krisenmanagement vor. Sie habe einen schon als Verteidigungsminister überforderten Jung einfach «weiter wurschteln lassen»,sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Linke-Fraktionschef Gregor Gysi fügte hinzu, Merkel müsse sich schon die Frage gefallen lassen, warum in ihrem Kabinett erst auf«erheblichen Druck der Opposition und der Öffentlichkeit» politische Verantwortung übernommen worden sei. Grünen-Chefin Claudia Roth nannte den Rücktritt«überfällig». Alle drei Oppositionsparteien forderten zudem weitere Aufklärung über den NATO-Luftangriff von Kundus.

Damit wird die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses immer wahrscheinlicher. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold (SPD) sagte im Anschluss an die Sondersitzung des Verteidigungsausschusses:«Wir haben die Frage gestellt, ob sich Vorgänge präzise im Verdingungsausschuss aufklären lassen.» Da im Ausschuss nicht alle Akten eingesehen werden könnten, laufe esdarauf hinaus, «dass ein Untersuchungsausschuss eingerichtet wird». Der Grünen-Politiker Omid Nouripour will das seiner Fraktion kommenden Dienstag vorschlagen. Für die Linkesteht ein solcher Schritt außer Frage. Die Union will sich nach den Worten ihres Verteidigungsexperten Ernst-Reinhardt Beck (CDU) dem Oppositionsansinnen nicht verschließen.

Politiker von CDU, CSU und FDP zollten Jung Respekt für seinen Schritt. Persönlich betroffen zeigte sich Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) über den Schritt seineslangjährigen Weggefährten. «Die Ereignisse der letzten 36 Stunden und insbesondere der Amtsverzicht meines Freundes Franz Josef Jung gehen mir auch persönlich sehr nahe»,sagte Koch.

(ddp)
(RauteMusik/Welt Online)

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